Neuregelung zu Elektronikschrott startet in der Praxis

Elektronikschrottsammlung und -verwertung sind in Deutschland keineswegs Fremdwörter. Ab dem heutigen 24. März aber dürfen Elektroaltgeräte nicht mehr in den Hausmüll geworfen werden, und alle Kommunen müssen Elektroaltgeräte kostenlos annehmen.

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Von
  • Angela Meyer

Elektronikschrottsammlung und -verwertung sind in Deutschland – anders als in etlichen anderen EU-Mitgliedsstaaten – keineswegs Fremdwörter. Trotzdem haben Hersteller, Kommunen, Behörden und Entsorgungsunternehmen den heutigen 24. März mit Spannung erwartet, denn ihr Zusammenspiel ändert sich grundlegend: Ab diesem Tag dürfen Elektroaltgeräte nicht mehr in den Hausmüll geworfen werden, und alle Kommunen müssen Elektroaltgeräte kostenlos annehmen. Etliche Kommunen müssen dafür ihre Sammelstellen umorganisieren, denn der Elektroschrott wird zukünftig gleich bei der Annahme in fünf Produktgruppen sortiert. "Für höhere Abfallgebühren, wie hier und da angedroht, gibt es keine Rechtfertigung", mahnte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zum Start an die Adresse der Kommunen, denn gleichzeitig geben sie die Verantwortung für die Sortierung und Verwertung des Elektronikschrotts an die Hersteller ab, die nun statt der Kommunen die Entsorgungsunternehmen beauftragen und bezahlen müssen.

Damit kommt auf die Vollzugsbehörden eine neue Überwachungsaufgabe zu, denn Hersteller und Importeure, die sich nicht bei der Stiftung Elektroaltgeräte Register (EAR) registriert haben und damit dokumentieren, dass sie ihren Teil an der Verantwortung nicht übernehmen werden, dürfen laut dem für all diese Änderungen verantwortlichen Elektrogesetz keine Geräte mehr auf den Markt bringen. Alle neu verkauften Elektrogeräte müssen jetzt das Symbol der durchgestrichenen Abfalltonne tragen und so den Verbraucher auf seine Pflicht zur Getrenntsammlung hinweisen. Alle registrierten Unternehmen übernehmen reihum nach einem mathematisch ausgeklügelten Verfahren entsprechend ihrem Marktanteil und den von ihnen produzierten Produktarten die Entsorgung eines Containers mit Altgeräten. Im Ergebnis sollen all diese von der Europäischen Union initiierten Änderungen dafür sorgen, dass europaweit nur noch recyclinggerechte Produkte verkauft werden.

So weit die Theorie. In der Praxis hat bereits die Online-Registrierung bei den Betroffenen zunächst vor allem eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen. Anders als die großen Hersteller, die jahrelang intensiv an der Gestaltung des Gesetzes und seiner Umsetzung mitgewirkt haben, sehen sich insbesondere viele kleine Hersteller davon schlicht in ihrer Existenz bedroht. Auch in anderer Hinsicht sind die Bewertungen durchaus unterschiedlich: Während die EAR nach Ablauf der Registrierungsfrist relativ zufrieden erklärt hatte, dass ein Großteil der Hersteller sich gemeldet hätte, beklagte jetzt der Herstellerverband ZVEI in einer Presseerklärung, dass bisher lediglich etwa die Hälfte tatsächlich registriert sei. Es könne aber nicht sein, "dass ab dem 24. März redliche Hersteller die Entsorgungsverpflichtungen von finanziellen Trittbrettfahrern mit übernehmen müssen". Die für die Kontrolle der Einhaltung des Elektrogesetzes zuständigen Vollzugsbehörden dürften sich schon aus Wettbewerbsgründen nicht mehr so kulant wie bisher verhalten und müssten eine Beteiligung aller Hersteller an der Entsorgung schnellstmöglich sicherstellen.

