Ostsee: Verteidigungsministerium macht Russland für GPS-Probleme verantwortlich​

Für das Bundesverteidigungsministerium spricht viel dafür, dass Russland hinter den großflächigen Störungen von Navigationssatelliten im Ostseeraum steckt.​

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Viele Satelliten

(Bild: CG Alex/Shutterstock.com)

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Spätestens seit Dezember ist die Funktionsweise von Systemen für die Satellitennavigation wie GPS im östlichen Ostseegebiet häufig massiv eingeschränkt. Neben Schiffsreedereien beklagen vor allem Fluggesellschaften damit verknüpfte Probleme, Kurs zu halten. Betroffen sind insbesondere der Luftraum des nördlichen Polens und des Baltikums, teils sogar der Süden Schwedens und Dänemarks sowie auf der anderen Seite Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Das Bundesverteidigungsministerium hat wenig Zweifel, wer dahintersteckt. Ein Sprecher des Ressorts erklärte gegenüber t-online: "Die anhaltenden Störungen des globalen Navigationssatellitensystems sind mit hoher Wahrscheinlichkeit russischen Ursprungs und basieren auf Störungen im elektromagnetischen Spektrum, unter anderem mit Ursprung im Oblast Kaliningrad."

Dies deckt sich mit Erkenntnissen von Experten für Open Source Intelligence (Osint), die öffentlich zugängliche Informationen gezielt auswerten. Der pseudonyme Social-Media-Account Markus Jonsson legte sich Ende März endgültig fest: Die als "Baltic Jammer" bezeichnete Störanlage befinde sich in der russischen Exklave Kaliningrad (Königsberg). Man habe für die Untersuchung die Dichte der Radio- beziehungsweise Funkhorizonte des Störsenders berechnet anhand der ersten Positionen, an denen 11.496 Flugzeuge von Februar bis dato "die Navigation verloren haben". Die Quelle des Jammings befinde sich demnach zweifelsfrei in Kaliningrad, voraussichtlich an der Küste. Der Radiohorizont umfasst die Bereiche, in denen von einem Sender ausgehende Funkwellen genau tangential zur Erdoberfläche verlaufen und so direkt an Empfänger geschickt werden können.

"Markus Johnsson" hat dazu mehrere Datensets veröffentlicht, mit denen andere Forscher die Berechnungen und Ergebnisse nachvollziehen können sollen. Ralf Ziebold, Leiter der Abteilung Nautische Systeme am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bezeichnete die Methode gegenüber t-online als sinnvoll, auch wenn er die Validität der Daten noch nicht habe überprüfen können. Die Auswirkungen einschlägiger Störungen seien im Ernstfall gravierend, bei Flugzeugen vor allem bei der Landung und bei Schiffen bei schlechter Sicht. Sollte tatsächlich Russland involviert sein, müsste der "Baltic Jammer" große Ausmaße haben: "Um in einem größeren Gebiet GPS-Signale stören zu können, braucht es zum einen eine entsprechende Sendeleistung, dazu jedoch auch eine Antenne, die möglichst hoch ist." Denn mit der Höhe des Senders wächst auch dessen Radiohorizont.

Für die Streitkräfte seien solche Jammer ein weniger großes Problem als für die zivile Luft- und Seefahrt, hieß es dem Bericht nach im Verteidigungsministerium. Militärische Systeme würden sich ohnehin nicht nur auf zivile Navigationssysteme verlassen. Die Funktionsfähigkeit militärischer Strukturen bleibe erhalten. Der Bundesnetzagentur zufolge fallen Funkstörungen im Ausland "grundsätzlich" in den Zuständigkeitsbereich des Staates, in dem sich die Quelle befinde. Es gelte ein festgelegter Meldeweg: Über die Internationale Fernmeldeunion (ITU) werde das zuständige Land "zur Ergreifung von Maßnahmen aufgefordert".

Zur möglichen genauen Position der baltischen Störanlage haben Nutzer unter dem Beitrag von Johnsson Hinweise hinterlassen. Dazu findet sich ein Vermerk, dass das 142. russische Bataillon für elektronische Kampfführung (EloKa) seinen Sitz zwischen der Stadt Kaliningrad und dem Meer habe. Ein anderer Osint-Experte, Erik Kannike von der estnischen Softwarefirma SensusQ, verwies bereits im Januar darauf, dass es sich bei dem Jammer wohl um das geheimnisvolle russische EloKa-System Tobol handle. Russland soll damit etwa auch bereits experimentiert haben, um Starlink-Übertragungen in der Ukraine zu unterbrechen. Laut einem Bericht des Center for Technology & National Security des US-Forschungsinstituts Mitre von 2020 verfügte Russland schon damals allein bei den Bodentruppen über mehr als 30 verschiedene EloKa-Systeme, "um Drohnen, Radargeräte, GPS-Frequenzen, Mobilfunknetze und andere Befehls- und Kontroll- oder Kommunikationsgeräte anzugreifen".

(mki)