Ohne Münze und Chip: Netto testet Einkaufswagen mit App-Entsperrung

In zwei bayerischen Netto-Filialen können Kunden ihren fahrbaren Warenkorb jetzt auf Wunsch per Smartphone entriegeln. Kritiker befürchten Tracking im Laden.

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Ohne Chip oder Geldstück lassen sich Nettos Einkaufswagen entsperren.

(Bild: Wanzl GmbH & Co. KGaA)

Lesezeit: 3 Min.

Kontaktloses Zahlen mit Karte oder Smartphone setzt sich sei der Corona-Pandemie auch im Lebensmitteleinzelhandel stärker durch. Netto Marken-Discount testet in zwei bayerischen Filialen in Burglengenfeld (Regensburger Straße) und Sünching (Bahnhofstraße) nun ein neues System, mit dem auch der Einkaufswagen bargeldlos ohne Münze oder Chip losgekettet werden kann. Der Discounter mit dem gelb-roten Schriftzug – nicht zu verwechseln mit dem dänischen Netto mit dem Hund im Logo – hat dafür seine eigene Einkaufsapp um eine Funktion erweitert, mit der die Einkaufswagen in den Pilot-Niederlassungen auf Wunsch per Smartphone entsperrt werden können.

Der Lebensmittelhändler setzt dabei auf das System Hybridloc des baden-württembergischen Einkaufswagenherstellers Wanzl. Zum Entriegeln des Schlosses muss der Kunde dabei das Smartphone bei geöffneter Netto-App sowie vorheriger Auswahl der besuchten Filiale kurz über das Aktivierungsfeld im Griff des fahrbaren Warenkorbs halten. Dabei öffnet sich der Mechanismus des Schlosses und der Einkauf kann beginnen. Die Technik basiert auf dem Übertragungsstandard Near Field Communication (NFC) zum kontaktlosen Austausch von Daten – ähnlich wie beim Mobile Payment. Das Mobiltelefon muss NFC folglich unterstützen.

Als Anreiz für die Rückgabe der Einkaufswagen könnten etwa digitale Gutscheinbons für den nächsten Einkauf oder eine Spende für gemeinnützige Zwecke eingebaut werden, heißt es bei Wanzl. Ob diese Zusatzleistungen auch bei dem Probebetrieb eine Rolle spielen sollen, ließ Netto offen. Auch so dürfte ein nicht wieder angeketteter Rolli von der App registriert werden, was beim nächsten Filialbesuch zu Sanktionen führen könnte. Generell hat das App-basierte Verfahren Befürchtungen ausgelöst, dass Netto darüber zahlreiche anfallende persönliche Daten sammeln und auswerten könnte. So sei es prinzipiell möglich, die Verweildauer oder die Einkaufgewohnheiten zu tracken. Ferner könnte das Unternehmen sich einen Überblick darüber verschaffen, wie viele Käufer gerade im Laden sind.

Netto antwortete am Montagnachmittag nicht auf eine Anfrage von heise online, ob über die App und Hybridloc persönliche Daten der Kunden erhoben, verarbeitet und gegebenenfalls gespeichert werden. Offen blieb so zunächst auch, ob der Ansatz mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar ist. Eine Sprecherin der zu Edeka gehörenden Kette hatte vorab nur erklärt: "Wir ergänzen das Angebot unserer Netto-App kontinuierlich und bieten somit praktische Einkaufsoptionen" für Smartphone-Besitzer. Neu dazu komme nun "eine weltweit einzigartige Alternative für ein modernes Einkaufserlebnis".

Keine Aussage machte der Konzern auch zur Dauer des Pilotprojekts und eine mögliche spätere Ausweitung. Laut Wanzl lassen sich die Hybridloc-Funktionen per Software Development Kit (SDK) in die jeweiligen Apps auch anderer Händler und Märkte integrieren. Das Magazin Focus will aus Handelskreisen erfahren haben, dass einzelne Edeka-Filialen im ersten Quartal 2024 ebenfalls mit der Technik ausgerüstet werden. Auch vier Rewe-Filialen hätten Interesse signalisiert. Wanzl blicke zudem erwartungsvoll nach Asien, wo bargeldloses Einkaufen bereits geläufig sei und beim Einkaufswagen eine entsprechende Alternative erwartet werde.

(olb)