Bis dahin werden sich nur die bisher registrierten Hersteller am Praxistest einer bisher einzigartigen Regelung beteiligen: Die von etwa 30 Herstellern gegründete und mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Stiftung EAR kümmert sich unter der Aufsicht des Umweltbundesamtes um die Registrierung der Marktteilnehmer, die Zuweisung der Abholkontingente und die Einhaltung der für beides geltenden Regeln. Für die Festsetzung der noch nicht im Gesetz festgelegten Detailregeln soll es unter dem Dach der EAR von allen verpflichteten Herstellern und Importeuren getragene Gremien geben. Ähnlich wie bei der Standardisierung sollen diese die Einordnung neuartiger Geräte klären oder Vorschläge für vereinfachte Verfahren bei Kleinmengen erarbeiten. Solange allerdings die Registrierung der Hersteller in nennenswertem Umfang noch offen ist, verzögert sich auch die ursprünglich für Ende 2005 geplante Besetzung dieser Gremien.

Wenn der Registrierungsschub aus der Startphase abgearbeitet ist, wird die zentrale Aufgabe der EAR die Zuweisung der Container sein. Dazu wird sie von den 1500 Sammelstellen in den Kommunen über ein Webportal oder einen PDA benachrichtigt, sowie ein gefüllter Container gegen einen leeren ausgetauscht werden muss. Der EAR-Rechner ermittelt dann jeweils den zur Abholung verpflichteten Hersteller. In einem Probelauf mit mehr als 450 kommunalen Übergabestellen hat die EAR diese Möglichkeiten, die Abholung der Behälter anzufordern, anzumahnen oder zu stornieren, vorab getestet. Zwischen dem Eingang der Anforderung durch die Kommune im EAR-System und dem Versand der Mitteilung per E-Mail an die Verpflichteten, deren Entsorger sowie die meldende Kommune lagen im Probelauf nur wenige Sekunden. Laut EAR-Vorstand Hartmut Theusner hat der Test erwiesen, dass EAR technisch in der Lage ist, die Abholung der insgesamt 7000 Container von den rund 1.500 kommunalen Übergabestellen zu steuern.

Ob damit auch der Gesamtablauf klappt, ist allerdings keineswegs erwiesen, denn "alle anderen Aufgaben – von der Bereitstellung der Container über die Abholung bis zur Sortierung und Verwertung – werden dezentral marktwirtschaftlich im Wettbewerb organisiert", wie der ZVEI in einer Pressemitteilung betont. Konkret heißt das, dass jeder Hersteller sich ein Entsorgungsunternehmen suchen muss, das ihm gegenüber garantiert, dass es bundesweit binnen der vorgeschriebenen Zeit für einen Containeraustausch sorgen kann. Dies hat in den vergangenen Monaten für Bewegung in der Entsorgungsbranche gesorgt, da nur die wenigsten Unternehmen ohne Zusammenschlüsse oder die Verpflichtung von Sub- und Subsubunternehmern in der Lage waren, diese Bedingung zu erfüllen. Die dadurch häufiger notwendige Weitergabe der beim Vertragspartner der Hersteller aufgelaufenen automatischen Meldung zu dem tatsächlichen Abholer wird daher vermutlich nicht immer ganz so automatisch laufen. Auch ist keineswegs gesichert, dass die Aufträge der unterschiedlichen Hersteller sich immer entsprechend der jeweiligen Kapazitäten auf die Abholer verteilen.

ZVEI-Hauptgeschäftsführer Gotthard Graß zeigt sich bisher von dem von ZVEI und Bitkom maßgeblich gestalteten System sehr überzeugt: "Hier ist ein – über die Elektro-Altgeräte-Entsorgung hinaus – zukunftsweisendes und für Hersteller und Verbraucher kosteneffizientes System entstanden, das neue Wege für die Entsorgung und Verwertung in Deutschland und Europa aufzeigt." In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob sich diese Einschätzung bestätigt.

Zu den Entwicklungen rund um die Elektronikschrott-Gesetzgebung siehe auch: (anm)