Neuregelung der Urheberabgabe erhält viele schlechte Noten

Bei einer Expertenanhörung zur zweiten Stufe der Urheberrechtsreform fanden sich nur wenige Unterstützer für den Plan der Bundesregierung, die staatlichen Festsetzung der Vergütungspauschale aufzugeben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 172 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Einen schweren Stand hatte die Geräteindustrie am Mittwoch bei einer ersten Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses zum Regierungsvorschlag für die zweite Reformstufe des Urheberrechts. Die von den Herstellern und Importeuren im Großen und Ganzen begrüßte Neuregelung der Urheberrechtsabgabe zum Ausgleich privater Kopien stieß bei der Mehrheit der geladenen Experten auf scharfen Widerspruch. Auf der Seite der eng mit der GEMA zusammenarbeitenden Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) argumentierten die Initiative Urheberrecht, die zahlreiche Urheberverbände und Gewerkschaften vertritt, der Deutsche Kulturrat, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft; sie sprachen von einer "Enteignung" der Kreativen oder der Schaffung eines "kulturpolitischen Problems" genauso wie von der weiteren Schlechterstellung von Künstlern und Autoren oder einer rechtspolitisch verfehlten Vorlage. Als "Irrweg" bezeichnete den Vorstoß zur "Selbstregulierung" der Urheberrechtsprofessor Artur-Axel Wandtke von der Berliner Humboldt-Universität.

Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, die in einem Anhang zum Urheberrechtsgesetz staatlich festgelegten pauschalen Vergütungssätze abzuschaffen. Stattdessen sollen die Geräteindustrie und die Vertreter der Urheber den Umfang und die Höhe der Urheberabgabe unter sich aushandeln und die vorprogrammierten Streitigkeiten zunächst mit Hilfe einer Schiedsstelle austragen. Erfasst werden sollen nur noch Geräte, die in "nennenswertem Umfang" für private Vervielfältigungen genutzt werden. Zudem ist eine Kappung der Vergütungshöhe bei fünf Prozent des Gerätepreises vorgesehen. Verwertungsgesellschaften, Urhebervereinigungen und Verleger laufen seit langem Sturm gegen dieses Vorhaben, während Wirtschaftsverbände von trotzdem weiter steigenden Vergütungen auf insgesamt rund 600 Millionen Euro pro Jahr ausgehen und der Regierung den Rücken stärken.

Das Vergütungssystem müsse flexibel an die fortschreitende technische und wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden, begründete Till Barleben vom Verband der Elektronikindustrie ZVEI die Forderung nach einem Aus für die starren Vorgaben zur Kopiervergütung. Kathrin Bremer vom Branchenverband Bitkom betonte, dass die Fünf-Prozent-Grenze "für uns ein ganz wichtiges Kriterium ist". Sonst würden Urhebervertreter auf "Mondtarife" drängen. Generell werde beim Verkauf kopierfähiger Geräte bei den Firmen von "Margen im unteren einstelligen Prozentbereich gesprochen". Da würde die Vergütungspauschale "eklatante Probleme" bereiten. Bremer plädierte zudem mit dem Argument, dass man Inhalte im Internet und digitalen Medien komplett mit Hilfe von Kopierschutztechniken und Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) verschlüsseln könne, für eine baldige Abkehr von der Pauschalabgabe.

Hier wollte Reto Hilty, Direktor des Max-Planck-Institutes für Geistiges Eigentum, trotz seiner prinzipiellen Befürwortung einer Neuregelung nicht mitgehen. Wenn Online-Inhalten prinzipiell digitale Fesseln angelegt würden und man nur noch mit der Kreditkarte an sie herankäme, sei das Internet in seinem Wesen bedroht, gab er zu bedenken. "Alles, was im Internet drin ist, kann kopiert werden", sekundierte Jürgen Becker von der ZPÜ. Selbst, wenn manche glauben würden, sie hätten etwas verschlüsselt, wäre es "sehr schnell geknackt und frei verfügbar". Dem Konsument sei es zudem "egal", ob die "Quelle" eines Downloads legal oder nicht sei. Allein über unzählige Webradio-Anbieter und Podcaster sei "das Weltrepertoire der Musik" aus dem Internet zu kopieren. Viele davon würden unter 100 Euro Vergütung im Jahr zahlen. Generell erschrecke ihn auch eine Zahl von 600 Millionen an künftigen Einnahmen durch die Abgabe im Interesse der Urheber nicht. Angesichts der Umsätze der Industrie und dem Ausmaß des täglichen Kopierens geschützten Materials handle es sich dabei "um die berühmten Peanuts".

Christian Sprang vom Börsenverein plädierte dafür, "den Urhebern zumindest 30 Prozent Inflationsausgleich zuzugestehen" und die Vergütungssätze zu erhöhen. Die geplante Koppelung der Pauschale an den Gerätepreis stieß bei Urheberrechtsvertretern auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Begrenzungen des ausschließlichen Verwertungsrechts der Schöpfer geistigen Eigentums seien laut Grundgesetz nur dann gerechtfertigt, wenn überragende Gründe des Allgemeinwohls dafür sprächen, führte Benno Pöppelmann von der Initiative Urheberrecht aus. Diese sehe er in der Begründung der Regierung nicht, wonach die Käufer ein Interesse an möglichst preisgünstigen Geräten hätten und die Industrie vor vermeintlichen Wettbewerbsverzerrungen zu schützen sei.

Protest gegen den Schwerpunkt der Anhörung übte das Fairsharing-Netzwerk. "Die eigentlich spannende Debatte wird nicht geführt", beklagte Malte Spitz von der Grünen Jugend im Namen der Vereinigung. Die wesentliche Zukunftsfrage sei, "wie die Kreativen gerecht vergütet werden können, ohne Millionen von Tauschbörsennutzer zu kriminalisieren". Das Netzwerk vertritt gemeinsam mit anderen Initiativen das Konzept einer Kulturflatrate, bei der Rechteinhaber für Downloads über eine erweiterte Urheberabgabe vergütet werden sollen. Gemeinsam mit Campact.de und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen haben die Aktivisten vor kurzem die Aktion "Wir haben privat kopiert" gestartet, in deren Rahmen sich Surfer symbolisch in ein Online-Gefängnis einliefern können. Unter anderem dabei gesammelte zehntausend Unterschriften für das Ende der Kriminalisierung des Filesharing geschützter Werke hat die Fairsharing-Kampagne im Rahmen der Expertenbefragung an Fraktionsexperten übergeben.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)