Nvidia-Partner Supermicro unter Druck: Aktienkurs stĂĽrzt ab
Ein Finanzunternehmen beschuldigt Supermicro, die Buchhaltung manipuliert zu haben. Der im Sog des KI-Hypes enorm gestiegene Aktienkurs brach deshalb ein.
Der kalifornische Server-Hersteller Supermicro befindet sich in schwerem Fahrwasser, und das zum dritten Mal innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Ende August veröffentlichte das Investment-Research-Unternehmen Hindenburg Research einen langen Bericht, der Supermicro mehrere Verfehlungen vorwirft.
Charles Liang, der Gründer und CEO von Supermicro, wies die Anschuldigungen in einem offenen Brief an Anleger, Kunden und Partner zurück. Außerdem warnt Charles Liang Anleger, dass Hindenburg Research eigene Interessen als Shortseller verfolge, also den Aktienkurs von Supermicro gezielt drücken wolle. Allerdings konnte Supermicro den von der US-Börsenaufsicht SEC geforderten Quartalsbericht nicht rechtzeitig vorlegen – Begründung: Man untersuche derzeit die Vorwürfe.
Tatsächlich brach der Aktienkurs von Supermicro (SMCI) deutlich ein. Er war in den vergangenen Jahren im Zuge des KI-Booms enorm gestiegen. Supermicro ist ein enger Partner von Nvidia und soll einer der größten Abnehmer von Nvidias KI-Rechenbeschleunigern sein. Letztere baut Supermicro in eigene Server ein und verkauft die Maschinen dann weiter, unter anderem auch an prominente Kunden wie Tesla beziehungsweise xAI, nämlich für Colossus.
Nun berichtet das Wall Street Journal, das US-Justizministerium (Department of Justice, DOJ) prĂĽfe den Fall. Daraufhin sackte die Supermicro-Aktie noch weiter ab.
Wiederholte VorwĂĽrfe
Schon 2015 wurden Berichte über unzulässige Manipulationen von Umsätzen durch die Vertriebsabteilung von Supermicro bekannt. 2020 verhängte die SEC deshalb sowohl gegen Supermicro als auch gegen den damals verantwortlichen Chief Financial Officer (CFO) Howard Hideshima Strafzahlungen in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar.
Hindenburg Research behauptet nun unter anderem unter Berufung auf einen ehemaligen Supermicro-Mitarbeiter, das Unternehmen habe mehrere der seinerzeit verantwortlichen Personen später wieder eingestellt oder beschäftigt. So sei etwa Howard Hideshima seit Mai 2023 wieder als Berater für die taiwanische Firma Ablecom tätig, die Jian-Fa Liang leitet, ein Bruder von Supermicro-Chef Charles Liang.
Familiäre Verflechtungen
AuĂźerdem kritisiert Hindenburg Research, die Familie Liang habe ein undurchsichtiges Firmengeflecht aufgebaut. Es ist allerdings seit vielen Jahren bekannt, dass Ablecom beispielsweise Netzteile fertigt und im Wesentlichen an Supermicro liefert.
Ein anderer Zulieferer ist die taiwanische Firma Compuware Technology, gefĂĽhrt von Jian-Da Liang, einem weiteren Bruder von Carles Liangs. Seine beiden BrĂĽder sitzen als Vertreter ihrer jeweiligen Firmen auch im Aufsichtsrat der taiwanischen Firma Leadtek, die wiederum unter der Marke WinFast auch Workstations und Server mit Mainboards von Supermicro verkauft.
Es ist allerdings nicht nur in der IT-Branche üblich, dass größere Firmen relevante Anteile an wichtigen Zulieferern kaufen oder sie komplett übernehmen. Ebenso ist es nicht selten, dass Firmen in wichtige Abnehmer ihrer Produkte investieren, etwa um gezielt den Verkauf in bestimmten Ländern, Regionen oder Branchen anzukurbeln. Ohne Belege über konkretes Fehlverhalten im Geschäftsverhältnis der verflochtenen Firmen lassen sich die Vorwürfe weder prüfen noch einordnen.
Seltsame VorwĂĽrfe
Supermicro-Chef Charles Liang stellte auf der Computex 2024 riesige Wachstumsraten insbesondere fĂĽr wassergekĂĽhlte (Direct Liquid Cooled, DLC) KI-Server in Aussicht. DafĂĽr habe Supermicro eine WasserkĂĽhlung entwickelt.
Nun kritisiert Hindenburg Research, die Wasserkühltechnik stamme gar nicht von Supermicro selbst, sondern von Ablecom, und belegt das mit dem US-Patent US-11942397-B2. Andererseits wirft Hindenburg Research jedoch Supermicro (zu) enge Verflechtungen mit Ablecom vor – diese Argumentation wirkt nicht schlüssig.
Auch andere Serverhersteller vermarkten KĂĽhlsysteme und andere Komponenten als hauseigene Technik, obwohl sie diese gemeinsam mit Zulieferern entwickelt haben oder schlichtweg zukaufen.
Das gilt auch für andere Bereiche der IT-Technik: Der 3D V-Cache der AMD-Ryzen-Prozessoren mit der Zusatzbezeichnung X3D basiert im Wesentlichen auf der Packaging-Technik Chip-on-Wafer (CoW) des Auftragsfertigers TSMC. Apples Chip-zu-Chip-Interconnect "UltraFusion" wiederum nutzt TSMCs Integrated Fan-Out (InFO_LI). Die Automobilbranche liefert noch viel mehr Beispiele für derartige Zukäufe; selbst die Entwicklung ist dort zu erheblichen Teilen an Dienstleister ausgelagert.
Alte VorwĂĽrfe
2018 behauptete Bloomberg, auf Server-Mainboards von Supermicro seien Spionagechips entdeckt worden. Diese Vorwürfe wurden bis heute nicht völlig aufgeklärt. Bloomberg blieb auch später eine detaillierte Erklärung schuldig, wie die angeblichen Spionagechips funktionieren, also auf welche Daten oder Datenleitungen sie zugreifen konnten und wie sie diese Daten weiterleiteten. Supermicro streitet die Vorwürfe erwartungsgemäß ab, aber auch andere Branchenkenner halten sie für unschlüssig.
Es ist also derzeit nur klar, dass Supermicro in den Jahren 2015 bis 2017 gegen Regeln der US-Börsenaufsicht verstoßen hat und es 2018 sowie 2024 weitere Vorwürfe gab. Es ist aber auch klar, dass sich auch mit stark schwankenden Aktienkursen sehr viel Geld verdienen lässt. Das Beispiel zeigt, dass Anleger sehr vorsichtig sein sollten, wenn sie vom aktuellen Boom der KI-Aktien ebenfalls profitieren wollen.
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(ciw)