Neuauflage im Lobbystreit um Softwarepatente

Vor der Anhörung zur Zukunft des EU-Patentsystems brechen alte Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern eines gewerblichen Rechtsschutzes für "computerimplementierte Erfindungen" neu auf.

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Kurz vor der Anhörung zur Zukunft des EU-Patentsystems am Mittwoch in Brüssel brechen alte Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern eines gewerblichen Rechtsschutzes für "computerimplementierte Erfindungen" neu auf. Vor fast genau einem Jahr hatte das EU-Parlament eine entsprechende Richtlinie zu Softwarepatenten nach jahrelangen heftigen Auseinandersetzungen beerdigt. Doch Eva Lichtenberger, Mitglied im Rechtsausschuss der Volksvertretung, wird "den Verdacht nicht los, dass die Industrie die Scharte vom vergangenen Jahr wieder ausmerzen will". Sie beklagt daher einen "neuen Lobbying-Strom" mit teils zweifelhaftem Charakter: "Man will uns sagen, was wir sagen sollen", wehrt sich die Grünen-Abgeordnete aus Österreich gegen die Beeinflussungsmaßnahmen.

Vor dem klaren Nein des EU-Parlaments zu Softwarepatenten war die Lobbyschlacht vor allem zwischen Mittelstandsvertretern und Branchenvereinigungen größerer Konzerne ausgebrochen. Letztere bezogen dabei Position für eine Ausweitung des Patentsystems auf Computerprogramme, auch wenn es damals schon fast zum guten Ton gehörte, pauschal "Softwarepatente" an sich abzulehnen. Hauptsächlich von der Industrie unterstützte Lobbyvereinigungen, die sich für eine breite Patentierbarkeit von Computerprogrammen stark machten, traten dabei gerade in der Endphase vor der Parlamentsabstimmung auch als vermeintliche Mittelstandsvertretungen auf. Besonders in den Vordergrund spielte sich in diesem Zusammenhang eine "Campaign for Creativity" (C4C). Ihr Gründer war der schon im Streit um Biopatente aktiv gewordene Londoner "Public Affairs"-Manager Simon Gentry. Das Schwergewicht der Unterstützer bildeten Branchengrößen wie Microsoft oder SAP.

In der Neuauflage des Patentstreits trifft man auf altbekannte Namen. So hat der europäische Lobby-Chef von CompTIA, Hugo Lueders, EU-Abgeordnete gemeinsam mit Mittelstandszirkeln der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) für den morgigen Dienstag zu einem "Arbeitsmittagessen" zum Thema EU-Patente für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) geladen. Der "Weg nach vorn" soll dabei unter anderem mit einem Abgesandten der EU-Binnenmarktkommission sowie dem CDU-Abgeordneten Klaus-Heiner Lehne dargelegt werden. Letzterer war im vergangenen Jahr wegen potenzieller Interessenkonflikte zwischen seiner Tätigkeit in einer großen Anwaltskanzlei und seiner entscheidenden Parteifunktion auf dem Kurs eine Teils der bürgerlichen Partei in Richtung Softwarepatente in die Kritik geraten. Momentan arbeitet Lehne an einer Resolution des Parlaments zum künftigen Patentkurs der EU.

Auch Gentry hat derweil mit der Innovation and Creativity Group (ICG) eine neue Lobbyformation ins Leben gerufen, wie der "Lobby Planet Brüssel" herausarbeitet. Die Rückendeckung kommt aus vergleichbarer Richtung wie bei der C4C, auch wenn die Sponsoren dieses Mal versteckter agieren. Im Aufsichtsrat sitzen etwa Jonathan Zuck von der Association for Competitive Technology (ACT), deren Verwurzelung im Mittelstand andere KMU-Vereinigungen anzweifeln, sowie Marie-Therese Huppertz, die inzwischen als "Beraterin" tätige Ex-Cheflobbyistin von Microsoft in Brüssel. Gründlich überdacht haben Gentry und seine Förderer ihre Strategie: die ICG fungiert nun als gemischte, im kleinen Kreis agierende Organisation von EU-Abgeordneten und Wirtschaft. Statt öffentlicher Demonstrationen stehen nun parlamentarische Gesprächs- und Verköstigungsrunden auf dem Plan.

Die Vereinigung patentfrei.de hat derweil in einem Brief (PDF-Datei) an die Kommission deutliche Mängel am Konsultationsverfahren und der Zusammenstellung der Anhörung zur Neuausrichtung des Patentwesens ausgemacht. Sie hinterfragt etwa, dass der geladene Zuck im Namen der größtenteils US-zentrierten ACT "die Interessen der europäischen KMU der IT-Branche bezüglich der zukünftigen Ausgestaltung des Patentsystems vertreten wird." Im Gegensatz dazu sei kein Vertreter der eigenen Initiativen, "die mehr als 600 Entscheider deutscher KMU der IT-Branche zu ihren Unterstützern" zählen, eingeladen worden.

Der vorläufige Bericht der Kommission zur Auswertung der Anhörung lässt laut patentfrei.de zudem "Transparenz vermissen". Von Teilnehmern geäußerte Kritik am Inhalt und der Ausrichtung des Fragebogens werde nicht angemessen ausgeführt. Das Papier sei ferner "tendenziös" und scheine von vornherein auf die Durchsetzung des geplanten European Patent Litigation Agreement (EPLA) unter einem "Regime" des Europäischen Patentamts (EPA) abzuzielen. Laut Softwarepatent-Gegnern könnte dieses Streitregelungsabkommen die Tore für eine Flut von Softwarepatenten und Klagen wegen Patentverletzungen öffnen. Die negative Haltung der "Majorität der IT-Unternehmen" zur Softwarepatentierung wird gemäß der Proteste von patentfrei.de zudem "lediglich pauschal als ängstlich beschrieben, ohne die Gründe wie die ausufernde Softwarepatent-Erteilungspraxis des EPA zu nennen.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (anw)