Philipp Rösler: Neuer Anlauf zur "Netzneutralität"
Das Wirtschaftsministerium hat einen neuen Verordnungsentwurf zur Sicherung des offenen Internets erstellt, der klar zwischen dem traditionellen Netz sowie gesonderten Diensten unterscheidet. Damit ebnet er Überholspuren den Weg.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat nach dem Scheitern des ersten Versuchs einen neuen Verordnungsentwurf zur "Gewährleistung der Netzneutralität" erstellt. Die heise online vorliegende Initiative unterscheidet klar zwischen dem traditionellen, "offenen" Internet, in dem Datenpakete gemäß dem "Best Effort"-Prinzip "grundsätzlich gleich behandelt werden" sowie davon "logisch getrennten Netzen" mit separaten Angeboten ("Managed Services").
Den Plänen zahlreicher Telekommunikationsfirmen zum Aufbau von Überholspuren im Internet möchte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) so keine Steine mehr in den Weg legen. Das von Bürgerrechtlern, Verbraucherschützern und Landesmedienanstalten strikt abgelehnte Zwei-Klassen-Netz wird eindeutig vorgezeichnet. Der Entwurf schreibt aber auch vor, dass unterschiedliche "Transportklassen" im offenen Internet und in gesonderten Diensten "die Fortentwicklung des Best-Effort-Internets nicht behindern dürfen".
Betreiber werden zudem generell verpflichtet, "eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung zu gewährleisten". Eine "willkürliche Verschlechterung von Diensten oder die ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Telekommunikationsnetzen" soll unzulässig sein. Provider dürfen demnach in den Restbeständen des offenen Internets eigene Inhalte und Anwendungen nicht zu günstigeren Bedingungen oder mit einer besseren Qualität zugänglich machen. Es wird ihnen auch untersagt, Vereinbarungen mit Inhalteanbietern abzuschließen, um Endnutzern einen bevorzugten Zugang zu bestimmtem Content und Anwendungen zu ermöglichen.
Diese Auflagen gelten nicht für Anbieter von Managed Services gegen gesondertes Entgelt. Denn eine "inhaltsneutrale, an technischen Erfordernissen orientierte Transportklassifizierung" wird nicht als "willkürliche Verschlechterung von Diensten" gewertet, "solange dem Endnutzer Wahlmöglichkeiten erhalten bleiben". Ausnahmen sind auch für Inhalte und Anwendungen vorgesehen, "zu denen der Zugang aufgrund von Rechtsvorschriften zu gewährleisten ist oder die im öffentlichen Interesse liegen". Dies trifft etwa zu im Bereich der inneren Sicherheit, der Verteidigung oder beim Verbraucherschutz.
Nach wie vor positioniert sich das Ministerium mit leicht geänderten Formulierungen gegen den "Routerzwang", den einzelne Zugangsanbieter ihren Kunden mit dem Segen des Regulierers bereits auferlegen. So dürften Betreiber das Gebot der Netzneutralität nicht dadurch beeinträchtigen, dass sie den Netzzugang "nur über eine von ihnen bestimmte Telekommunikationsendeinrichtung" erlauben. Der "Netzabschlusspunkt" müsse über ein vom Benutzer frei wählbares entsprechendes Gerät physisch zugänglich sein.
Der erste Anlauf Röslers hatte in großen Teilen der Wirtschaft einen Proteststurm ausgelöst. Die Branchenverbände Bitkom und VATM kritisierten einen "massiven Eingriff in den Wettbewerb". Auch die Deutsche Telekom hatte sich hinter den Kulissen quergestellt. Dabei wies auch der erste Entwurf schon große Schlupflöcher auf. Befürworter der Netzneutralität, die die ursprünglichen Pläne schon als zu schwammig empfunden hatten dürfte die neue Linie endgültig enttäuschen, zumal aus Brüssel keine anderen Signale zu erwarten sind.
Das überarbeitete Papier befindet sich derzeit in der Abstimmung mit den anderen Ressorts und Verbänden. Ein Beschluss des Bundeskabinetts ist vor den Neuwahlen im September aus Zeitgründen nicht mehr vorgesehen. (mho)