Neuer EU-Vorstoß zur Patentreform stößt auf vielerlei Bedenken

Der Kompromissvorschlag der EU-Kommission zum Aufbau einer integrierten unionsweiten Patentgerichtsbarkeit erscheint dem BDI als zu zögerlich, während Mittelstandsvereinigungen von zu weitgehenden Plänen sprechen.

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EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat sich mit seinem Kompromissvorschlag zur "Vertiefung" des EU-Patentsystems sowie zum Aufbau einer integrierten EU-weiten Patentgerichtsbarkeit erneut zwischen alle Stühle gesetzt. Kritik hagelt es vor allem vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und von Mittelstandsvereinigungen. Während der Lobbyvereinigung der Konzerne der Kurs in Brüssel – genauso wie Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) – als zu zögerlich erscheint, sprechen die Vertretungen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) größtenteils von zu weitgehenden Plänen. Doch es gibt auch Lob für den Ansatz des irischen Kommissars. So haben etwa der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und die Brüsseler Vereinigung der Technologiebranche EICTA den Vorschlag als ausgewogen begrüßt.

Die Kommission befürwortet im heftig umkämpften Gebiet einer übergeordneten Streitgerichtsbarkeit für Patentfragen einen zweigeteilten Ansatz. Mit ihm sollen der vielfach kritisierte Entwurf für ein Europäisches Übereinkommen über Patentstreitigkeiten (EPLA) im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens sowie eine spezifische Gemeinschaftsgerichtsbarkeit für Rechtsstreits über europäische Bündel- und die geplanten Gemeinschaftspatente in einem Mehrkammernsystem zusammengeführt werden.

Dieses Verfahren habe zwar einige Vorteile zu einem reinen EPLA-System, räumt Pieter Hintjens ein, Präsident des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII). So würde die Kommission damit auf unabhängige, nicht vom Europäischen Patentamt gestellte Richter pochen. Dazu komme das generelle Einverständnis, dass das gegenwärtige Patentwesen für KMU größtenteils unpassend sei. Gleichzeitig folge die EU mit der Initiative aber "den USA auf dem gefährlichen Pfad zu einer zentralen Patentgerichtsbarkeit". Dieses Experiment sei jenseits des Atlantiks aber kläglich fehlgeschlagen. Der FFII will dazu im Mai auf seiner nächsten Patentkonferenz neue Forschungsergebnisse präsentieren, wonach der US-Patentkurs Innovationen in jüngster Zeit in allen Wirtschaftsbereichen jenseits der Pharma-Industrie behindert habe.

Zugleicht wirft Hintjens der Kommission vor, manisch auf Patente als Innovationsfaktor fixiert zu bleiben. Dies sei ein Schlag ins Gesicht für die zahlreichen Mittelständler, die sich an der umstrittenen Konsultation zur Zukunft des EU-Patentwesens beteiligt und dabei eine Unvereinbarkeit des gegenwärtigen Systems gewerblicher Schutzrechte mit ihren Geschäftsmodellen konstatiert hätten. Statt Geld für die "Aufklärung" von KMU über den vermeintlichen Wert von Patenten zum Fenster hinauszuwerfen, sollten besser die finanziellen Hürden für Wagniskapitalgeber ähnlich wie in den USA abgebaut werden.

Das Drängen der Kommission zu einer Reduzierung der Kosten von Patentstreitigkeiten hält Hintjens zudem für eine rein kosmetische Korrektur. Solange die Qualitätsprobleme des Europäischen Patentamtes nicht gelöst seien, würden dadurch die grundsätzlichen Probleme des Patentsystems nur verschlimmert. Auf europäische KMU drohe so gar eine Welle an Schadenersatzforderungen nach US-Stil zuzurollen.

Die europäische Mittelstandsvereinigung UEAPME beglückwünschte McCreevy für sein Festhalten am Gemeinschaftspatent. Dabei müssten aber die Übersetzungsanforderungen in die Amtssprachen der EU herabgeschraubt werden. Am liebsten wäre dem Verband zudem eine gesonderte Patentstreitgerichtsbarkeit allein für KMU. Auch die BDI-Expertin für Rechte an Immaterialgütern, Iris Plöger, bemängelte die fehlende Lösung für das Sprachenproblem. Vor allem aber dürfe das über Jahre von Experten beim Europäischen Patentamt entwickelte EPLA "nicht ohne Not" aufgegeben werden. Die Industrie moniert generell, dass ein europäisches Bündelpatent mit Geltung in 13 EU-Mitgliedstaaten bis zu elf Mal teurer sei als ein US-Patent und dreizehn Mal teurer als ein Patent in Japan.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)