Neues Kapitel der Energiegewinnung: zehn Jahre Windpark Baltic 1
Der Ertrag stimmt, Katastrophen blieben aus: Der Windpark Baltic 1 vor der Ostsee-Küste Mecklenburg-Vorpommerns hat die Erwartungen erfüllt.
Die Bedeutung eines Bauwerks zeigt sich manchmal auch daran, wer es eröffnet: Bundeskanzlerin Angela Merkel überflog am 2. Mai 2011 mit einem Hubschrauber den neuen Ostseewindpark Baltic 1 und nahm ihn symbolisch in Betrieb. Es war der erste kommerzielle Windpark vor der deutschen Ostseeküste. Seitdem drehen sich 16 Kilometer vor der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst die 21 Windräder und produzieren für den Betreiber, den Energiekonzern EnBW in Karlsruhe, regenerativen Strom.
"Die Winderträge und die technische Verfügbarkeit liegen über unseren Erwartungen", sagt EnBW-Sprecherin Stefanie Klumpp. Die Naben der Windräder liegen 67 Meter über der Wasseroberfläche, die riesigen Rotoren haben einen Durchmesser von 93 Metern. Mit knapp 50 Megawatt (MW) reicht ihre Leistung theoretisch aus, um rund 50.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. "Der ertragreichste Monat war der Dezember 2015 mit 594 Volllaststunden", sagt Klumpp.
Mit Baltic 2 betreibt EnBW nordöstlich von Rügen inzwischen einen zweiten, größeren Windpark. Bedenken, etwa dass wegen der sichtbaren Anlagen von Baltic 1 der Tourismus auf dem Darß Schaden nimmt, sind bislang nicht eingetreten: "Ich kenne keine Gäste, die gesagt haben, sie kämen nie wieder, weil der Windpark da ist", sagt Prerows Bürgermeister René Roloff (parteilos). Auch ist keiner der vielen Tausend Frachter, die auf der nahen Kadetrinne verkehren, außer Kontrolle geraten und mit einer Windkraftanlage havariert. "Aber das heißt ja nicht, dass künftig kein Unfall möglich ist."
Verändertes Panorama
Trotzdem schlagen Roloff und mit ihm viele Menschen auf der Halbinsel Alarm. "Es wurde uns damals versichert, dass nur ein Windpark in dieser Größe für die Region tragbar ist. Jetzt wird Baltic 1 zur Keimzelle für einen Windpark in einer ganz anderen Größenordnung." Denn in direkter Nachbarschaft ist der Windpark Gennaker in Planung. Nach dem Willen von Projektentwickler WPD sollen dort in Zukunft 103 maximal 175 Meter hohe Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 865 Megawatt arbeiten. Wann das soweit sein wird, ist ungewiss. Dabei soll die kürzeste Entfernung der maximal 175 Meter hohen Anlagen nur zehn Kilometer vom Darß sein.
Da die Anlagen deutlich näher und größer sein werden als die von Baltic 1 fürchtet Roloff um die Attraktivität der Region. "Von links nach rechts nur noch Windräder." Das sei ein Panorama, mit dem man nicht werben kann. "Wir müssen uns jetzt andere Motive suchen."
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Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat 2020 Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingelegt. Wie Kim Detloff vom Nabu sagt, gehen von den riesigen Anlagen für Zug- und Rastvögel massive Gefährdungen aus. Der Schutz der Vögel, insbesondere der Kraniche auf ihrem Weg zweimal jährlich zwischen Skandinavien und dem südlichen Europa, war schon bei den Klagen gegen Baltic 1 einer der zentralen Punkte.
Unbegründete Sorgen
Wie Betreiber EnBW hat der Bundesverband Windenergie eine andere Sicht auf die Offshore-Entwicklung in der Ostsee. "Merkel sprach damals davon, dass ein neues Kapitel der Energiegewinnung in Deutschland aufgeschlagen wird. Dem war tatsächlich so", sagt Verbandsgeschäftsführer Wolfram Axthelm. Damals sei das Ziel, bis 2030 in Nord- und Ostsee 25 Gigawatt (GW) an Offshore-Leistung zu erreichen, definiert worden. "Heute traut sich die Politik 40 GW bis 2040 zu." Offshore sei in der Ostsee hoch ertragreich und dank der stabileren Verhältnisse sehr gut prognostizierbar. Die Sorgen um Tourismus und Artenschutz seien unbegründet gewesen.
Axthelm führt an, dass in den Parks die Artenvielfalt sogar zunehme, weil diese wie künstliche Riffe wirkten und neue Biotope entstünden. Mecklenburg-Vorpommern könne nicht nur als Anlandepunkt für den sauberen Strom an Bedeutung gewinnen. "Das Land kann eigene Cluster für die industrielle Veredlung des sauberen Stroms schaffen." EnBW-Sprecherin Klumpp verweist auf die sprunghafte Entwicklung der Offshore-Windkraft: Die Turbinen von Baltic 1 hätten eine Leistung von 2,3 MW, die Gesamtleistung liege bei knapp 50 MW. "Unser größtes Projekt "Hohe See" und "Albatros", das 2020 in Betrieb genommen wurde, verfügt über Turbinen mit 7 MW und 640 MW Gesamtleistung." Für den Offshore-Windpark He Dreiht, der 2025 mit 900 MW in Betrieb genommen werden soll, würden 13 bis 15 MW pro Anlage kalkuliert.
(kbe)