PRISM-Whistleblower bekennt sich
Hinter den Enthüllungen über die Daten-Sammlung der US-Geheimdienste bei Internet-Firmen steckt ein junger Mann, der sich öffentlich zu seiner Tat bekennt – und sich der Konsequenzen bewusst ist.
Ein 29-jähriger Techniker ist die Quelle der jüngsten Enthüllungen über die massive Daten-Sammlung des US-Geheimdiensts NSA bei US-Internet-Diensten. Er trat am Sonntagabend mit einem Interview in britischen Zeitung Guardian aus eigenem Wunsch aus dem Schatten. Der junge Mann namens Edward Snowden war nach eigenen Angaben die vergangenen vier Jahre als Mitarbeiter externer Unternehmen für den US-Geheimdienst NSA tätig. "Sie haben keine Ahnung, was alles möglich ist", sagte er über die Spionage-Möglichkeiten der US-Amerikaner.
Nach den von Snowden enthüllten Dokumenten sammelt die NSA in großem Stil Daten bei Internet-Diensten wie Google, Facebook, Microsoft, Apple und Yahoo. "Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die so etwas macht", sagte Snowden. "Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles was ich mache und sage aufgenommen wird." Seine größte Befürchtung sei, dass sich nichts ändern werde.
Die US-Regierung hatte erst wenige Stunden zuvor die Informationen über eine ausufernde Sammlung von Daten im Internet durch ein System mit dem Namen PRISM zurückgewiesen. "PRISM ist kein geheimes Programm zum Sammeln oder Aufsaugen von Daten", erklärte US-Geheimdienstkoordinator James Clapper am Samstag. "Es ist ein internes Computersystem der Regierung." Es diene dazu, das gesetzlich erlaubte Sammeln elektronischer Informationen bei der Auslandsaufklärung zu unterstützen.
Snowden beschrieb im Guardian dagegen sogar noch eine größere Dimension der Datensammlung als die von ihm enthüllten Dokumente andeuten: "Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaubt, fast alles abzufangen." Damit werde der Großteil der menschlichen Kommunikation automatisch aufgesaugt. "Wenn ich in ihre E-Mails oder in das Telefon ihrer Frau hineinsehen wollte, müsste ich nur die abgefangenen Daten aufrufen. Ich kann ihre E-Mails, Passwörter, Gesprächsdaten, Kreditkarteninformationen bekommen."
Snowden war am 20. Mai 2013 mit den Dokumenten nach Hongkong geflohen und sprach dort mit dem Guardian. Er ist sich über die Konsequenzen seines Handelns bewusst. "Nichts Gutes", lautete seine Antwort auf die Frage, was mit ihm weiter passieren werde. Er gehe davon aus, dass er nie wieder mit seiner Familie oder seinen Freunden Kontakt aufnehmen könne. Seine Hoffnung sei, dass ihn Hongkong nicht ausliefern werde, auch wenn ihm das Risiko einer Gefängnisstrafe von Anfang an klar gewesen sei. "Ich glaube nicht, dass ich mein Zuhause jemals wiedersehen werde."
Hongkong habe er sich als Ziel ausgesucht, weil sich die Sonderwirtschaftszone dem Recht auf freie Rede und auf politische Abweichung verpflichtet habe. Die Regierung Hongkongs sei unabhängig von China, sagte Snowden. Die USA werde möglicherweise einen Auslieferungsantrag stellen oder die chinesische Regierung könne ihn als wichtige Informationsquelle betrachten. Auch könne er entführt und in die USA gebracht werden, lauten die Befürchtungen laut Guardian.
Snowden agierte demnach auch bei der CIA, als Mitarbeiter mehrerer externer Unternehmen wie die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton und der PC-Hersteller Dell. Er beschreibt sein bisheriges Leben als angenehm mit einem Jahresgehalt von 200.000 US-Dollar, einem sicheren Job und ein Zuhause in Hawaii, in dem er mit seiner Freundin gelebt habe. Er wolle dies opfern, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, dass die US-Regierung die Privatsphäre, die Freiheit des Internets und grundlegende Freiheiten weltweit mit seinem Überwachungsapparat zerstöre.
Der Guardian berichtete am Wochenende auch von einem System der NSA, das einen Überblick über die weltweit gesammelten elektronischen Informationen gebe. Es heiße "Boundless Informant" (etwa: grenzenloser Informant) und zeige unter anderem an, wie sich die Daten auf einzelne Länder verteilen. Allein im März habe die NSA laut dem System 97 Milliarden Daten-Einheiten aus Computer-Netzwerken in aller Welt gesammelt. Davon entfielen 14 Milliarden auf den Iran und 13,5 Milliarden auf Pakistan, wie der Guardian berichtete. (mit Material der dpa) / (anw)