Neuralink: Affenexperimente zu Implantatsversuchen werden wohl untersucht

Eine Ethikgruppe hat die Experimente an Affen bei Neuralink begutachtet und die US-Börsenaufsicht SEC aufgefordert, eine Untersuchung einzuleiten.

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(Bild: Shutterstock)

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Am 10. September schrieb Neuralink-Chef Elon Musk auf X, vormals Twitter, dass bei seinem Neurotechnologie-Unternehmen keine Affen aufgrund der Hirnimplantierungen der entwickelten Hirn-Computer-Schnittstelle zu Tode gekommen sein sollen. Es würden nur Tiere für Experimente mit der Gehirn-Computer-Schnittstelle N1 sowie den Operationsroboter R1 verwendet, die kurz vor dem Tod gestanden hätten. Wie das US-Magazin Wired anhand von Dokumenten sowie den Aussagen eines Neuralink-Mitarbeiters sowie eines Forschers am Primatenzentrum der University of California (UC), an der die Versuche durchgeführt wurden, herausgefunden hat, seien jedoch auch Affen wegen Komplikationen beim Implantationsverfahren verstorben. Die medizinische Ethikgruppe Physicans Committee for Resposible Medicine hat am Mittwoch nun die US-Börsenaufsicht SEC gebeten, den Fall näher zu untersuchen.

Die Ethikgruppe, die sich für die Abschaffung von Tierversuchen einsetzt, geht anhand der Dokumente, zu denen auch tierärztliche Dokumentationen gehören, davon aus, dass Musk wissentlich irreführende Angaben zu den Todesfällen der Primaten gemacht hat, berichtet Wired. Hintergrund seiner Aussagen sei gewesen, Investoren bei der Stange zu halten, behauptet die Ethikgruppe. Neuralink hatte etwa 280 Millionen US-Dollar von Investoren eingesammelt.

Um die Dokumente überhaupt zu erhalten, musste die Ethikgruppe weit gehen und legte Klage vor Gericht auf Herausgabe gegen die UC Davis ein, an der sich das Primatenzentrum befindet, das die Affenexperimente durchführte. Die Dokumente sind mittlerweile öffentlich auf der Website des Primatenzentrums einsehbar und dienen als Grundlage für die Anschuldigungen gegen Neuralink.

Demnach sollen zwischen 2017 und 2020 Implantierungsversuche von Elektroden an Primaten durchgeführt worden sein, bei denen Komplikationen aufgetreten sind. Als Folge traten bei den Affen blutiger Durchfall, partielle Lähmungen und Hirnödeme auf. Mehrere Affen seien davon betroffen gewesen.

Unter anderem bei "Tier 20", das im Dezember 2019 einem Eingriff unterzogen wurde, kam es zu einem Defekt des Implantats, in dessen Folge eine Notoperation erfolgte, die jedoch eine Infektion hervorrief, die sich nicht beseitigen ließ. Das Tier musste daraufhin eingeschläfert werden.

Auch "Tier 15" litt 2019 an den Folgen eines Implantierungsversuchs. Der Primat verlor seine Koordination. Der Zustand des Affen verschlechterte sich im Laufe der Monate, sodass er eingeschläfert werden musste. Ursächlich waren Gehirnblutungen, die das Neuralink-Implantat ausgelöst hatte.

Besonders stützt sich die Ethikgruppe auf den Bericht zu "Tier 22", das im März 2020 eingeschläfert werden musste. Bei dem Affen lösten sich zwei Schrauben, die das Implantat am Schädel fixierten. Das Implantat konnte so einfach herausgehoben werden, was auf ein Versagen zurückzuführen ist und der Aussage Musks widerspreche, dass die Neuralink-Implantate nicht zum Tod eines Affen geführt hätten.

Auch die Aussage Musks dazu, dass lediglich Primaten verwendet wurden, die am Ende ihres Lebens standen, werden durch die Aussagen eines ehemaligen Neuralink-Mitarbeiters und eines Wissenschaftlers des Primatenforschungszentrums angezweifelt. Der ehemalige Mitarbeiter gab gegenüber Wired an, dass die Affen etwa ein Jahr lang vor einer Operation ein Verhaltenstraining durchführen mussten. Tiere, die kurz vor dem Tod stünden, hätten dies gar nicht durchhalten können. Der Doktorand des Primatenforschungszentrums behauptet, dass es sich um "ziemlich junge Affen" gehandelt haben soll. Er bezweifelte, dass sie "aus irgendeinem Grund unheilbar krank waren".

Weder Neuralink noch die University of California wollten sich dazu äußern. Die SEC überprüft nun, ob Untersuchungen eingeleitet werden. Gegen Neuralink laufen bereits zwei weitere staatliche Untersuchungen: eine wegen der Art der Behandlung einiger Tierversuchspersonen durch Neuralink, die vom US-Landwirtschaftsministerium eingeleitet wurde, sowie eine weitere des US-Verkehrsministeriums wegen vermeintlich unsicheren Transportes antibiotikaresistenter Krankheitserreger, die sich auf entnommenen Implantaten befunden haben sollen.

Beide Untersuchungen wurden angestoßen, nachdem die US-Gesundheitsbehörde Federal Drug Administration (FDA) den Antrag Neuralinks auf Versuche am Menschen zunächst Anfang 2022 abgelehnt hatte. Mittlerweile hat die FDA eine Zulassung erteilt. Neuralink sucht derzeit nach menschlichen Probanden mit bestimmten Lähmungen, die sich die Gehirn-Computer-Schnittstelle im Rahmen einer Studie implantieren lassen wollen.

(olb)