Plötzliches Geständnis: Kärntner Krypto-Token war von Anfang an Betrug

"We are very transparent", versprach EXW. Eine Kryptowährung und Trading-Bots sollten Anleger reich machen. Das Geld haben nun andere.​

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Brennende Banknoten

(Bild: photoschmidt/Shutterstock.com)

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Plötzlich bekennt sich der Hauptangeklagte vor dem Landesgericht Klagenfurt schuldig: Ja, das Exchange Wallet (EXW) sei von Anfang an als Betrug geplant gewesen. EXW sollte durch Krypto-Tokens samt Smart Contract und Trading-Bots Anleger reich machen; tatsächlich war es ein Pyramidenspiel, dessen Einnahmen die Profiteure verprasst haben dürften. Soweit bekannt gibt es rund 40,000 Opfer, die um 17,6 Millionen Euro betrogen wurden. Laut Zeugenaussage der Ex-Freundin des Hauptangeklagten ist der Schaden weitaus höher, 80 bis 120 Millionen Euro.

"EXW ist eine Wallet und eine Börse für Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum. Man kann den EXW Token kaufen und wenn man diesen haltet, bekommt man dafür einen täglichen Bonus", stand einst auf der EXW-Webseite zu lesen. EXW sei "die Antwort auf wachsende Probleme in der Finanzwelt wie auch auf Globalisierung und internationalen Zahlungsverkehr" und das "größte Community-Projekt der kommenden Jahre im Bereich Digitalisierung, Market Building, Market Making, Zahlungsabwicklung, inklusive Bonus-Ausschüttungen."

Das Marketing lief offenbar gut. Zumindest zwei der Betreiber hatten bereits Erfahrung mit Gründung einer Kryptowährung: Die Socratescoin sollte "the coin of Knowledge" sein und als Zahlungsmethode bei der NAUKA The United World University dienen. Für Uneingeweihte: Die Nauka World ist "the virtual reality-enabled global education platform". Leider sollte der Slogan "Standing in the future you could say if only i had know" keine dauerhafte Zugkraft entfalten; die Socratescoin ist heute weitgehend wertbefreit.

Bei EXW versprachen die Gründer nicht Zugang zu Wissensschätzen, sondern zu finanziellem Reichtum. Einlagen (ab 300 Euro) sollten 0,1 bis 0,32 Prozent Rendite bringen. Täglich. Das entspricht mehr als einer Verdreifachung binnen Jahresfrist. Es gab einen EXW-Token, basierend auf einem ERC20 Smart Contract auf der Ethereum-Blockchain. Gehandelt wurde der Token nur über die hauseigene "Vivaexchange". Die Rendite sollte durch Einnahmen aus Handelsgebühren sowie Trading-Bots erwirtschaftet werden.

Tatsächlich floss das Geld in die Taschen der Betreiber. Der EXW-Vertrieb erfolgte durch klassisches Multi-Level-Marketing. Wer neue Geldgeber anwarb, stieg auf in der Pyramide. Zehn Ebenen gab es, auf der obersten winkten 50% Zuschlag auf die angeblichen Renditen. Sie wurden noch Monate nach dem Stopp wirklicher Auszahlungen "gutgeschrieben".

Schon 2019 alarmierte ein Whistleblower die österreichische Finanzmarktaufsicht, die Ende 2019 eine Investorenwarnung veröffentlichte. Die Vivaexchange hatte offenbar eine estnische Lizenz, aber keine österreichische. Sie durfte daher in Österreich weder Zahlungsinstrumente ausgeben noch Zahlungsvorgänge abwickeln. Es folgten vergleichbare Warnungen der Behörden in Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz.

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Die Betreiber machten sich rar in Österreich. Sie bevorzugten das Klima in fernen Gefilden wie Bali, Brasilien, Dubai oder Thailand. Seit September läuft der Schöffenprozess in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt gegen acht Angeklagte. "Gewerbsmäßig schwerer Betrug, Geldwäscherei, Ketten oder Pyramidenspiel, kriminelle Vereinigung", steht dazu im Terminkalender des Gerichts. Die Staatsanwaltschaft führt noch mehr als ein Dutzend weitere Personen als Beschuldigte, Fahndungen laufen.

