Netze: 1&1 braucht eine Chance im Mobilfunkmarkt

Die Monopolkommission warnt, die Frequenzen der Mobilfunker maximal drei Jahre zu verlängern. Unterdessen zögern Festnetzkunden mit dem Wechsel auf Glasfaser.

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Große Rollen mit orangefarbenem Glasfaserkabel zur Verlegung im Boden an einer Baustelle in Beber, Niedersachsen.

Glasfaser fertig zum Ausrollen.

(Bild: juerginho/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
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Die Monopolkommission plädiert dafür, die 2025 auslaufenden Frequenznutzungsrechte der drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (o2) im 800 MHz-, 1,8 GHz- und 2,6 GHz-Band um maximal drei Jahre zu verlängern. Bisher waren die Frequenzen bei Ablauf der Lizenzen stets neu versteigert worden.

Die Bundesnetzagentur hatte signalisiert, die Lizenzen um voraussichtlich fünf bis acht Jahre verlängern zu wollen. Das soll dazu beitragen, die Mobilfunkversorgung vor allem im ländlichen Raum zu verbessern und spätestens 2030 dann gesammelt ein größeres Spektrum unter den Hammer bringen zu können.

Eine so lange Frist hält die Monopolkommission aber angesichts des damit verknüpften "großen Nachteils" für den neuen Mobilfunkbetreiber 1&1 nicht für angebracht. Eine bis zu dreijährige Verlängerung halten die Wettbewerbsexperten indes ausnahmsweise für sinnvoll, um die jetzt auslaufenden Frequenzen dann etwa 2026 gemeinsam mit anderem wichtigen Spektren zu vergeben.

Auch eine dreijährige Frist würde den "drei Etablierten einen großen Vorteil einräumen", warnte Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission, am Mittwoch bei der Präsentation des 13. Sektorgutachtens Telekommunikation. Doch könne man so einen "Pool für eine attraktive Vergabe" bilden. Zudem sollte bis 2026 absehbar sein, ob der Netzaufbau von 1&1 gelinge wie geplant. 1&1 hatte mit einigen Startschwierigkeiten zu kämpfen.

Das Bundeskartellamt hatte sich im November gegen das Vorhaben der Bundesnetzagentur ausgesprochen, die Nutzungsrechte zu verlängern. Damit werde der neue Mobilfunkbetreiber 1&1 praktsich wieder aus dem Markt gedrängt. Die Kartellwächter halten den von der Regulierungsbehörde zunächst vorgeschlagenen Frequenztausch für den besseren Weg: Damit würden die Lizenzen für die Flächenfrequenzen im 800-MHz-Band bis 2033 verlängert und dafür die Vergabe der Blöcke bei 900 MHz auf 2025 vorgezogen.

Als Ausgleich für 1&1 empfiehlt die Monopolkommission, dass die drei alteingesessenen Betreiber für die Dauer der Verlängerung verpflichtet werden, Wettbewerbern diskriminierungsfrei den Zugang zu ihren Netzen anzubieten. Sie müssten Dritten also gleiche Preise offerieren wie konzerneigenen Gesellschaften. Außerdem sollten die Belange des vierten Netzbetreibers 1&1 "berücksichtigt" werden.

Kühling gab aber zu, dass er letztlich keinen guten Vorschlag kenne, wie der Neueinsteiger tatsächlich angemessen "kompensiert" werden könne. Sollte die Verlängerung ausgeweitet werden, sei wohl eine "Diensteanbieterverpflichtung" nötig. Damit müssten die Netzbetreiber einen Teil ihrer Kapazitäten an andere Firmen vermieten, die keine eigene Infrastruktur haben.

Die Bundesnetzagentur habe fast 60 Stellungnahmen zu dem Verlängerungsvorschlag erhalten, berichtete der Präsident der Regulierungsbehörde Klaus Müller. Es zeichne sich ein heterogenes Bild ab, sodass die Behörde gegebenenfalls im Frühjahr 2024 noch eine Anhörung plane. Der 5G-Ausbau sei in vollem Gange und man wolle prinzipiell "die Versorgung verbessern und den Wettbewerb fördern".

