Open-Source-Vorkämpfer oder Erpressungsversuch? WordPress.org gegen WP Engine

Es geht um viele Millionen US-Dollar, Open-Source-Prinzipien und den kommerziellen Erfolg mit freier Software: WordPress.org und WP Engine bekriegen sich.

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Fadenkreuz vor rotem Hintergrund

(Bild: iX)

Lesezeit: 5 Min.
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Kommerzielles Krebsgeschwür oder Erpressungsversuch – die Auseinandersetzung zwischen WordPress.org und WP Engine ist eskaliert. Der Entwickler des beliebten Open-Source-CMS hat dem Hosting-Anbieter jetzt den Zugriff auf die Ressourcen von WordPress.org gesperrt. Das hat nicht nur Auswirkungen aufs Geschäft, sondern unmittelbar auch auf die Kunden: Neben Themes und Erweiterungen beziehen sie hiervon auch Updates und vor allem Bugfixes. Nutzer von WP Engine stehen also ab sofort ohne Aktualisierungen da.

Aber wie kam es zu dieser Situation? WordPress.org-CEO Matt Mullenweg nahm sich im WordPress-Blog vor wenigen Tagen WP Engine vor: Bei dem Anbieter handle es sich nicht um WordPress, selbst seine Mutter würde beides verwechseln, Kunden würden hinters Licht geführt und am allerschlimmsten sei, dass WP Engine sich trotz des hohen Profits nicht finanziell oder per Code (umgerechnet in 40 Arbeitsstunden pro Woche) an der Weiterentwicklung des CMS beteilige. WP Engine sei ein Krebs für WordPress, der sich weiter ausbreiten würde, wenn man jetzt nicht dagegen vorgehe.

Mullenweg geht es aber nicht nur um Geld, denn seiner Meinung nach ist WP Engine auch für Nutzer besonders schlecht: WordPress sei darauf ausgelegt, dass man Fehler stets rückgängig machen könne. Nicht zuletzt aus Gründen der Datensicherheit sei das wichtig. Doch WP Engine deaktiviere diese zentrale Funktion, weil sie den Betreiber mehr Geld kosten würde. Und auf der Liste der empfohlenen Hosting-Anbieter sei WP Engine der einzige, der dies standardmäßig ausschalte. Am Ende würde das Unternehmen etwas wie WordPress aussehendes offerieren – das aber zerhackstückseln und trotzdem mehr dafür verlangen.

Als positiven Vergleich zieht Mullenweg den Hosting-Anbieter Automattic heran, denn trotz ähnlicher Größe würde dieser 3915 Stunden pro Woche beitragen. Allerdings ist dazu anzumerken, dass Automattic die Plattform WordPress.com betreibt und der CEO ebenfalls Matt Mullenweg heißt. Andererseits ist auch die knallharte Ausrichtung von WP Engine nicht aus der Luft gegriffen: Das Private-Equity-Unternehmen Silver Lake investierte Anfang 2018 100 Millionen US-Dollar in den Anbieter – dass der Investor anschließend ein entsprechend hohes Wachstum samt Profit sehen will, ist keine aus der Luft gegriffene Vermutung Mullenwegs. Hierzulande ist Silver Lake zum Beispiel durch die Übernahme der Software AG berüchtigt.

Automattic hat ferner eine Abmahnung an WP Engine geschickt: Der Betreiber verwende die Marke WordPress ohne Einverständnis des Eigentümers und würde Kunden in der Annahme irreführen, dass es eine geschäftliche Beziehung zwischen beiden Unternehmen gebe. Jedoch sei Automattic/WordPress gewillt, sich gütlich zu einigen – WP Engine solle seine Zahlen offenlegen und anschließend Lizenzgebühren zahlen. Der Brief geht davon aus, dass "nur" acht Prozent des Gewinns mehr als 32 Millionen US-Dollar "verlorene" Lizenzgebühren für WordPress darstellten. WP Engine habe bis zum 3. Oktober Zeit, dem nachzukommen.

So lange warteten die Anwälte von WP Engine jedoch nicht und weisen die "Drohungen" Mullenwegs zurück. Der öffentlich einsehbare Brief behauptet, dass Automattics CFO Mark Davies vor wenigen Tagen WP Engine damit einen "Krieg" angedroht habe, sofern der Hosting-Anbieter nicht konstant hohe Summen überweisen würde. Ferner habe Mullenweg mehrere Mitarbeiter von WP Engine direkt in Textnachrichten beschimpft, das Unternehmen von WordPress-Community-Veranstaltungen ausgeschlossen und damit gedroht, im Livestream seiner Keynote sowie auf YouTube WP Engine explizit vor Millionen Zuschauern aufs Korn zu nehmen. Wie genau der Hergang vor dem Vortrag Mullenwegs war, lässt sich nicht unabhängig nachvollziehen – Screenshots hierzu finden sich ausschließlich im Brief von WP Engine.

Was jedoch sicher ist: Bei der Keynote handelte es sich um ein Q&A auf dem WordCamp US – auf dem Mullenweg allerdings tatsächlich seine Vorwürfe gegen WP Engine deutlich machte. Neben nicht überprüfbaren Aussagen zur internen Struktur bei WP Engine – unter anderem zu eingeschüchterten Mitarbeitern – bekräftigte er, dass der Anbieter die Marke WordPress bewusst missbräuchlich verwende, kein Interesse an Open Source habe und Nutzer bei anderen Hostern wahrscheinlich bessere Performance bekommen würden. WP Engine weist diese Vorwürfe natürlich direkt zurück.

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Als Reaktion hierauf – weitere Informationen zu Auseinandersetzungen hinter den Kulissen gibt es aktuell nicht – sperrte Mullenweg den Zugriff von WP Engine auf WordPress.org. Dass er mit dem Schritt auch viele Nutzer in die Bredouille bringt, ist ihm klar: Sie sollen den Support von WP Engine kontaktieren.

Die Reaktion der Anwender ist wenigstens zwiegespalten, denn weder WordPress und Mullenweg noch WP Engine stehen bei vielen aktuell als Sympathieträger da. Mehrere Nutzer sehen in der Auseinandersetzung einen klaren Erpressungsversuch und keinen Kampf eines Open-Source-Projekts gegen einen Konzern. Andererseits verweisen viele Anwender darauf, dass WP Engine keinerlei Anspruch auf den Zugriff auf WordPress.org habe – wie und wo die Entwickler den Quelltext zur Verfügung stellen, sei unabhängig vom Betreiben einer praktischen Plattform mit gesammelten Updates, Erweiterungen und mehr. Wenig überraschend gibt es erste Überlegungen eines Forks durch die Nutzer, auch wenn eine solche Unternehmung angesichts der Komplexität von WordPress wenigstens schwierig wäre.

(fo)