Niederösterreichische Mobilfunksteuer wird zurückgezogen

Wenige Stunden nachdem ÖVP und SPÖ die Sendeanlagenabgabe im niederösterreichischen Landtag gegen die heftige Kritik der Oppositionsfraktionen Grüne und FPÖ verteidigt haben, zieht Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) das Steuergesetz zurück.

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Wenige Stunden nachdem ÖVP und SPÖ die Sendeanlagenabgabe im niederösterreichischen Landtag gegen die heftige Kritik der Oppositionsfraktionen Grüne und FPÖ verteidigt haben, zieht Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) das Steuergesetz zurück. Der Landtag, in dem die ÖVP über eine absolute Mehrheit verfügt, wird am 15. Dezember die Aufhebung des Gesetzes beschließen. Ein am heutigen Freitag unterzeichneter Mobilfunkpakt zwischen dem Land und den fünf Mobilfunk-Netzbetreibern ermöglicht Pröll den gesichtswahrenden Ausstieg aus der im Juni überraschend beschlossenen Steuer. Sie hätte ab dem Jahreswechsel hohe Abgaben auf Mobilfunk-Sendeanlagen vorgesehen und wurde von Netzbetreibern, Opposition, Vizekanzler Hubert Gorbach (BZÖ), der Regulierungsbehörde und nicht zuletzt EU-Kommission als rechtswidrig erachtet und bekämpft.

Auf dem kalten Fuß erwischt wurde die SPÖ Niederösterreich. Sie hatte die Steuer gemeinsam mit der ÖVP beschlossen und noch am gestrigen Donnerstag im Landtag als "mutigen Schritt" und "richtig und wichtig" verteidigt. Die Sozialdemokraten bezeichneten sogar die gemeinsame Vorgehensweise von Grünen und Freiheitlichen gegen die Abgabe als "unheilige Allianz". Auch im Burgenland, wo die SPÖ über eine absolute Mehrheit verfügt, forderten hochrangige Parteivertreter eine Mobilfunksteuer. An den Verhandlungen zwischen Land Niederösterreich und den Mobilfunkern war die SPÖ nicht beteiligt. Im Gegensatz zum Landeshauptmann kann sie nicht einmal den kleinen Erfolg eines Mobilfunkpakts auf ihre Fahnen heften. Die Partei will der Aufhebung des Gesetzes zwar zustimmen, doch versucht sie sich nun mit der Forderung nach einer "Österreich-Lösung" zu positionieren. In einer aktuellen Aussendung heißt es: "Wir brauchen aber klare Bestimmungen, um in Zukunft gegen den Handymastendschungel in Ortszentren vorgehen zu können. Das Wort eines Landeshauptmanns kann kein Gesetz ersetzen. Jetzt kann sich Vizekanzler Hubert Gorbach wichtig machen."

Die inhaltliche Substanz des Mobilfunkpakts, der von den Grünen ins Internet gestellt wurde, ist allerdings gering. "Hinsichtlich der frei stehenden Antennentragemasten in der Verfügungsgewalt der Mobilfunkbetreiber wird bei allen neuen Maststandorten mittelfristig ein Mehrfachnutzungsanteil [durch mehrere Netzbetreiber, Anm. d. Red.] von 80 % vereinbart", lautet der Kernsatz. Er betrifft nur einen Minderheitsanteil der Standorte, da sich die meisten Sender auf Gebäuden oder auf Fremdmasten (Strommasten, ÖBB, Rundfunk, etc.) befinden. Und er tut der Branche nicht weh: "Seit es nicht mehr verboten ist, teilen wir sowieso Masten, soweit es geht. Wir sind ja nicht Feind unseres eigenen Geldes", kommentiert ein Insider. Die Netzbetreiber werden ihr juristisches Vorgehen gegen das Landesgesetz einstellen; die von Pröll geforderte Reduktion der Mobilfunksender um zwei Drittel wird es nicht geben.

Das Land wird sich in Zukunft dafür einsetzen, dass Sendeanlagen bevorzugt auf öffentlichen Immobilien errichtet werden. Die Ziele des Paktes sollen "unter Beachtung folgender Rahmenbedingungen" geschehen: Besserer Versorgungsgrad, technische Machbarkeit, Einhaltung von Normen und gesetzlichen Bestimmungen, Wirtschaftlichkeit und kostengünstigste Angebote, Genehmigungsfähigkeit. Gerade fehlende Genehmigungen von Gemeinden haben bisher oft die gemeinsame Nutzung eines Standortes durch mehrere Betreiber verhindert. Vielfach verlangten sie aus optischen Gründen (Ortsbildschutz) die Aufteilung auf mehrere Standorte. Daher wird im Mobilfunkpakt auch ein formales Mitwirkungsverfahren der Gemeinden bei der Netzplanung vereinbart. Sie sollen hinkünftig bei der Standortsuche mithelfen. Schließlich soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Land und Netzbetreibern einen jährlichen Bericht über "die Ergebnisse, die Erfahrungen, den Fortgang und die künftigen Maßnahmen im Rahmen des Mobilfunkpaktes" erstellen. Andere österreichische Bundesländer dürften nun ähnliche Vereinbarungen einfordern. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)