Selbstregulierung soll Blackberry-Patentfälle in Europa verhindern

Industrievertreter haben einen Verhaltenskodex vorgeschlagen, der hohe Strafzahlungen wegen Softwarepatentverletzungen wie im spektakulären Streit zwischen NTP vs. RIM auf dem alten Kontinent keine Chance geben soll.

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Industrievertreter haben einen Verhaltenskodex vorgeschlagen, der hohe Strafzahlungen wegen Softwarepatentverletzungen wie im Fall NTP vs. RIM auf dem alten Kontinent keine Chance geben soll. "Wir sollten einen 'Code of Conduct' annehmen", empfahl Bertram Huber, Chef der Abteilung geistige Eigentumsrechte bei Bosch, am Freitag zum Abschluss des von Premier Cercle organisierten "Gipfeltreffens" der "Intellectual Property"-Gemeinde, dem "IP Summit" in Brüssel. Die Selbstregulierungsmaßnahmen sollten unter anderem besagen, dass die Antragsteller zunächst eine eigene Suche nach bereits gewährten gewerblichen Schutzrechten durchzuführen hätten. Zudem sollte vor möglichen Klagen Verhandlungen ausreichend Zeit gegeben werden.

Hubers Kodexvorschlag sieht weiter vor, dass eine Klage wegen einer Patentverletzung nicht von reinen "Agenten" eingereicht werden sollte. Allein Unternehmen, die ihre gewährten Monopolansprüche auch selbst nützen, sollten sich so an Gerichte wenden. Man könne auch darüber nachdenken, die Gebührenforderungen der Patentanwälte zu begrenzen. "Es sollte zudem Allgemeingut werden, dass man nur vernünftige Entschädigungen verlangt", gab sich der Bosch-Vertreter optimistisch. Generell seien die in EU-Ländern geltend zu machenden Schadensersatzforderungen aber deutlich niedriger als in den USA. Trotzdem könne man das hinter dem spektakulären Fall des Blackberry-Herstellers RIM stehende Problem der "Patent-Trolle" aber nicht auf die USA beschränken.

Die kanadische Firma einigte sich im März mit der Patentorganisation NTP auf die Zahlung von 612 Millionen US-Dollar, nachdem US-Gerichte zuvor eine einstweilige Verfügung gegen die Blackberry-Macher trotz Zweifeln an der Gültigkeit der Schutzrechte der US-Firma erlassen und bestätigt hatten. Schon damals hatten Softwarepatent-Gegner befürchtet, dass ähnliche Schadensersatzforderungen künftig auch in Europa geltend gemacht werden könnten.

"Patent-Trolle" würden manchmal "Mafia-ähnlich" agieren, wetterte nun Michael Platzoeder, Experte für geistiges Eigentum bei Infineon, über die Missbräuche des Patentsystems. Geldgier sei dabei deren hauptsächliches Motiv. Auch er zeigte sich daher erleichtert, dass die in Europa gewährten Entschädigungen deutlich niedriger seien als im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zugleich beklagte er, dass bereits "so viele Patente gewährt worden seien, von denen manche eine zumindest fragwürdige Qualität haben". Ganz schlimm bei den hier ansetzenden Patent-Trollen wäre zudem, dass diese "kein eigenes Geschäft" jenseits der Patentverwaltung führen würden und so selbst keine Angriffsfläche für Gegenklagen böten. Platzoeders Kollege bei Alcatel, André-Pascal Chauvin, möchte das Instrument einstweiliger Verfügungen zur Durchsetzung von Patentrechten trotzdem nicht missen. Ihm zufolge gibt es "viele Sorten von Trollen". Nur diejenigen seien gefährlich, die in Serie "Drohbriefe" an andere Firmen ausspucken würden.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)