Pokémon Go: Jagdsucht soll auch Indien und Brasilien erfassen

Das Smartphone-Spiel heizt die Sammelsucht auch in Ländern an, in denen Nintendo-Konsolen bislang zu teuer waren. Die horrenden In-App-Käufe können unachtsame Spieler jedoch in den Ruin treiben. Besonders Kinder sind gefährdet.

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Pokémon Go: Jagdsucht soll auch Indien und Brasilien erobern
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Mitte vergangener Woche haben Nintendo und Niantic das kostenlose Smartphone-Spiel Pokémon Go in den USA, Australien und Neuseeland gestartet. Der große Andrang hat dort zeitweise die angemieteten Server so überlastet, dass die Hersteller den geplanten Start für Europa auf unbestimmte Zeit verschoben haben.

Wegen überlasteter Server sehen Spieler in den USA häufig diesen Bildschirm.

(Bild: Niantic/Nintendo)

Analysten von Think Gaming schätzen, dass der Titel derzeit allein in den USA knapp 170.000 neue Spieler pro Tag anzieht. Das an sich kostenlose Spiel finanziert sich über Ingame-Käufe, deren Pakete mit sogenannten "Pokémünzen" bis zu 100 US-Dollar kosten. Laut Think Gaming würden Niantic und Nintendo mit dem Spiel derzeit etwa 1,6 Millionen US-Dollar pro Tag umsetzen. Damit ist sie derzeit mit weitem Abstand die umsatzstärkste App und nimmt etwa zehn mal so viel ein wie die nachfolgende zweitplatzierte Software.

Diese Zahlen lassen die Spekulanten an den Börsen träumen: Der Kurs der Nintendo-Aktie legte am Montag zeitweise um über 40 Prozent zu. Offenbar haben Sie in die Pokémon-Marke mehr Vertrauen als in Nintendos erstes Smartphone-Spiel Miitomo, das nach einem ähnlich großen anfänglichen Strohfeuer schnell wieder in die Bedeutungslosigkeit absakte. Nintendo hatte den Spielern einfach nicht genügend Inhalte zu bieten, für die sie tiefer in die Tasche greifen würden.

Nintendo und Niantic wollen diese Vibrationsarmbänder für 40 Euro verkaufen.

(Bild: Nintendo)

Aber die Macher der inzwischen 20 Jahre alten Pokémon-Serie wissen, wie sie Fans langfristig an sich binden. So bringen sie nahezu im Jahrestakt neue Spielversionen für Nintendos mobile Spielkonsolen auf den Markt, meist sogar in zwei Ausführungen. Zwar gab es auch Pokémon-Spiele für Nintendos TV-Konsolen, deren Erfolg blieb jedoch hinter dem der mobilen Versionen weit zurück. Weiteres Geld könnten nun Bluetooth-Armbänder generieren, die vibrieren, wenn ein Pokémon in der Nähe ist, sodass Spieler nicht ständig die Umgebung mit ihrem Smartphone absuchen müssen.

Den großen Run erwartet John Hanke, Chef von Niantic, jedoch erst, wenn Pokémon Go in Schwellenländern wie Indien oder Brasilien veröffentlicht wird, in denen Nintendo bislang keine Konsolen verkauft hat. Dort sei der Nachholbedarf besonders groß, denn Kinder und Jugendliche kennen die Monster dort nur aus Fernseh-Serien. Dank Mikro-Payment könne man dort mit Spielern Geld verdienen, für die Nintendo-Konsolen und Module zu teuer waren.

Der Traum der Spekulanten und Börsianer ist jedoch auch ein Albtraum für Eltern und Jugendschützer: Zwar musste man bislang für eine 3DS und ein Pokémon-Spiel zunächst tief in die Tasche greifen, es entstanden jedoch keine Folgekosten. Nach dem jetzt hochkochenden Hype für Pokémon Go wird es aber in Kürze mit Sicherheit auch Klagen von Eltern geben, deren Kinder Hunderte von Euro für Pokémünzen ausgegeben haben – dazu reichen im schlimmsten Fall zwei unbedarfte Clicks.

Ähnliche Klagen hatten Apple in der Vergangenheit dazu gebracht, in den Systemeinstellungen von iOS eine Funktion einzubauen, die In-App-Käufe deaktivieren und per Passwort schützen kann. Unter Googles Android ist dies jedoch nicht ohne weiteres möglich. Vor zwei Jahren verklagte die US-Regierung Amazon, weil sie keine adäquaten Schutzfunktionen für In-App-Käufe in ihre Kindle-Geräte eingebaut hatten. Es gibt allerdings Spezialprogramme, mit denen sich Android-Geräte kindersicher machen lassen. c't beleuchtet sie in der aktuellen Ausgabe 15/16.

(hag)