Nikon-Rückruf und 110 Millionen EOS – die Fotonews der Woche 26/2023

Die Z8 hat ein Problem, Canon setzt Rekorde, und einen echten Profiklotz gibt es auch. Endlich ist bekannt, warum es wenige Objektive von Drittherstellern gibt.

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Die Mittelformatkamera XC der Firma Phase One. Sie hat einen seitlichen Griff aus Holz.

Ein Nobelhobel hat den Griff am Profiklotz wohl bearbeitet - ja, der Griff wird mitgeliefert.

(Bild: Phase One)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Unfertig auf den Markt geworfen – schnell steht der Vorwurf im Raum, wenn ein Unternehmen kurz nach Verkaufsstart eines Produkts einen Rückruf vornehmen muss. Nikon sah sich nun schon zum zweiten Mal in einem halben Jahr dazu gezwungen. Und am Beispiel dieser Firma wurden in dieser Woche gleich zwei Dauerthemen der Fotobranche besonders virulent.

Zunächst ist da der Rückruf der Nikon Z8, die vielfach auch "Baby Z 9" genannt wird, weil sie dem Topmodell in so vielen Punkten gleicht. Nun ähnelt sich auch das Fehlerbild, aber es gleicht sich eben nicht: Bei der Z 9 gingen die Objektive manchmal nicht mehr ab, bei der Z 8 halten sie bisweilen nicht richtig. Nur im Falle der Z 9 wurde nach dem Rückruf bekannt, woran das liegt: Nikon zufolge stammt ein Teil des Mechanismus von einem Dritthersteller und wurde nicht entsprechend den Spezifikationen produziert.

Was da bei der Z 8 klemmt, oder vielmehr – nicht richtig klemmt, bleibt vorerst unbekannt. Das Prozedere der Reparatur ist dann wiederum gleich: Seriennummer auf der Support-Webseite von Nikon eingeben und beten. Wenn das nicht hilft, also die Kamera betroffen ist, übernimmt Nikon die Reparatur inklusive der Versandkosten. In dieser eigentlich simplen Nachricht stecken aber zwischen Zeilen zwei Botschaften.

Zum einen hat Nikon offenbar bei zwei aufeinander folgenden Produktvorstellungen von High-End-Kameras bei der Qualitätskontrolle geschlampt. Das ist peinlich. Zum Anderen ist die Überwachung der Fertigung wohl so gut, dass sich die betroffenen Geräte schnell identifizieren lassen. In den Kommentaren von einigen Webseiten wird fröhlich spekuliert, wie viele Kameras betroffen sein könnten, und ob die Seriennummern nun fortlaufend sind oder nicht. Natürlich verrät Nikon insbesondere Letzteres nicht, denn mehr oder weniger zufällige Seriennummern sind eine der einfachsten Möglichkeiten, sich unter anderem vor Grauimporten zu schützen.

Und wer sich unbedingt darüber aufregen möchte, dass Nikon etwa die Z8 und Z9 verfrüht verkauft hätte – bitte schön. Gerade bei diesem Modell gab es aber keine Not, die Vorstellung vorzuziehen, denn die Urlaubssaison in der westlichen Welt hat sie ohnehin knapp verpasst. Zudem ist das mit rund 4.600 Euro für den Body eher eine Kamera für mindestens semiprofessionellen Anspruch, also nichts, was man sich "mal eben" für eine Reise kauft. Und, am relevantesten: Die Gerüchte um die Kamera sind schon seit dem Herbst 2022 so konkret geworden, dass bis dahin Vorserienmodelle existiert haben müssen.

Das ist im Nachhinein leicht zu beurteilen, denn viele Eckdaten stimmten mit dem Serienprodukt überein. Mit solchen Exemplaren aus einer frühen Produktion wird dann üblicherweise alles ausprobiert, was Fotografen auch in der Praxis machen. Warum dabei ausgerechnet der alltägliche Vorgang eines Objektivwechsels unproblematisch war und die Z8 so, wie sie nun ist, auf den Markt kam, bleibt unerklärlich. Mindestens seit 2020 hat Nikon an der Kamera gearbeitet – nach gleicher Methode wie bei den Vorserienmodellen beurteilt.

Dass die Entwicklung von modernem Fotoequipment in der spiegellosen Welt sehr komplex geworden ist, hat in dieser Woche auch Tamron gezeigt – und zwar auch am Beispiel von Nikon. Für deren Z-Bajonett gibt es bislang kaum Objektive von Drittherstellern. Das ist das zweite Dauerthema der Fotobranche, das nun durch Nikon sichtbar wurde. Da wurde bisher schon über die "Nikon-Steuer" gespottet, also einen Aufpreis, der für dieselbe Optik nur mit Nikon-Bajonett, erhoben worden sein sollte.