Auch im Festnetz läuft Müller zufolge der "Übergang in die Gigabitwelt". Jedes Jahr investierten Unternehmen mehr Geld in Breitbandinfrastrukturen, wies er Berichte über ein Schwächeln des Marktes an diesem Punkt zurück. 2022 hätten die Unternehmen mit über 13 Milliarden Euro das Festnetz und den Mobilfunk ausgebaut. Das seien 1,5 Milliarden Euro mehr als Vorjahr.

Bis Mitte Mai 2023 konnten laut dem zugleich veröffentlichten Tätigkeitsbericht Telekommunikation der Behörde knapp drei Viertel der Haushalte einen Gigabitanschluss buchen. Hierzu liefern die Kabelnetze bislang noch den größten Beitrag. Sie decken gerade im städtischen Raum einen Großteil der Bevölkerung Deutschlands ab.

Auch der Glasfaserausbau schreite voran, unterstrich Müller. Dem Bericht zufolge waren Mitte 2023 etwa 15 Millionen Endkunden mit einschlägigen Anschlüssen bis zur Wohnung oder zum Haus versorgt oder unmittelbar erreicht. Das sind doppelt so viele wie vor zwei Jahren. Fast jeder dritte Endkunde hat so die Möglichkeit, einen Glasfaseranschluss zu buchen. Die konkrete Nachfrage entwickelt sich aber langsamer. Nur jeder vierte Kunde, der einen Glasfaseranschluss buchen könnte, macht von dieser Option auch Gebrauch.

Müller sprach hier vor allem von "Early Adoptern", die etwa "im harten Gaming-Bereich" oder semi-professionellen Videoproduktionssektor unterwegs seien und große Datenmengen transferierten. "Andere haben es nicht so eilig", da es "leistungsfähige bestehende Netze" gebe. Der Trend weg von Kupfer sei aber spürbar, verwies der Behördenchef auf ein "endliches Szenario der Bequemlichkeit", das Verbraucher noch von einem Umstieg abhalte.

"Eine Zwangsmigration steht nicht auf der Agenda der Bundesnetzagentur", betonte Müller. Auch Kühling hält nichts davon, das Kupfernetz abzuschalten, da dieses auch nach wie vor einen gewissen Wettbewerbsdruck auslöse: "Wir haben ein sehr potentes DSL- und Kabelnetz." Die Migrationsphase gestalte sich zwar länger als von vielen gehofft. Trotzdem gelte es, die Glasfaser so attraktiv zu machen, dass die Kunden sie annehmen.

Das vielfach geforderte Verbot des Überbaus von Glasfasernetzen hält die Monopolkommission nicht für zielführend. Ein Doppelausbau könne aber problematisch werden, wenn dadurch letztlich das Verlegen von Glasfaser in einem Gebiet teils oder ganz unterbleibe oder langfristig verzögert werde. Bei missbräuchlichen oder unlauteren Verhaltensweisen sollten daher Handlungsmöglichkeiten des Telekommunikations- und Wettbewerbsrechts angewendet werden.

Auch der frei verhandelte offene Netzzugang (Open Access) kann den Wettbewerbsexperten zufolge dazu beitragen, einen Parallelausbau zu vermeiden. Er soll es Anbietern ermöglichen, Netze anderer Betreiber mitzubenutzen, um darüber eigene Dienste zu erbringen. Dafür sei es aber erforderlich, "dass grundsätzlich alle realisierbaren Vorleistungsprodukte zu in Deutschland marktüblichen Konditionen und einheitlichen Standards angeboten werden".

Müller erläuterte, dass die bei der Netzagentur im Juli eingerichtete "Monitoringstelle" bis Ende November Beschwerden über rund 300 Fälle von Doppelausbau erhalten habe. Die Behörde wolle sich nun ein Gesamtbild machen und Muster identifizieren. Voraussichtlich Ende Januar werde "nach vertieften Gesprächen" mit den ausbauenden Unternehmen und den Kommunen eine Zwischenbilanz gezogen.

Gegebenenfalls seien dann ein Einschreiten des Regulierers oder gesetzgeberisches Handeln des Bundestags erforderlich, sagte Müller. Parallel gehe es im Gigabitforum darum, den Dialog zu führen sowie Verhandlungs- und Transaktionskosten für Open Access zu senken.

(vbr)