Normungsgremium: Vorerst kein Ende der Einspeisesteckdose für Balkonkraftwerke

Steckerfertige PV-Anlagen senken die Stromkosten mit Sonnenenergie. Laut VDE darf man sie nicht per Schuko anschließen – das wird sich vorerst nicht ändern.

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(Bild: Sebastian Müller)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jan Mahn
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Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat versucht, den Anschluss von "Balkonkraftwerken" genannten kleinen Photovoltaikanlagen mit handelsüblichem Schuko-Stecker in einer neuen Produktnorm unterzubringen. Das Einbauen einer Einspeisesteckdose (Wieland-Steckdose) mit eigener Zuleitung durch eine Elektrofachkraft wäre dann obsolet geworden. Doch in den Normungsgremien gab es Widerstand; einen Teilerfolg erzielte die DGS dennoch.

Steckerfertige Photovoltaikanlagen, auch Balkonkraftwerke oder Guerilla-PV genannt, sind ein Einstieg in erneuerbare Stromerzeugung und auch für Mieter ohne eigene Dachfläche attraktiv. Anlagen mit bis zu 600 Watt Spitzenleistung auf Wechselspannungsseite darf man ohne Genehmigungsverfahren anschließen; sie bestehen in der Regel aus ein bis zwei Solarmodulen und einem passenden Mikrowechselrichter, der mit den Panels und dem Stromnetz verbunden wird. Die Module installiert man an Balkonbalustraden, auf Dächern oder im Garten. Wenn die Sonne scheint, reduziert der selbst produzierte Strom die aus dem Netz bezogene Menge. Tagsüber kann man den Zähler streckenweise sogar ganz anhalten, obwohl Kühlschränke und PCs im Homeoffice laufen.

Doch was sich nach einem einfachen Beitrag zu dezentraler Produktion erneuerbarer Energien anhört, sorgt für Streit in Fachkreisen. Die zentrale Frage: Darf man die steckerfertigen Geräte über Schutzkontaktstecker (kurz Schuko) an einer gewöhnlichen Haushaltssteckdose anschließen? Rein technisch funktioniert das und außerhalb Deutschlands, etwa in den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, ist das der Standard. Auch in Deutschland schließen viele ihre Anlage per Schuko an – verlassen damit aber den normgerechten Pfad.

Der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.) hält den Anschluss per Schuko für keinen geeigneten Weg. Stattdessen sehen die Normen eine Einspeisesteckdose vor, zum Einsatz kommt ein System des deutschen Herstellers Wieland. Eine solche Dose muss eine Elektrofachkraft installieren und mit einer eigenen Zuleitung anschließen.

Weil die Installation einer solchen Dose mit Kosten von etwa 150 bis 250 Euro verbunden ist, hat sie erheblichen Einfluss auf die Amortisationszeit eines Balkonkraftwerks, das man je nach Modul ab 500 Euro kaufen kann. Außerdem schrecken der Aufwand und die nötige Kabelverlegung Einsteiger eher ab. Deshalb engagierte sich die DGS in einem Arbeitskreis der DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik), der einen Normenentwurf für steckerfertige Solargeräte hervorbringen sollte. Ziel war es, den Schuko-Stecker als normgerechte Lösung unterzubringen.

Doch die Diskussion gipfelte in einer Kampfabstimmung, die mit einer Patt-Situation endete. Das berichtet Dipl.-Ing. Ralf Haselhuhn von der DGS im Gespräch mit heise online. Er war für die DGS im Arbeitskreis und hatte für den Schuko-Stecker gekämpft. Bedenken kamen aus der Versicherungsindustrie, aus dem Elektrohandwerk und von den Netzbetreibern. Der Kompromiss: Der Schuko-Stecker ist zunächst in den informellen Anhang gelangt. Die Vornorm wird in den nächsten Monaten veröffentlicht – dann beginnt ein Einspruchsverfahren mit neuen Chancen, den Schuko-Stecker in die Norm zu bringen.

Fachlich geht es um die Frage, ob ein Anschluss mit Schuko-Stecker sicher ist. Auf der einen Seite geht es um die Frage des Berührungsschutzes – der Mikrowechselrichter speist schließlich ein. Zieht man den Stecker im Betrieb aus der Dose und berührt die Pins, könnte man theoretisch einen elektrischen Schlag erleiden. Beim Wieland-Stecker ist das nicht möglich, weil er keine freiliegenden Kontakte hat. Die Verfechter des Schuko-Steckers halten entgegen, dass die Mikrowechselrichter mit einer Freischalteinrichtung (ENS) nach VDE-AR-N 4105, dem sogenannten NA-Schutz, ausgestattet seien. Beim Trennen vom Netz schalten sie sofort ab.

Der Kern des Streits im Normungsgremium, so Haselhuhn, entsponn sich aber um einen weiteren Aspekt: die Auslösungsbedingungen des Leitungsschutzschalters (LS, umgangssprachlich Sicherungsautomat). Der muss bei Überlast gemäß seiner Kennlinie nach einer festgelegten Zeit abschalten um zu verhindern, dass die Leitungen zu warm werden. Heiße Kabel dünsten erst ungesunde Gase aus und geraten bei zu hohen Temperaturen möglicherweise in Brand. Die Schuko-Gegner und Befürworter einer separaten Einspeisesteckdose mit eigener Zuleitung argumentieren, die bis zu 600 Watt Einspeisung aus dem Wechselrichter würden in dem Fall von Überlast durch ein anderes Gerät im selben Kreis dazu führen, dass der LS-Schalter zu spät abschaltet. Beim LS-Schalter kommt schließlich nur der Betrag abzüglich der eingespeisten Leistung an. Dadurch sei die Sicherheit in Gefahr.

Haselhuhn und sein Team haben auf diese Kritik mit einer umfangreichen Studie reagiert und kommen zu dem Schluss, dass die eingespeisten 2,6 Ampere die Kabel nicht gefährlich erwärmen. Getestet wurden vor allem alte Installationen, solche mit veralteten Aluminiumleitungen, Bakelit-Installationsmaterial und anderen Sünden der Vergangenheit mit hohen Übergangswiderständen. Ihr Fazit: Eine Erwärmung um einige Grad ist messbar, in kritische Bereiche kommt man mit den Balkonsolaranlagen nicht. Überzeugen konnten auch diese Ausführungen das Normungsgremium letztendlich nicht.

Kritiker aus der Eigenenergie-Szene halten die Argumente aus Kreisen von Netzbetreibern und Elektrohandwerk ohnehin nur für vorgeschoben: Erstere hätten ohnehin kein Interesse an dezentralen Energieerzeugungsanlagen, weil sie ihr Geld mit dem Transport von Energie durch ihre Netze verdienen. Daher versuchten sie mit allen Mitteln, einen möglichst einfachen Einstieg zu verhindern. Das Elektrohandwerk, so die Kritik, wolle sich die Aufträge für Einspeisesteckdosen nicht entgehen lassen.

Für Interessierte, die ein Balkonkraftwerk installieren wollen, bleiben schließlich gleich drei Optionen: Abwarten und aufs Widerspruchsverfahren und eine Überarbeitung der Produktnorm hoffen, eine Einspeisesteckdose installieren lassen, oder den Pfad des normentreuen Bürgers verlassen – schließlich haben Normen keinen Gesetzesstatus.

(jam)