Hohe Lizenzgebühren wurden als Grund dafür angenommen, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, sagt jetzt Tamron. Mechanisch, wie elektronisch, so das Unternehmen, sei das inzwischen so herausfordernd, dass ein bestehendes Objektiv quasi von vorn für ein anderes System entwickelt werden müsste. Einiges an Würze bekommen diese Aussagen, wenn man sich wiederum den zeitlichen Ablauf ihrer Entstehung ansieht: Das Interview mit einem Tamron-Manager wurde schon im Februar geführt und erschien erst im Juni bei Petapixel. Eine Woche zuvor hatte Nikon ein Objektiv, das von Tamron entwickelt wurde, für sein Z-Bajonett unter eigener Marke vorgestellt. Honi sois.

Bei Canon ist die offensichtliche Regel für Fremdobjektive bisher ungebrochen: Autofokus darf nicht sein. Der ewige Marktführer kann sich das noch leisten, denn inzwischen wurden 160 Millionen Objektive mit RF- oder EF-Mount verkauft – und 110 Millionen EOS-Kameras. Gut, das bezieht sich auf den Zeitraum seit Einführung der Marken, reicht also bis 1987 zurück.

Da kam die EOS 650 auf den Markt. Canon begann die vollständige Elektrifizierung von Spiegelreflexkameras, was sich auch in den Namen ausdrückt: EOS steht für "Electro-Optical System" und EF für "Electrically Focussed". Mit dieser Kombination war der Autofokus damals allem anderen überlegen, der Preis für die Lithium-Batterien vom Typ 2CR5 aber auch. Im Gegensatz zu heutigen Lithium-Ionen-Akkus konnte man die aber auch zehn Jahre liegen lassen, die Kamera einschalten, und sofort ein Foto machen. Selbstendladung oder Pflege von Stromspeichern war damals in der Fotowelt kein Thema.

Trotz Hightech hatten solche Kameras kein bisschen von der Klobigkeit, die heutiges Equipment für Berufsfotografen ausmacht. Und wenn der Begriff Profiklotz schon für die Liga einer Nikon Z 9 oder Canon R3 gilt, dann erst recht für alles, was mit Sensoren im Mittelformat arbeitet. Da drängt sich das Quaderformat für das Gehäuse förmlich auf, und der dänische Hersteller Phase One hat das nun mit seiner nur "XC" genannten Kamera ziemlich streng umgesetzt. Ohne Objektiv ist die fast würfelförmig, beziehungsweise: Sie wäre es, denn die 23-Millimeter-Optik ist fest verbaut und mit minimal f/5.6 nicht besonders lichtstark. Viel gleicht der Sensor wieder aus, denn mit dem Objektiv bietet er ganze 15 Blendenstufen Dynamikumfang.

Das muss auch so sein, denn solche Kameras sind wie hier mit 150-Megapixel-Auflösung ein Werkzeug für die Fotografie von Landschaft, Architektur und anderem bei Tageslicht – von einem Stativ aus und mit viel Planung. Da auch Profis mit über 60.000 Euro im Budget – denn das kostet die XC – heute für solche Aufträge immer weniger Zeit haben, ist Mobilität wichtiger geworden. Phase One bewirbt die XC daher tatsächlich als "Reisekamera", und in der Tat ist sie mit 1,8 Kilogramm inklusive des fest verbauten Objektivs vergleichsweise leicht.

Ein bisschen KI darf auch in dieser Ausgabe der Fotonews nicht fehlen. Es geht aber weder um die Wegrationalisierung von Fotografen noch um KI-Fakes. Vielmehr ist nach Adobes schon verfügbarem Generative Fill nun durch ein Forschungsprojekt absehbar, wie sehr sich nicht nur die Erstellung, sondern auch die Bearbeitung von Bildern ändern wird. Das Max-Planck-Institut, das MIT und andere haben das mit einem vorab verfügbaren Beitrag zur Konferenz SIGGraph sehr eindrucksvoll demonstriert.

Das System heißt "DragGAN", und ziehen, also draggen, kann man an beliebigen Bildinhalten, um etwa einen Gesichtsausdruck oder die Länge eines Kleidungsstücks zu verändern. Wer schon einmal mit dem uralten Power Goo von Kai Software oder dem aktuelleren Portrait Pro gearbeitet hat, wird das, was in den Videos zu sehen ist, vielleicht etwas unterwältigend finden. Der Unterschied ist die Qualität, in der das von DragGAN berechnet wird und die Tatsache, dass eine vorherige Auswahl von Bildbestandteilen, Masken oder Ebenen vollständig entfällt. Auch umfassende Bildretusche könnten damit für wirklich jeden erzielbar sein.

Dahinter stecken konkurrierende Nachbildungen von neuronalen Netzwerken, was auch im Namen steckt: GAN steht für "generative adversarial networks", was so ziemlich der letzte Schrei in der KI-Entwicklung ist. Im Falle von DragGAN klappt das – wie immer – nur mit Daten, auf welche die KI trainiert wurde, in diesem Fall Menschen, Tiere, Landschaften und Fahrzeuge. Dass das mehr als die übliche Arbeit mit Photoshop und Co. ist, zeigen dabei vor allem die Veränderung von Posen – das ändert die Bildaussage völlig. Der Artikel dazu sowie die Videos darin und das wissenschaftliche Paper sind also auch unsere Empfehlung für den Long Read zum Wochenende.

(nie)