Wie der Nord-Stream-Anschlag die Ostsee veränderte

Eine neue Studie beleuchtet die Auswirkungen der Sabotage an den Nord-Stream-Gaspipelines. Große Mengen Methan gelangten dabei in die Atmosphäre.

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Aufsteigendes Methan im Meer führt zu einer runden, blubbernd aussehenden Schaumbildung

(Bild: Dänisches Militär)

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Rund um die Anschläge auf die Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee gibt es auch nach eineinhalb Jahren viele offene Punkte. Neben der weiterhin unbeantworteten Frage nach den Tätern stellt sich auch die nach den Auswirkungen des massiven Gasaustritts infolge der Sprengungen im Meer. Eine neu veröffentlichte Studie der Universität Göteborg versucht, hier Licht ins Dunkel zu bringen.

Ende September 2022 wurden nahe der dänischen Insel Bornholm drei von vier Strängen der Pipelines zwischen Russland und Norddeutschland durch Detonationen zerstört. Die Forscher stützen ihre Ergebnisse auf verschiedene Messungen und Satellitendaten, die sie auswerteten. Sie unterscheiden dabei auch zwischen Methan, das ohnehin im Wasser vorkommt, und dem fossilen Methan, das aus den Rohren der Pipeline entwich. Eine Unterscheidung ist anhand der Konzentration des Gases möglich. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es insgesamt drei Phasen der Freisetzung gab, in denen insgesamt 300.000 Tonnen Methan in die Umwelt gelangten.

In der ersten Phase nach den Explosionen gelangte das meiste Methan in die Atmosphäre. Neben dem bemerkten Druckabfall im Kontrollzentrum von Nord Stream blieben der Öffentlichkeit vor allem die als Whirlpool bezeichnete großflächige Blasenbildung im Meer in Erinnerung. Hierbei seien zwischen 40.000 und 220.000 Tonnen Methan in die Atmosphäre gelangt, schlussfolgern die Forscher.

Als in der zweiten Woche nach den Explosionen der Zufluss aus den Gasleitungen nachließ, war die Wasseroberfläche immer noch übersättigt mit dem Gas und setzte weiteres Methan in die Atmosphäre frei. Die gemessenen Werte seien dabei im Bereich der Lecks immer noch um das Hundertfache höher als normal gewesen. In der dritten Phase gehen die Forscher von einer Vermischung des Wassers bis in eine Tiefe von 50 Metern aus.

Insgesamt wird die im Meerwasser gelöste Menge an Methan auf 10.000 bis 55.000 Tonnen geschätzt. Aufgrund der nur begrenzten Zahl von Messungen lägen die Zahlen so weit auseinander. Das Methan, das als sehr klimaschädlich gilt, baue sich im Meer durch Verdünnung, den Weitertransport durch Strömungen und Methanoxidation durch Bakterien langsam ab. Chinesische Forscher schrieben in einer anderen Studie, dass die Gesamtmenge gerade mal 1,3 Tage des Jahresausstoßes der Öl- und Gasindustrie entspreche – folglich trotz des internationalen Aufsehens keine außergewöhnlich hohe Freisetzung sei.

Die schwedischen Forscher sehen durch die Besonderheit des Austritts im Meer allerdings schon eine Reihe von möglichen Auswirkungen auf die Meeresbiologie. Die überdurchschnittlich hohe Menge des Gases könne weitere Bakterien nach sich ziehen und die Oxidation führe dazu, dass der Sauerstoffgehalt in der Ostsee sinken könnte. Dies wäre zum Nachteil einiger Meeresbewohner und beeinflusse auch die Nahrungskette. Auch längerfristige Effekte können nicht ausgeschlossen werden. In jedem Fall seien die Auswirkungen signifikant und komplex und erforderten weitere Untersuchungen.

(mki)