Peter Altmaiers Mann beim BND: der Nachrichtendienst vor der großen Neuformierung

Der Auslandsnachrichtendienst BND steht "vor der größten Umstrukturierung seiner Geschichte". Und er soll technisch wie personell aufgerüstet werden. Das passt ins Gesamtbild der IT- und Sicherheitsstrategie der Bundesregierung, analysiert Falk Steiner.

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Peter Altmaiers Mann beim BND: der Nachrichtendienst vor der großen Neuformierung
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Vorgestern Abend platzte die Nachricht in die Öffentlichkeit, gestern dann herrschte schlussendlich Klarheit: Kanzleramtschef Peter Altmaier versetzt den BND-Chef Gerhard Schindler in den einstweiligen Ruhestand, zwei Jahre vor Ablauf von dessen Dienstzeit. Und Bruno Kahl, langjähriger Adlatus des heutigen Finanzministers Wolfgang Schäuble und mit Altmaier seit fünfzehn Jahren bekannt, wird sein Nachfolger.

Alle waren überrascht: Warum muss Schindler jetzt gehen? Immerhin ist die sogenannte Selektorenaffäre, die vor einem Jahr mit einer kurzen und knappen Presseerklärung des Kanzleramtes begann, vor allem im vergangenen Jahr immer weiter fortgeschritten. Die Abteilung Technische Aufklärung des BND und dessen Außenstellen hatten teilweise unzulässige und auch vom Auftragsprofil der Bundesregierung nicht gedeckte Zielbeschreibungen wie E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder Skype-Nutzernamen eingesetzt – teils von der NSA kommend, teils aber auch eigene.

Eine Analyse von Falk Steiner

Falk Steiner ist Journalist in Berlin. Er ist als Autor für heise online, Tageszeitungen, Fachnewsletter sowie Magazine tätig und berichtet unter anderem über die Digitalpolitik im Bund und der EU.

Das Fehlverhalten war also bei weitem nicht nur durch die insgesamt wohl 12.500 Kooperationen mit NSA, GCHQ, DGSE und anderen Nachrichtendiensten weltweit entstanden. Aber: Es begann auch schon lange vor Schindlers Amtszeit – und Schindler zeigte sich in den vergangenen Monaten durchaus schuldbewusst und grundsätzlich reformwillig. Lag es nur daran, dass Altmaier in den vergangenen Monaten vor allem mit dem Flüchtlingsthema beschäftigt war?

"Der Bundesnachrichtendienst steht vor der größten Umstrukturierung seiner Geschichte" sagte Peter Altmaier zur Vorstellung des künftigen BND-Chefs. Offenbar hat der stets etwas gemütlich wirkende Saarländer Altmaier noch wesentlich mehr vor mit dem deutschen Auslandsnachrichtendienst. Was genau das sein soll, das ist noch nicht bekannt – aber klar ist: Auch über das Ertüchtigungsprojekt "Strategische Initiative Technik" hinaus soll technisch wie personell wesentlich aufgestockt werden.

Ob Bruno Kahl dafür der richtige Mann ist, lässt sich derzeit kaum abschätzen. Erfahrungen in oder mit Nachrichtendiensten hat er kaum – aber das ist auch nicht das, was Altmaier mit dem Führungswechsel im Sinn hat. Dann hätte er auch in seinem direkten Umfeld, in der Abteilung 6 des Kanzleramtes, suchen können.

Altmaier aber will diesen BND grundlegend reformieren, ihm mehr Kompetenzen und Mittel geben, ihn zugleich aber auch kontrollierbar machen – zumindest für das Kanzleramt. Auch dafür braucht Altmaier jemanden, dem er vertraut – ganz offensichtlich ist das bei Kahl mehr der Fall, als er das zuletzt bei Schindler war. Doch damit allein bliebe der Wechsel nicht erklärbar.

Die Neubesetzung passt besser ins Bild, wenn man auf die Bundesregierung und ihren Kurs in der IT- und Sicherheitspolitik insgesamt schaut. Die durchaus umstrittene Neubesetzung an der Spitze des BSI mit Arne Schönbohm, der ebenfalls nicht ganz unumstritten berufene neue Bundes-CIO-Staatssekretär im Innenministerium Klaus Vitt, der seinerseits laut dem Verteidigungsministerium bei dessen Aufbau und Umbau in Richtung mehr und strukturierterer "Cyberinformationsraum"-Kompetenz ein freundlicher Kooperationspartner ist: All das spricht dafür, dass die Bundesregierung gerade – vielleicht nicht immer planvoll – zumindest zielstrebig die Verknüpfung von Sicherheit und Digitalfähigkeiten und dabei einen massiven Ausbau dieser Fähigkeiten vorantreibt. Und das alles unter der Führung von Gewährsleuten.

Nur so lässt sich die Altmaiers Wahl von Kahl, der selbst nicht mit größeren IT-Kompetenzen in seinem Karriereweg auffällt, für die BND-Spitze konsequent erklären: Was auch immer Altmaier vorhat, er ist dabei an der Spitze des Dienstes auf einen loyalen Strippenzieher im Konzert der Bundesregierung angewiesen. Sei es aus taktischen Erwägungen, um einer Entmachtung des BND und damit der einzigen relevanten Behörde im Direktzugriff des Kanzleramtes vorzubeugen oder um grundsätzlich koordiniert vorgehen zu können. Der künftige BND-Präsident Kahl hat mit Altmaier im Kanzleramt und dem Finanzminister am Ende beste Kontakte für diese Aufgaben: zu denen, die politisch entscheiden, und zu denen, die solche Entscheidungen möglich machen.

Doch eines könnte dabei ein Problem werden: Altmaier selbst und sein Umgang mit anderen, zum Beispiel dem Parlament. Nicht nur die überraschende Entscheidung für Kahl und gegen Schindler fällte er wohl – was er darf – im Alleingang. Doch mit Stil, Form und Zeitpunkt hat er die zuständigen Parlamentarier nicht nur kalt erwischt, sondern auch ziemlich verschnupft zurückgelassen.

Nach den Krisen beim BND hätte Altmaier ein Zeichen setzen können und zum Beispiel zur Vorstellung des "Neuen" wenigstens auch den Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums einladen können. Der hätte Kahl auch gleich erläutern können, warum es der deutschen Politik so wichtig ist, dass der Bundesnachrichtendienst ein Nachrichtendienst und kein Geheimdienst ist. Denn einen solchen Umbau strebt auch Peter Altmaier bisher nicht an.

Der eher unscheinbare Bruno Kahl wird sich ab dem 1. Juli umgewöhnen müssen. Nicht nur die Mitarbeiter in Pullach, Berlin und anderswo auf der Welt werden ihn sich genau anschauen. Nein, auch das Parlament und die Öffentlichkeit werden peinlich genau darauf achten, was der Neue im Amt des BND-Präsidenten will, was er sagt und auch wie er es sagt. Denn eines konnte man Gerhard Schindler nicht vorwerfen: Den guten Willen gehabt zu haben, dem BND zumindest etwas mehr Sichtbarkeit zu geben. Wenn Kahl dann tatsächlich mit dem Großteil des Dienstes vom Isartal an die Berliner Chausseestraße zieht, werden weder er noch seine Mitarbeiter sich dort wirklich vor Parlament und Öffentlichkeit verstecken können – Staatswohl und Geheimnisschutz hin oder her. (jk)