Patientenakte im Computer

Mit moderner Kommunikationstechnik lassen sich im Gesundheitswesen Kosten sparen und die Versorgung der Patienten verbessern. Noch aber stecken die Systeme in den Kinderschuhen.

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Von
  • Miriam Tang
  • dpa

Moderne Kommunikationstechnik könnte bald auch im Krankenhaus die papiernen Patientenakten ablösen. Die Vorteile liegen Experten zufolge auf der Hand: Viele unnötige Doppeluntersuchungen fallen weg, der Arzt erkennt leichter unverträgliche Medikamente. Der Patient muss seine Leidensgeschichte nicht zum x-ten Mal erzählen, und beide können sich auf den Fortgang der Behandlung konzentrieren. Zahlreiche Projekte, die unter dem Stichwort "e-Health" laufen, haben bereits Einzug in Krankenhäuser gehalten.

"Ein großes Problem im Bereich der Gesundheitsversorgung ist und bleibt das Management der Patientendaten", sagt Manfred Beeres vom Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) in Berlin. Der Trend sei aber klar: "Ärzte müssen künftig sehr viel stärker elektronisch miteinander kommunizieren", so der Experte. Eine wichtige Rolle soll dabei die so genannte elektronische Patientenakte spielen. Erste Schritte sind getan: Die Beteiligten im Gesundheitswesen einigten sich Anfang Mai auf eine "Gemeinsame Erklärung des Bundesministeriums für Gesundheit und der Spitzenorganisationen zum Einsatz von Telematik im Gesundheitswesen".

Ziel ist es, eine neue Telematik-Infrastruktur einzuführen. "Kernprojekt ist die Weiterentwicklung der Krankenversichertenkarte", sagt Beeres. So könne eine elektronische Patientenakte zum Beispiel dem Notfallarzt einen datengeschützten Zugriff auf personenbezogene Gesundheitsinformationen wie die persönliche Identifikation des Patienten und die bisher verordneten Medikamente geben.

Realität im Klinikalltag ist die elektronische Patientenakte bereits in der Klinik Münsterland der LVA Westfalen in Bad Rothenfelde. "Ursprünglich ging es um eine optimierte Erstellung des Entlassungsbriefes", sagt Oberärztin Marion Kalwa. Anstatt Daten doppelt zu erfassen, fließen sie in der Klinik Münsterland jetzt direkt in die elektronische Patientenakte. Dazu gehören unter anderem Visitenverläufe, Therapiepläne, Bescheinigungen, Rezepte und Fotos bis zum abschließenden Entlassungsbericht.

Auch der Schutz der teilweise sensiblen Informationen ist nach Auskunft Kalwas in dem e-Health-Projekt geregelt: Der Zugriff auf die Daten sei durch ein spezielles, im Haus definiertes Rechtesystem reguliert. "Darin steht, wer was mit welchen Daten machen kann - ob Lesen, Schreiben oder Löschen", sagt Kalwa. Dadurch werde ein sehr viel spezifischerer Datenschutz gewährleistet als mit der herkömmlichen Papierakte, da das System jeden Dokumententyp wie Aufnahmebefund, Laborwerte oder psychologischen Bericht gesondert beschränken könne.

Ein anderes Projekt ist die "papierlose Intensivstation" an der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Universität hat 15 Intensivplätze in der Herzchirurgie, Herz- und Lungentransplantation vernetzt. Ein System erfasst alle elektronischen Daten der Medizinapparate wie Beatmungsgeräte, Spritzen- und Infusionspumpen. Hinzu kommen Informationen von Ärzten und Pflegern. "Vorteile des Systems sind die Zeitersparnis durch den Wegfall der Papierdokumentation", erläutert Beeres. Die Klinik könne darüber hinaus die Qualität der Behandlung steigern, da alle Daten detailliert und strukturiert vorlägen.

Bis Projekte wie die elektronische Patientenakte jedoch im Alltag der Menschen ankommen, sind nach Beeres Einschätzung noch zahlreiche Hausaufgaben zu erledigen: "Da ist zunächst die gigantische Aufgabe, alle Beteiligten zu vernetzen." Dazu gehören Krankenkassen, Ärzte, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenhäuser, Apotheker, Informationsdienste und Call Center. Auch billig wird es nicht. Beeres verweist auf Schätzungen des Verbands der Angestellten-Krankenkassen in Siegburg und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in Berlin. Demnach belaufen sich die Investitionskosten für eine vollständige Vernetzung des Gesundheitssystems auf 450 Millionen Euro für die elektronische Patientenakte.

Zu den Hausaufgaben gehört auch der Datenschutz. Experten sprechen sich für ein geschlossenes Netz für das Gesundheitswesen aus. So plädiert Uwe Meyer-Vogelgesang von der Apotheker- und Ärztebank in Düsseldorf für eine einheitliche Sicherheits-Infrastruktur im Gesundheitswesen mit einer so genannten "fortgeschrittenen elektronischen Signatur". Sie benutzt einen Signaturschlüssel und einen vereinfachten Registrierungsprozess. Nach Aussage von Meyer-Vogelgesang sind bereits 23 000 Ärzte und Apotheker in Deutschland an ein sicheres Intranet angeschlossen.

Viele der e-Health-Projekte sind jedoch noch Zukunftsmusik. Laut einer Umfrage des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden in Wiesloch unter 122 Krankenhäusern besitzen nur zwei Prozent der Häuser eine elektronische Patientenakte. Das Gleiche gilt bei der Datenregistrierung während der Visite: In lediglich zwei Prozent der befragten Kliniken können Ärzte am Fuße des Patientenbettes auf die Patienten-Daten zurückgreifen. (Miriam Tang, dpa) / (uma)