Freie Software: 40 Jahre GNU​

Im September 1983 grĂĽndete Richard Stallmann das GNU-Projekt und initiierte damit die Entwicklung fĂĽr ein offenes Betriebssystem. Heute wird in Biel gefeiert.

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Website des GNU-Projekts, das GNU-Logo wird unter die Lupe genommen

(Bild: Gil C/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Vor vier Jahrzehnten warnte US-Informatiker Richard Stallmann vor dem Trend zu proprietären Betriebssystemen und schrieb einen freien Compiler. Zusammen mit dem Linux-Kernel wurde daraus das frei nutzbare GNU Linux. Heute nimmt der inzwischen 70-Jährige, unbequem gebliebene Hacker der ersten Stunde an der Geburtstagsfeier in Biel teil. Die von Stallmann 1985 gegründete Free Software Foundation (FSF) und ihre 2001 gegründete europäische Schwester – die Free Software Foundation Europe, FSFE – feiern auf Einladung des GNU-Vereins trotz mancher Unstimmigkeiten sogar gemeinsam.

Mit der Zerschlagung der alten US-Telefongesellschaft Bell Anfang der 80er-Jahre wurde auch das bis dahin frei verfügbare UNIX Beute der Privatisierung. Nachfolger AT&T sah das Betriebssystem als Asset und versuchte ein Jahrzehnt lang, es als proprietäres Produkt zu vermarkten.

Stallmann, Mitarbeiter am MIT KI Lab, war sicher nur einer von vielen Gegnern dieser Entwicklung. Als Stein des Anstoßes nennt er die Mitteilung eines Kollegen auf seine Anfrage nach dem "Vrij (freie) University Compiler KIT" (VUCK). Der Kollege antwortete zwar, dass die Uni wohl frei sei, nicht aber der für mehrere Sprachen (C, Pascal) nutzbare VUCK. Stallmann begann daraufhin mit der Entwicklung des GNU-Compilers, gründete die Free Software Foundation (FSF) und wurde zur Galionsfigur des Widerstands gegen proprietäre Software.

Nach Stallmanns Prinzip der "Vier Freiheiten" ist Software frei, wenn man ein Programm nach eigenem Gutdünken nutzen, analysieren und an die eigenen Bedürfnisse anpassen kann und es unverändert oder mit den entsprechenden Veränderungen an andere Nutzer weitergeben darf. Das politische Credo des offenen Quellcodes und die von der FSF zur Sicherung dieser Rechte entwickelte GNU Public License – Copyleft statt Copyright – sind wohl Stallmanns größter Beitrag für die Softwarekultur und darüber hinaus.

Das von Stallmann noch mit angestoßene Kernelprogramm GNU Hurd wich dagegen – nicht zuletzt, weil es zu lange dauerte – dem auf der Basis von Stallmanns freiem Compiler programmierten Linux System von Linus Torvalds. Das Programm der GNU-Geburtstagsfeier in Biel vermittelt einen kleinen Eindruck davon, wie breit das Feld der GNU-Software ist, an dem GNU-Enthusiasten weltweit arbeiten. Es reicht von Anwendungen im Gesundheitsbereich bis zum Datenschutz wahrenden, quelloffenen digitalen Bezahlsystem GNU Taler.

Der Beitrag des GNU-Projekts und der Freien-Software-Bewegung ist kaum zu überschätzen, betont Kurt Jaeger, einer der Postmaster und Maintainer des FreeBSD-Projekts und im Hauptberuf Geschäftsführer des ISP nepustil.net. Ohne Freie Software für Betriebssysteme gäbe es heute weder das Internet, wie wir es kennen, noch Millionen von Mobiltelefonen.

"Erhebliche Beiträge zur Innovation, erhebliche Beiträge zur IT Sicherheit durch Offenlegung, einen Stiftungsboom", nennt Jaeger die Charakteristika der durch GNU entstandenen "kambrischen Explosion".

Freie Software hat die Verhältnisse auf der Netzwerkschicht radikal verändert, unterstreicht Jose Marchesi, der während des Studiums in Madrid GNU entdeckte. "Ein Freund schickte mir GNU auf einem Packen Disketten, ich dachte, es sei UNIX und installierte es und fragte mich, was ist GNU", beschreibt Marchesi seinen Einstieg.

Ein Netz ohne GNU könne er sich höchstens als Dystopie vorstellen, erklärt er. Weniger universell, auf Teile der Bevölkerung beschränkt, könnte die Informationstechnologie sein. "Computer und Netzwerke sind fantastisch, aber sie können leicht zu Werkzeugen der Unterdrückung werden, deshalb ist es so wichtig, dass die Kontrolle in den Händen der Gesellschaft bleibt", sagt Marchesi. Programmieren sei eminent politisch, sagt er, und RMS, wie Stallmann in der Szene genannt wird, habe das früh erkannt.

Wenn es nach den Bieler Organisatoren geht, soll die Jubiläumsfeier auch die Wogen zwischen der FSF und ihrer Schwesterorganisation FSFE glätten. Das Verhältnis war zuletzt mehr als angespannt, nicht zuletzt wegen Stallmanns zumindest heiklen Äußerungen zum Fall Epstein.

Als Stallmann mit Billigung der FSF nach seinem einstweiligen Rücktritt ihn nach knapp zwei Jahren wieder rückgängig machte, sah sich die FSFE zur Veröffentlichung einer erneuten Rücktrittsforderung veranlasst. Breite Teile der Community gingen noch härter mit ihrer Galionsfigur ins Gericht.

Georg Greve, einer der Initiatoren und Präsident der FSFE von 2001 bis 2009, bezeichnet die Abhängigkeit von einer einzelnen Person als Webfehler der FSF. "Die Werte, für die GNU steht, sind heute so aktuell wie vor 40 Jahren", sagt Greve, "sie sind für unsere Gesellschaft essenziell geblieben". Vor allem der Konzentration von Daten in den Händen weniger Hyperscaler, die durchaus auch von den Effekten Freier Software profitierten, müsse die Freie Software-Bewegung etwas mehr entgegensetzen. Greve, der nach seinem Ausscheiden als FSFE-Präsident selbst mehrere Softwareunternehmen gegründet hat, sieht eine der zentralen Herausforderungen darin, die Identitätssouveränität auch in einer Cloud-Welt zu bewahren.

Update

Korrigiert, dass GNU Taler ein Bezahlsystem und keine Währung ist.

(mack)