Österreich erleichtert Balkonkraftwerke

Ab September können österreichische Wohnungseigentümer leichter den Widerstand von Nachbarn gegen kleine Solarpaneele auf Balkonen und Terrassen überwinden.​

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Solarpanel, darauf verschlungene Anschlusskabel

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Österreich senkt die rechtlichen Hürden für Balkonkraftwerke, also die Installation steckerfertiger Solarpaneele auf exklusiv genutzten Balkonen und Terrassen. Ab 1. September können andere Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Photovoltaik-Errichtung nicht mehr grundsätzlich ablehnen. Eine entsprechende Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes hat der Nationalrat beschlossen; die noch ausstehende Zustimmung des Bundesrates gilt als sicher. Allerdings geht der österreichische Ansatz nicht so weit wie die jüngst beschlossene Erleichterung von Balkonkraftwerken in Deutschland.

Der größte Unterschied liegt darin, dass in Deutschland sowohl Wohnungseigentümer als auch Mieter Anspruch auf Genehmigung von Steckersolargeräten bekommen. In Österreich erhalten nur Wohnungseigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) dieses Recht. Für Mieter gilt die neue Regelung ebenso wenig, wie für Eigentümer von Eigentumswohnungen im schlichten Miteigentum oder die rar gewordenen Stockwerkseigentümer (verbüchert vor 1880). Wohnungseigentum ist seit 1975 möglich und erlaubt die Einräumung eines dinglichen Rechts, ein Objekt ausschließlich zu nutzen. Im klassischen schlichten Miteigentum einer Eigentumswohnung ist dieses Recht nicht dinglicher, sondern vertraglicher Natur; dafür gilt das WEG nicht.

Möchte ein WEG-Eigentümer in Österreich Solarpaneele auf dem Gebäude anbringen, benötigt er grundsätzlich die Zustimmung aller anderen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft. Ab 1. September greifen Erleichterungen für steckerfertige (!) Solarpaneele zu maximal 800 Watt Leistung bei Installation auf exklusiv genutzten Balkonen (oder Terrassen) zum Anschluss an bereits vorhandene (!) Steckdosen zwecks Stromversorgung der Wohnung. In solchen Fällen dürfen die anderen Eigentümer ihre Zustimmung nur noch dann verweigern, wenn die Installation das Gebäude schädigen, schutzwürdige Interessen der anderen Wohnungseigentümer beeinträchtigen, die äußere Erscheinung des Gebäudes beeinträchtigen, oder Gefahr mit sich bringen würde. Letzteres ist beispielsweise bei überlasteten Stromleitungen möglich, während Blendwirkungen der Photovoltaikpaneele eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen wären.

Verweigert jemand die Zustimmung ohne Vorliegen solcher Gründe, kann das örtliche Gericht die Zustimmung ersetzen. Das war schon bisher möglich, allerdings mussten Antragsteller dabei zeigen, dass sie ein wichtiges Interesse haben oder dass ihr Vorhaben verkehrsüblich ist. Diese Auflagen fallen mit September weg, weil Photovoltaikpaneele dann zu den privilegierten Installationen zählen, so wie beispielsweise Wasser- oder Festnetzanschlüsse auch. Das erleichtert, entsprechende Gerichtsentscheidungen zu erwirken.

Außerdem setzt die Gesetzesnovelle eine Frist: Reagiert ein anderer Eigentümer binnen zwei Monaten nicht, gilt sein Schweigen als Zustimmung (sofern er über diese Rechtsfolge informiert wurde). Diese Fristenregelung gilt bereits jetzt für Solaranlagen auf Reihenhäusern. Keinen Anspruch auf Balkonkraftwerke gibt es, wenn der Anschluss an eine bestehende Gemeinschaftsanlage (meist auf dem Dach) möglich wäre, oder die geplante Anlage größer ist, als es der Stromverbrauch der Wohnung erfordert. Damit gibt es beispielsweise keinen Anspruch auf ein Balkonkraftwerk zum Aufladen eines Elektroautos.

Prozedural fällt der Gesetzesbeschluss aus der Rolle. Ursprünglich brachten je ein Abgeordneter der beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne einen gemeinsamen Antrag ein, der lediglich einen Grammatikfehler im bestehenden Gesetz beheben sollte. Erst in der Plenardebatte legten die beiden Fraktionen einen Abänderungsantrag zu ihrem ursprünglichen Antrag auf, der die inhaltlichen Änderungen enthält. Dieser wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS beschlossen.

Seit Jahresbeginn sind Solaranlagen in Österreich von der 20-prozentigen Umsatzsteuer befreit. Die gestiegenen Strompreise haben außerdem die Amortisationszeit für Balkonkraftwerke auf fünf bis sechs Jahre reduziert, sagt der VKI (Verein für Konsumenteninformation). Das macht die Investition für Privathaushalte attraktiver.

Dennoch werden die im September in Kraft tretenden Erleichterungen für Balkonkraftwerke in WEG-Wohnungen nicht reichen, die Ausbaulücke zu schließen. Österreichs Stromnetz soll ab 2030 klimaneutral laufen; dafür sind laut integriertem Netzinfrastrukturplan 21 Gigawatt peak (GWp) an Solarzellen notwendig. Zehn Jahre später müssen es sogar 41 GWp sein. Der Branchenverband Photovoltaic Austria weist darauf hin, dass österreichweit nach jahrzehntelangen Bemühungen erst 6,3 GWp installiert sind; diese Menge muss also in weniger als fünf Jahren mehr als verdreifacht werden, um das Ausbauziel zu erreichen.

(ds)