Neue Mozilla-Roadmap: Abschied von der Web-Suite

Die Mozilla-Entwickler wollen eine Abkehr von der komplexen Web-Suite hin zu modularen Anwendungen wie dem Browser Phoenix und dem E-Mail-Client Minotaur; Ziel: schnellerer, einfacherer Code, der leichter zu erweitern ist.

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Von
  • Jürgen Kuri

Praktisch mit der Freigabe der Alpha-Version für Mozilla 1.4 haben die Entwickler eine neue Roadmap für die Web-Suite aus Browser, E-Mail- und Chat-Client, HTML-Editor und Entwickler-Toolkit vorgestellt. Danach soll das Paket künftig nicht mehr als einheitliche Suite weiterentwickelt werden. Als Browser soll der Mozilla Ableger Phoenix zum Einsatz kommen, der bislang als allein stehender Webbrowser entwickelt wurde, vor allem mit dem Ziel, eine besonders schlanke und schnelle Software auf die Beine zu stellen. Ähnliches soll beim E-Mail-Client passieren: Vor kurzem erst wurde das Projekt Minotaur gestartet, das ähnliche Ziele wie Phoenix für das Mail-Programm verfolgt. Was aus anderen Anwendungs-Komponenten wie dem Composer, dem Chat-Client Chatzilla oder dem Kalender wird, ist nach den bisherigen Plänen noch nicht klar.

Dies alles soll keinen Abschied von der Gecko-Rendering-Engine darstellen, eigentlich der Kern des Mozilla-Projekts: Sowohl Phoenix wie Minotaur bauen darauf auf. Das Gecko Runtime Environment (GRE) bleibt die zentrale Software für die Mozilla-Anwendungen, allein die Anwendungsarchitektur soll sich von einer komplexen Suite zu einfacher zu handhabenden und leichter zu entwickelnden Einzelkomponenten bewegen. Damit reagiert die Entwicklergruppe offensichtlich auf Kritik und heftige Diskussionen, die nach der Entscheidung von Apple für KHTML als Basis des Safari-Browsers aufkamen. Die Kritik bezog sich dabei vor allem auf den angeblich aufgeblähten und zu komplexen Code von Mozilla.

Mitchell Baker, "Chief Lizard Wrangler" bei Mozilla, verteidigt in einem Essay Browser Innovation, Gecko and the Mozilla Project noch vehement das bisherige Vorgehen der Mozilla-Entwickler: Ziel sei es, Innovation zu fördern und Clients zu ermöglichen, die Standards entsprechen, um die Inhalte im Web weiter offen zu halten. Nun schreiben die Entwickler in ihrem neuen Roadmap-Vorschlag: "Die Überlegungen hinter diesen neuen Roadmap-Elementen beruhen letztlich darauf, Qualität der Quantität vorzuziehen. Wer müssen weniger tun, dies aber besser, und mit vernünftigen Erweiterungs-Mechanismen."

Mit dem Abschied von der komplexen Web-Suite gehen allerdings auch Änderungen bei den benutzten Bibliotheken einher. So soll etwa das XPToolkit (XPFE) zur Entwicklung plattformunabhängiger User-Interfaces abgelöst werden; stattdessen käme etwa die XML-based User Interface Language (XUL) zum Einsatz, wie sie Phoenix benutzt. Aber auch an Gecko wollen die Entwickler nach ihrer Ansicht "entscheidende Bugs der Layout-Architektur" korrigieren, um den Code besser wartbar, schneller und einfacher erweiterbar zu machen. Außerdem schlägt die Entwicklergruppe vor, sich von der völlig offenen Entwicklungsplattform, bei der jeder Zuarbeiter Zugang zum Code-Repository hat, zu verabschieden. Stattdessen soll einem strikteren Modell gefolgt werden, bei dem die Entwicklung der einzelnen Module von Verantwortlichen genauer gesteuert und kontrolliert wird.

Dieser Vorschlag für eine neue Mozilla-Roadmap enthält auch das Vorhaben, eine Version 1.4 auszuliefern, die als Ersatz für die Version 1.0.x als stabiler, in den Fuktionen und Interfaces nicht mehr veränderter Entwicklungspfad dienen kann. Danach soll mit den Versionen 1.5 (Alpha: 27. Juni, Beta: 25. Juli, Release: 20. August) die Entwicklung zu einem modularen Mozilla anfangen. Bis dahin sollen sich auch Firmen und Entwickler, die Anwendungen auf Basis der bisherigen Mozilla-Applikationsarchitektur geschrieben und vertrieben haben, mit Kommentaren zu den neuen Plänen bei den Entwicklern melden. Einige heftige Diskussionen dürfte der Vorschlag auch in den Newsgroups und Mailing-Lists zum Mozilla-Projekt auslösen. (jk)