Omikron breitet sich aus: Regierung will Schutzvorschriften in Betrieben lockern

Die Infektionszahlen steigen, besonders wegen der Omikron-Variante – doch der Schutz soll gesenkt werden. Mediziner fordern ein Festhalten an der Maskenpflicht.

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(Bild: narongpon chaibot/Shutterstock.com)

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  • dpa
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Trotz steigender Infektionszahlen sollen in Deutschlands Betrieben ab dem Frühlingsanfang in einer Woche lockerere Corona-Regeln gelten. Im Entwurf einer Verordnung des Bundesarbeitsministeriums ist vorgesehen, dass die Arbeitgeber selbst die Gefährdung durch das Virus einschätzen und in einem betrieblichen Hygienekonzept entsprechende Maßnahmen festlegen sollen. Der Entwurf liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, andere Medien hatten zuvor ebenfalls darüber berichtet.

Die Arbeitgeber sollen dabei auch das regionale Infektionsgeschehen berücksichtigen. Prüfen sollen sie dann dem Entwurf zufolge, ob sie den Beschäftigten einen Corona-Test pro Woche anbieten, ob sie Schutzmasken bereitstellen und ob Beschäftigte im Homeoffice arbeiten sollen. Auch über Schutzmaßnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln oder eine Maskenpflicht sollen Betriebe künftig selbst entscheiden.

Bis einschließlich 19. März sind Arbeitgeber noch verpflichtet, in ihren Betrieben mindestens zweimal pro Woche Tests anzubieten. Wo es nicht durch andere Maßnahmen genügend Schutz gibt, gilt derzeit auch noch eine Maskenpflicht. Neben diesen Regeln gelten betriebliche 3G-Regelungen, nach denen Beschäftigte Impf-, Genesenen- oder Testnachweise mitführen müssen. Homeoffice ist bis dahin noch Pflicht, wenn es von der Art der Arbeit her möglich ist.

Geplant ist, dass die neue Verordnung am Mittwoch im Kabinett beschlossen wird. Im Bundestag soll ebenfalls am Mittwoch ein umstrittener Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) erstmals beraten werden, der den Wegfall der meisten bundesweiten Corona-Schutzauflagen vorsieht – darunter auch die Pflicht, den Beschäftigten Homeoffice nach Maßgabe der Möglichkeiten anzubieten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: "Wir müssen gemeinsam weiter dafür sorgen, dass der Arbeitsplatz kein Infektionsort wird." Deshalb sollten auch hier Basisschutzmaßnahmen erhalten bleiben.

Angesichts der rasanten Ausbreitung von Omikron in Deutschland warnen Mediziner vor der geplanten Streichung der Maskenpflicht in den meisten Innenräumen. "Es wäre ein Fehler, dieses Mittel ohne Not aus der Hand zu geben", sagte der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung Divi, Gernot Marx. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft können viele Kliniken bereits keine neuen Kranken mehr aufnehmen. Bayern und Nordrhein-Westfalen forderten Nachbesserungen an den Öffnungsplänen. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete einen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz auf 1496 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

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Am Samstag wurden 237.086 neu registrierte Corona-Infektionen binnen eines Tages in Deutschland registriert. 249 weitere Menschen starben innerhalb 24 Stunden an oder mit Corona. Insgesamt sind es 125.521 Corona-Tote in Deutschland. Die wachsende Omikron-Welle wird nach Einschätzung der Bundesregierung größtenteils durch die ansteckendere Variante BA.2 getrieben. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erwartet steigende Totenzahlen, wenn nicht genug gegengesteuert wird, wie er am Vortag deutlich machte.

Divi-Präsident Marx sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag), mit Masken könne man sich und andere effektiv schützen. "Die Länder sollten deswegen in jedem Fall auch nach dem 20. März die Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen beibehalten."

Lauterbach hatte die von ihm und Justizminister Marco Buschmann (FDP) gemachten Vorschläge für ein geändertes Infektionsschutzgesetz am Freitag verteidigt. Gemäß einem Bund-Länder-Beschluss sollen ab 20. März die meisten Auflagen entfallen. Bundesweit soll nur noch ein Basisschutz möglich sein: Maskenpflichten in Pflegeheimen, Kliniken und Nahverkehr – und Testpflichten in Heimen und Schulen. Bundesweit bleiben soll außerdem die Maskenpflicht in Fernzügen und Flugzeugen.

An Orten, wo sich die Corona-Lage zuspitzt, sollen schärfere Auflagen verhängt werden können: Maskenpflichten, Abstandsgebote, Hygienekonzepte sowie Impf-, Genesenen- oder Testnachweise (3G/2G/2G plus) – aber nur, wenn sich vorher das jeweilige Landesparlament damit befasst hat. Lauterbach hatte die Pläne als rechtssicher verteidigt. Er forderte die Länder auf, jetzt auf Basis des geplanten neuen Bundesgesetzes das weitere Möglichmachen von Schutzmaßnahmen in ihrem jeweiligen Land vorzubereiten.

"Der Bund muss wirklich nachbessern und sollte die Maßnahmen bundesweit noch einmal um zwei oder drei Monate verlängern und die Verantwortung jetzt nicht an die Länder abwälzen, während sich die Infektionslage verschlimmert", entgegnete der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) in der "Augsburger Allgemeinen".

"Sollte das Gesetz so kommen, manövrieren wir in einer sehr kritischen Phase der Pandemie in eine politische Handlungsunfähigkeit", sagte Holetschek der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Auf Basis des Gesetzentwurfs könnten die Länder zeitnah keine eigenen Regelungen treffen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte vor einem entstehenden Flickenteppich an Regeln gewarnt.

Kritik an den Öffnungsplänen der Regierung hatten etwa auch die Ministerpräsidenten Niedersachsens, Stephan Weil (SPD), und Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann (Grüne), geäußert. An diesem Donnerstag wollen Bund und Länder die Lage in einer Ministerpräsidentenkonferenz beraten.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, warnte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, dass immer mehr Klinik-Beschäftigte wegen Krankheit oder Quarantäne ausfielen. "In einigen Bundesländern müssen bereits Reservekliniken genutzt werden, weil die normalen Kliniken nicht mehr aufnehmen können." Auch solle die zu erwartende Mehrbelastung durch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nicht unterschätzt werden.

(tiw)