Zunächst leugnete der Hauptangeklagte. Dann gab er an, mittellos zu sein und sich seinen Anwalt nicht mehr leisten zu können, also erhielt er einen Pflichtverteidiger. Mitte November belastete die Ex-Freundin des Hauptangeklagten diesen schwer. Er habe ein Luxusleben geführt, finanziert aus den Einzahlungen der Opfer, verschleiert durch Kryptomixer. Der Mann habe "so schnell wie möglich reich werden" wollen.

Das Betrugskonzept habe ihr damaliger Freund in vier Wochen entwickelt, gemeinsam mit Mittätern. Später, in Thailand, habe er außerdem ein weiteres EXW-Projekt begonnen, bei dem es um Immobilien in Asien gehen sollte. Mehr als ein Prospekt habe aber nicht existiert.

Nach der Zeugenaussage der Frau, mit der er ein Kind hat, legte der Hauptangeklagte ein Teilgeständnis ab. Nein, ein Betrug sei nicht geplant gewesen, aber irgendwann sei klar geworden, dass die Rechnung nicht aufgehen werde. Gewusst hätten das nur er und drei Mitwisser, nicht aber die übrigen Beschuldigten. Seiner Ex-Freundin unterstellte er vor Gericht, mehr Einblicke zu behaupten, als sie tatsächlich gehabt hätte. Überhaupt habe sie sich selbst unredlich bereichern wollen.

Während des laufenden Verfahrens stellte sich ein weiterer Angeklagter auf Bali, um dann Ende November in Klagenfurt ein Geständnis abzulegen: Dabei stritt er allerdings ebenfalls ab, in Betrugsabsicht gehandelt zu haben. Sein Verteidiger stellt ihn als bildungsfernen Burschen dar.

Mittwochvormittag versuchte der Hauptangeklagte vor Gericht, sein Geständnis vom November zu reduzieren, berichtet ORF Kärnten. Der Klagenfurter versuchte demnach, die Verantwortung auf zwei noch Flüchtige abzuschieben. Der Schaden sei außerdem maximal sieben Millionen Euro hoch.

Doch kurz vor der Mittagspause bricht die Fassade: Es dauere alles schon zu lange, er müsse nun einen Schlussstrich ziehen. "Schuldig im Sinne der Anklage", die angeblichen Renditen seien erfunden gewesen. Er habe sich bereichern wollen, gibt der 26-Jährige zu, EXW sei von Anfang an Abzocke gewesen. Das habe aber er alleine gewusst, die Mitangeklagten nicht.

Am Donnerstag soll er weiter aussagen. Der unerwartet geständige Betrüger bittet um ein schnelles, mildes Urteil. Er möchte nicht länger in Untersuchungshaft sitzen und hofft auf überwachten Hausarrest.

Während des EXW-Gerichtsprozesses ist ebenfalls in Klagenfurt die My First Plant GmbH in Konkurs gegangen. Ihr Geschäftsführer war Prokurist einer EXW-Gesellschaft und ist ebenfalls angeklagt. Die My First Plant GmbH lockte Anleger via Multi-Level-Marketing mit der Aussicht auf Rendite durch Anbau von Cannabispflanzen und daraus folgend Handel mit Cannabisprodukten. Auch dieses Geld dürften die Investoren höchstens zum Teil wiedersehen. Gläubiger haben bis 19. Dezember Gelegenheit, ihre Forderungen anzumelden. Im Mai hat die Landespolizeidirektion Kärnten Ermittlungen bestätigt.

Zwei weitere EXW-Angeklagte waren bis Juli Gesellschafter der Pflanzenfirma. Deren Geschäftsführer hat bereits 2018 gemeinsam mit einem EXW-Gründer und weiteren Personen die Firma Avintex gegründet. Sie trat an, mit Kryptomining Geld zu machen; Investoren sollten nicht Cannabispflanzen, sondern Grafikkarten für Kryptomining finanzieren, an deren Erlös sie dann beteiligt würden. Wiederum mit Bonusstufen für weitere angeworbene Geldgeber. Avintex wurde im Februar liquidiert.

Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung, soweit sie nicht geständig sind.

(ds)