Neuer Tiefseedetektor misst bisher energiereichstes Neutrino aus dem All

Tiefseedetektoren haben das ultrahochenergetische Neutrino entdeckt. Es könnte auf ein bedeutendes kosmisches Ereignis hinweisen.

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KI-generierte grafische Darstellung von Kugeln im Meer

Neutrinos sind ladungsfreie subatomare Gebilde, die kaum in Wechselwirkung mit Materie stehen.

(Bild: CGDREAM KI / Symbolbild)

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Auf der Konferenz Neutrino 2024 in Mailand, Italien, enthüllte der Physiker João Coelho die wichtigste Entdeckung des neuen Unterwasserobservatoriums ARCA (Astroparticle Research with Cosmics). Das gemessene energiereiche Neutrino "sticht wirklich heraus, sehr weit weg von allem anderen", sagte Coelho, der am AstroParticle and Cosmology Laboratory in Paris tätig ist.

Wie DerStandard berichtete, ist diese Entdeckung der erste Erfolg des neuen Riesendetektors auf dem Grund des Mittelmeers. Trotz ihrer elektrischen Neutralität und geringen Masse kommen Neutrinos im Universum häufig vor. Wissenschaftler haben dabei große Schwierigkeiten, ihre Wechselwirkung mit konventioneller Materie nachzuweisen, sodass die Identifizierung ultrahochenergetischer Neutrinos als seltener Glücksfall angesehen wird.

Auf der Konferenz schwieg Coelho zum Bedauern vieler Teilnehmer zu Einzelheiten der Beobachtung. Weder gab er die genaue Richtung bekannt, aus der das Teilchen gekommen war, noch wann die Beobachtung stattfand. Diese Details könnten Hinweise zum möglichen Ursprung des Neutrinos verraten, meinten Forscher auf der Konferenz gegenüber dem Wissenschaftsmagazin Nature. Coelho versprach, diese Details zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen. "Es wäre wirklich interessant zu sehen, wo am Himmel das Neutrino seinen Ursprung hat", sagt Nepomuk Otte, Physiker am Georgia Institute of Technology in Atlanta.

Ein so seltenes Ereignis ist für sich gesehen schon ein Grund zum Feiern, so die Meinung vieler Konferenzteilnehmer. Trotz des zurückhaltenden Berichtes von Coelho waren viele Wissenschaftler von der Nachricht begeistert. Francis Halzen, Physiker an der University of Wisconsin-Madison, schwärmte, dass der Neutrino-Nachweis "ein fantastisches Ereignis" sei.

Trotz der großen Menge an vorhandenen Neutrinos zeichnen Wissenschaftler nur gelegentlich ein einzelnes Neutrino auf und beschreiben es wie ein neu entdecktes Lebewesen. Die großen Detektoren messen dabei keine Sonnenneutrinos, sondern Neutrinos aus den Weiten des Alls. Diese Neutrinos haben extrem hohe Energien und stammen von außergewöhnlichen kosmischen Großereignissen. Nun konzentrieren sich die Forscher darauf, welches Großereignis dem entdeckten Super-Neutrino zugrunde liegt.

Auf der Suche nach Neutrinos und ihren Ursprüngen hoffen die Wissenschaftler auch zukünftig auf das noch unfertige ARCA. Das Tiefseeobservatorium liegt 3500 Meter unter dem Meeresspiegel und bildet einen Teil eines Netzwerks von Teleskopen und -Detektoren, die Wissenschaftler als Neutrino-Teleskope konzipiert haben. Es besteht aus mehreren Plexiglaskugeln, von denen jede etwa einen halben Meter breit ist. Diese sind an Schnüren befestigt und südöstlich von Sizilien auf dem Meeresgrund verankert. Das Tiefseeobservatorium sammelt seit Mitte der 2010er-Jahre Daten und wird kontinuierlich weiter ausgebaut. Derzeit besteht es aus 28 sogenannten Messketten (Strings), die das Team bis 2028 auf insgesamt 230 erweitern will.

(usz)