Neue Gräben bei der digitalen Spaltung

Die WSIS-Strategie zur Überwindung der digitalen Spaltung der Welt wird heftig diskutiert. Während einige Regionen langsam aufholten, würden andere immer weiter abgehängt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Wolfgang Kleinwächter
  • Mattias Hermannstorfer

Bei der vom Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) beschlossenen Strategie zur Überwindung der digitalen Spaltung hat es im vergangenen Jahr widersprüchliche Tendenzen gegeben, sagte Heather Hudson von der University of San Francsco auf der Pacific Telecommunication Conference (PTC 06) in Honolulu. Auf der einen Seite würde sich die globale "digitale Lücke" verkleinern. So hätten gerade Asien und Afrika im Jahr 2005 enorme Fortschritte gemacht. Bei den Zuwachsraten in den Bereichen Mobiltelefonie und Internet läge Afrika sogar weltweit an erster Stelle, was allerdings angesichts des niedrigen Ausgangsniveaus kaum erstaunlich sei.

Andererseits aber öffne sich zwischen den Entwicklungsländern sowie innerhalb einzelner Länder ein neuer Graben. Während in Asien Länder wie Indien, Malaysia und Thailand mittlerweile zur internationalen Spitze aufgeschlossen hätten und Singapur sie sogar mit dominierte, blieben Länder wie Laos, Kambodscha, Bhutan oder Nepal hoffnungslos zurück.

Eine ähnliche Tendenz gebe es in Afrika südlich der Sahara, wo sich nur geringe Fortschritte erkennen ließen. In Ländern wie Ägypten oder Südafrika nähme die innere Spaltung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten enorm zu. Während sich Kapstadt und Kairo mittlerweile zu Recht eCities nennen könnten, sei das Internet weder in den Townships noch im Süden Ägyptens angekommen. Nach Hudson würden außerdem dem Schutz von staatlichen Fernmeldemonopolen dienende Verbote neuer Techniken wie der Internettelefonie die Entwicklung blockieren.

Vor einer Überregulierung, die zu einer Strangulierung der informationswirtschaftlichen Entwicklung führen könne, warnte auch Philipp Grabensee, Vorsitzender des Direktoriums von Afilias. Die Registry für die Intenet Domain .info übernimmt außerdem das Backup der Domainnamen-Registrierung für .org sowie wie acht Länderdomains, darunter .in für Indien. Laut Grabensee steige bei liberalen Regelungen die Zahl der registrierten Internet Domains schneller als bei einen strengen Regulierung.

Richard Vincent von der Indian State University verglich die WSIS-Debatte mit der Diskussion in der UNESCO und in der ITU Anfang der 80er Jahre über eine Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung (NWIKO). Die damals erstellten Berichte der Mac-Bride-Kommission (Many Voices One World) und der Maitland-Kommssion (The Missing Link) hätten auf die gleichen Probleme hingewiesen, die jetzt im WSIS-Prozess diskutiert werden: Infrastrukturentwicklung, Ausbildung, Menschenrechte.

Nach Vincent aber seien die Aussichten, die Probleme zu lösen, heute weitaus günstiger als vor 25 Jahren. Einerseits ermögliche der technische Fortschritt weitaus kostengünstigere Lösungen, andererseits sei die Debatte weniger politisiert und ideologisiert. Einen Fortschritt sieht Vincent insbesondere im neu entwickelten Prinzip des Zusammenwirkens von Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft bei Politikentwicklung und Entscheidungsfindung auf globaler Ebene (Multistakeholder). Innovative Partnerschaften zwischen dem privaten Sektor und der Zivilgesellschaft könnten so zu einer nachhaltigen Entwicklung führen.

Scharfe Kritik an der Weltbank äußerte in diesem Zusammenhang Ken Zita von Network Dynamics Associates, einem in mehr als 50 Entwicklungsländern tätigen Beratungsunternehmen. Der "Washingtoner Konsensus" der Weltbank aus den 90er Jahren, nach dem die Bank kein Geld in Informationsinfrastruktur-Projekte investieren dürfe, da sich solche Projekte am Markt selbst finanzieren ließen, sei nicht mehr zeitgemäß. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass der Aufbau von Informationsinfrastruktur sowie IP-Anwendungen primär eine Aufgabe des privaten Sektors sei. Von Bergdörfern im Himalaya in Bepal bis zu Siedlungen in Zentralafrika werde es in vielen Teilen der Erde aber auch in 50 Jahren noch keine Projekte geben, die sich am Markt rechnen. (Wolfgang Kleinwächter) / (mhe)