PC-und Video-Spielehersteller wollen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen

Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware hat im Rahmen eines "Runden Tisches" eine Plattform zur Stärkung des Jugendmedienschutzes ins Leben gerufen, um die Debatte über "Killerspiele" zu versachlichen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 42 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) hat im Rahmen eines "Runden Tisches der Verantwortung" eine Plattform zur Stärkung des Jugendmedienschutzes ins Leben gerufen, um die Debatte über "Killerspiele" zu versachlichen. Mit der "Initiative gesellschaftliche Verantwortung" will die Vereinigung von zwölf großen Spielherstellern "den Grundstein legen für eine große konzertierte Aktion zwischen Politik und Wirtschaft", erklärte BIU-Vorstandsspecher Thomas Zeitner nach dem Treffen am heutigen Montag. Das ganze Thema Computer- und Videospiele müsse differenzierter betrachtet werden, als im Rahmen der Diskussion um Verbotsmöglichkeiten für brutale Games. Mit im Boot sind Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Strafverfolgung sowie von Jugendschutzbehörden der Länder.

Konkret hat sich die Initiative vor allem die Steigerung der Medienkompetenz von Eltern, Pädagogen sowie weiteren erzieherisch verantwortlichen Personen vorgenommen. Darüber hinaus geht es um die Förderung der Bildungskompetenzen von Kindern und Jugendlichen durch Computer- und Videospiele, die Aufklärung über mögliche Risiken durch die falsche Nutzung virtueller Spiele und die Sensibilisierung zum sachgerechten Umgang mit ihnen. Weiter sollen für die Computer- und Videospiele-Industrie relevante Ausbildungsbereiche sowie wissenschaftliche Forschungsaktivitäten in diesem Bereich gestärkt werden.

Auch in der Erwachsenenwelt seien Computerspiele zwar bereits "angekommen", berichtete BIU-Geschäftsführer Olaf Wolters. Doch mit ihrem Einsatz etwa auch Lern- oder Bildungsmedien sowie Fragen des altersgerechten Spielens mache sich kaum noch jemand ernsthaft Gedanken. Einer solchen Debatte wolle man "mehr Impulse" verleihen. An die Politik richtete Wolters zugleich den Wunsch, mit Augenmaß an weitere Regulierungsschritte heranzugehen. Das "Sofortprogramm", das Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen im Februar gemeinsam mit ihrem nordrhein-westfälischen Amtskollegen Armin Laschet (beide CDU) als Reaktion auf den Amoklauf in Emsdetten im November vorgestellt haben, finde prinzipiell die Unterstützung seines Verbands. Dagegen müsse man sich mit Einzelvorschlägen aus dem konkreten Entwurf für eine erste Änderung des Jugendschutzgesetzes aus dem Bundesfamilienministerium noch im Detail befassen.

Mit dem Gesetzesentwurf soll vor allem der Katalog der schwer jugendgefährdenden PC-Spiele und weiterer "Trägermedien", die automatisch gesetzlich indiziert sind, um "Gewalt beherrschte" Varianten erweitert werden. Die dabei genannten Kriterien würden bisher bereits bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in Indizierungsverfahren angewendet, erläuterte Wolters. Sie nun aus der Einbettung in eine Gremienentscheidung heraus zu lösen und direkt ins Gesetz zu schreiben, sei "problematisch", schloss sich der BIU-Geschäftsführer der Kritik des IT-Branchenverbands Bitkom an der Passage an. Generell müsse es "verlässliche Kriterien" für ein automatisches Verbot von Spielen geben und es dürften nicht willkürlich einzelne Games herausselektiert werden.

Allgemein glaubt Wolters, dass der Jugendmedienschutz hierzulande schon "gut funktioniert". Gewalt verherrlichende Spiele etwa seien bereits eindeutig untersagt. Eine ausgeweitete strafrechtliche Regelung, wie sie vor allem Bayern im Bundesrat fordert, wäre ihm zufolge daher fatal. Diese könne zu einer "massiven Zensur" medialer Einzelinhalte führen, da kaum klar abzugrenzen sei, "was nun strafrechtlich betroffen ist". Der Medienforscher Winfred Kaminski tat den Vorstoß aus Bayern gar als "naiv" ab, da man damit "die eventuellen Folgen" brutaler Computerspiele nicht aus der Welt bekomme. Die Forschung habe inzwischen gezeigt, dass etwa beim Erfurter Amokläufer Robert Steinhäuser so genannte Gewaltspiele "nur am Rande mit wirksam waren für seine Pathologie". Daraus dürfe man kein "Schwarze-Peter-Modell" konstruieren.

Kaminski hat mit Kollegen mit Unterstützung aus der Industrie das Institut zur Förderung von Medienkompetenz "Spielraum" der Fachhochschule Köln ins Leben gerufen. Es hat sich dem Professor zufolge vorgenommen, "Kenntnisse des Spielens mit PC und Konsole auch bei den Gruppen zu verbreitern, die eine biographisch bedingte Ferne dazu haben. Man versuche, Ängste zu nehmen und den Mut zu entwickeln, das Daddeln ohne scheele Blicke auch "einmal selber zu versuchen". Für Kaminski ist dies wichtig, um nicht mehr oder weniger kollektiv das Potenzial von Computerspielen zu verschlafen. "Wer nur auf Technikfeindlichkeit abstellt, verstellt Wege in die Wissensgesellschaft", glaubt Kaminski. Wer künftig einen Job haben wolle und nicht über ein Basis-Know-how im Umgang mit Spielen als Türöffnern zur digitalen Welt verfüge, "der kann doch einpacken". Es handle sich dabei um eine Kulturtechnik wie Lesen und Schreiben, die "politisch nicht hoch genug geschätzt" werden könne.

Kerstin Griese, Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, begrüßte die Initiative. "Beim Jugendschutz muss immer wieder 'nachjustiert' werden, damit wir auf der Höhe der gesellschaftlichen Entwicklung bleiben", betonte die SPD-Politikerin die Linie ihrer Fraktion. "Sowohl die Werte unserer Gesellschaft als auch die sich verändernden technischen Möglichkeiten müssen ständig Gegenstand der Diskussion sein." Der BIU selbst versicherte, Verstöße etwa gegen die Alterskennzeichnungen bei Spielen im Handel "nicht als Kavaliersdelikt" zu sehen. Man plane, die Initiative organisatorisch etwa im Rahmen einer Stiftung zu verankern.

Siehe den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(Stefan Krempl) / (jk)