Der Normenkontrollrat lobt die Bundesregierung ein ganz kleines bisschen

Bei der Vorstellung seines Jahresberichts fordert der Normenkontrollrat eine Debatte über die Struktur der Bundesgesetzgebung

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Eine Person sitzt am Laptop und hat ein Smartphone in der Hand. Darüber ist ein Ordner-Symbol.

(Bild: Thapana_Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Normenkontrollrat (NKR) übt in seinem Jahresbericht deutliche Kritik an der Digitalisierung der Verwaltung und der Berücksichtigung digitaler Auswirkungen bei der Bundesgesetzgebung – und fordert eine Debatte über die Struktur.

"Deutschland ist ein kompliziertes Land, das sich eingemauert hat in einer Vielzahl an Regeln und Verfahren." Die seien gut gemeint, würden aber Innovationskraft und die Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Verwaltung ausbremsen, sagt Lutz Goebel, Unternehmer und Vorsitzender des Normenkontrollrates: "Daraus erwächst ein Gefühl der Frustration." Die Bundesregierung habe jetzt erste Schritte zu weniger Bürokratie unternommen, resümiert Goebel: "Das alles zeigt in die richtige Richtung, aber das Lob bleibt verhalten." Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nimmt davon allerdings nur die erste Hälfte dieser Einordnung zur Kenntnis: "Wir sind auf dem richtigen Weg! Dafür hat diese Bundesregierung viel getan", lässt er im Laufe des Vormittags erklären.

Das Gremium, das überparteilich besetzt ist, soll bei allen Gesetzgebungsvorhaben eine Stellungnahme abgeben und unter anderem die Auswirkungen auf Bürokratie und Digitaltauglichkeit prüfen. Es fertigt eigene Vorschläge an und soll übergreifende Ideen entwickeln.

Die stellvertretende NKR-Vorsitzende und Potsdamer Verwaltungswissenschaftlerin Sabine Kuhlmann nennt als Beispiel für bessere Gesetzgebung den "Praxischeck": Um herauszufinden, warum Solaranlagen auf Supermärkten selten waren, habe das Bundeswirtschaftsministerium Vertreter der Unternehmen befragt. Dabei habe sich herausgestellt, dass das Haupthindernis nicht im Energie-, Bau- oder Genehmigungsrecht gelegen habe, sondern im Steuerrecht. Es brauche mehr solcher Praxischecks für Gesetze, und das in verbindlicher Form.

Der bereits festgeschriebene Digitalcheck, mit dem Gesetze auf Digitaltauglichkeit geprüft werden, würde nach wie vor zu oft erst spät im Gesetzgebungsverfahren angewandt, kritisiert der NKR. Dann aber seien wesentliche Entscheidungen oftmals bereits getroffen.

Die Verwaltungsdigitalisierung sei insgesamt weiter ein Problemfeld. "Ein Befreiungsschlag durch die Klärung der zugrunde liegenden Zuständigkeitsfragen steht noch immer aus", betont das Gremium in seinem Bericht. "Die Arbeitsteilung im föderalen Bundesstaat muss kritisch hinterfragt werden", erläutert der Leiter des NKR-Sekretariats Hannes Kühn. "So wie es jetzt organisiert ist, kommen wir nicht zu Skalierung, zu einem effizienten Ressourceneinsatz."

Dabei wäre die Verwaltungsdigitalisierung dringlich. Bereits heute fehlten 500.000 Verwaltungsmitarbeiter, Tendenz stark steigend, rechnet der NKR vor. "Wer weder Personal noch digitale Verwaltung hat, hat demnächst ein Problem", fasst Kühn die Lage zusammen. Es gebe kein nachhaltiges Konzept für die Verwaltungsdigitalisierung und die zusammenhängende Registermodernisierung. Die Zeitpläne seien "schon jetzt Makulatur" und die Rechtsgrundlagen wackelig.

Konkret fordert das Gremium, dass die Diskussion zum "Zielbild für die digitale Verwaltung" nicht mehr nur in der "Nische des IT-Planungsrates" behandelt werden solle. Es brauche einen "Föderalismusdialog" und ein klares Bekenntnis zu Plattformlösungen, mehr Professionalität beim Produktmanagement und mehr gemeinsame Softwareentwicklung und Standards.

Ein weiteres Problem der Verwaltungsdigitalisierung sei die Finanzierung. 2024 wurde hier der Rotstift angesetzt. Aus Kostengründen traf das etwa den PIN-Rücksetzbrief für den elektronischen Personalausweis. Dies sei ein Rückschritt, kritisiert der NKR. Für die kommenden Jahre fehle insgesamt die Planungssicherheit. Der Normenkontrollrat fordert "Klarheit darüber, welche Funktionen jeweils zu einem Basisdienst" gehören. Deren Finanzierung und Umsetzung müssten verbindlich geregelt werden. Positiv sieht das Gremium grundsätzlich den Marktplatz für "Einer für Alle"-Leistungen.

Grundlegende Änderungen fordert der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel am Ansatz: "Heute ist es teilweise noch so, dass der Antrag noch digital ist", anschließend würde oft noch ausgedruckt und abgeheftet. "Sie brauchen voll durchgängig elektronische Prozesse." Genau das aber war es, was der Bund mit dem Onlinezugangsgesetz digitalisieren durfte und wollte. Die eigentlichen Verwaltungsprozesse liegen meist bei Kommunen oder Ländern. Doch Goebel sieht die verantwortliche Politik vor einem massiven Problem: "Der Bürger merkt langsam, dass der Staat ewig lange braucht, bis er seine Versprechen umsetzen kann und verliert dadurch an Glaubwürdigkeit." Es sei an der Zeit, weniger zu versprechen und dafür mehr zu liefern.

(mack)