Digitale Identität: China will virtuelle Welten staatlich kontrollieren
Der staatseigene Netzbetreiber China Mobile hat eine digitale Identität für virtuelle Welten bei der ITU ins Spiel gebracht, mit der Nutzer überwachbar würden.
China will über die Internationale Fernmeldeunion (ITU) sicherstellen, dass virtuelle Welten wie das Metaverse staatlich kontrolliert werden können. Der staatseigene Netzbetreiber China Mobile habe dazu Vorschläge für ein "System für eine digitale Identität" bei der UN-Organisation eingebracht, berichtet das Online-Magazin Politico. Alle Nutzer sollen demnach einen Online-Ausweis erhalten und darüber mit natürlichen und sozialen Merkmalen wie Beruf oder leicht erkennbaren Zeichen identifiziert werden können. Einfließende Informationen würden "dauerhaft" gespeichert und an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben, "um die Ordnung und Sicherheit der virtuellen Welt aufrechtzuerhalten".
Digitale Identität
"Tom" nutze die aufstrebende Technologie nicht nur, um in 3D-Welten zu spielen und soziale Kontakte zu knüpfen, bringt der chinesische Telekommunikationskonzern laut dem Bericht ein Beispiel. Vielmehr verbreite er im Metaverse auch Gerüchte und sorge für Chaos. Das digitale Identitätssystem würde es der Polizei in so einem Fall ermöglichen, den Störer umgehend zu identifizieren und zu bestrafen. Eine anonyme Nutzung virtueller Welten wäre ausgeschlossen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Von Politico befragte Experten monierten, die chinesische Initiative berge das Risiko, die Grundsätze der Privatsphäre und der Verbindungsfreiheit zu verletzen, die zu Markenzeichen des Internets in westlichen Demokratien geworden seien.
Die ITU hat im Dezember eine Metaverse-Fokusgruppe ins Leben gerufen. Sie soll als zentrales Forum für Regulierungsbehörden, Wissenschaftler, Nichtregierungsorganisationen und Technologieunternehmen dienen, um die Standards für ein künftiges immersives und interaktives, von 3D-Avataren bevölkertes Internet auszuarbeiten. China Mobile hat das einschlägige Papier dem Magazin nach am 5. Juli beim zweiten Treffen des Gremiums in Schanghai eingereicht. Darüber soll voraussichtlich bei der nächsten Sitzung abgestimmt werden, die vom 3. bis 5. Oktober in Genf stattfinden wird.
"Ein einheitliches digitales Identitätssystem aufzubauen, um jedem Menschen eine einzigartige digitale ID zu geben, die soziale Merkmale aus Social Media und Beruf umfasst – das klingt stark nach Chinas Sozialkreditsystem", erklärte Chris Kremidas-Courtney von der Brüsseler Denkfabrik Friends of Europe gegenüber Politico. China plane, "weltweit führend bei der Entwicklung des Metaverse" zu werden. Das stimme mit dem Plan Pekings für einen staatlich kontrollierten digitalen Renminbi überein. Das Festlegen von Standards und Normen sei der erste Schritt in diese Richtung. Ein Teilnehmer der ITU-Arbeitsgruppe warnte vor virtuellen Welten, in denen "die Identitätsprotokolle von chinesischen Behörden festgelegt und überwacht werden".
Die ITU hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt zu einer Arena für geopolitische Auseinandersetzungen um die Zukunft des Internets entwickelt. Dabei stoßen vor allem die Vorstellungen Chinas und der Vereinigten Staaten sowie ihrer Verbündeten oft frontal aufeinander. So hat etwa die EU-Kommission jüngst eine offenere Metaverse-Strategie veröffentlicht. Die kommunistische Regierung in Peking versucht laut einer Studie dabei immer wieder, "Normung als Instrument zur Förderung von Technologien zu missbrauchen, die demokratische Werte und Menschenrechte infrage stellen". Die Forscher verweisen dabei etwa auf die Initiative des Netzausrüsters Huawei auf ITU-Ebene für ein neues Internet-Protokoll unter dem Titel "New IP", mit dem China sein Modell des staatlich kontrollierten Netzes inklusive Massenüberwachung und Filter salonfähig machen könnte.
(olb)