Popkomm: Alle Regler auf Null

Die Popkomm legt nach dem Umzug von Köln nach Berlin Wert auf "Professionalität", "Zukunftsmärkte" und "Internationalität".

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Übermorgen beginnt die Musikmesse Popkomm, die dieses Jahr zum ersten Mal in Berlin stattfindet. Der Standortwechsel von Köln in die deutsche Hauptstadt sei ein "Zeichen für Veränderung", denn "ständiger Wandel bestimmt seit jeher die Musik- und Entertainment-Industrie", verbrämen die Veranstalter ihre Ankündigung. Die Messe konzentriere sich mehr denn je auf "Zukunftsmärkte". Deshalb würden erstmals Sparten wie Mobile Entertainment, Consumer Electronics, Games, TV, Mode, "Markenartikler" und Werbung auf der Popkomm vertreten sein. Mit der Terminverschiebung in den September -- im vergangenen Jahr fand die Musikmesse im August statt -- sollen Firmen aus dem südeuropäischen Raum stärker eingebunden werden. Auch soll sich die Osterweiterung der EU auf der Popkomm widerspiegeln.

Alle Regler also auf Null? Zum angekündigten Neustart passen jedenfalls einige Meldungen der vergangenen Tage und Wochen, zum Beispiel die, dass sich etwa 630 Aussteller aus 40 Ländern angemeldet haben, nachdem sich die Popkomm in den vergangenen Jahren zu einer "Messe ohne Heimat für eine Branche ohne Zukunft" entwickelt hatte. Zudem setzt die Popkomm auf Fachpublikum, indem die Hallen am Messedamm sowie der parallel stattfindende Kongress drei Tage lang ausschließlich für "Entscheider und Ideengeber aus aller Welt" geöffnet sein werden. Doch auch das "gewöhnliche Publikum" soll etwas vom Messerummel haben. Angekündigt sind Konzerte von 1200 Musikern an 30 Orten. Darunter seien Musiker wie Die Fantastischen Vier, The Hidden Cameras und Ice-T.

Eddy Cue, Vice President Applications bei Apple, wird eine der Keynotes halten, was als Würdigung des steigenden Stellenwerts online verkaufter digitaler Musik zu werten sein mag. Die deutsche Musikindustrie dagegen nimmt Abschied vom bisher erfolglosen Projekt Phonoline. Die zur CeBIT gestartete Vertriebsplattform, die Webanbieter als Basis für eigene Online-Musikshops nutzen können sollten, wird für einen Neuanfang aufgegeben, bestätigten die deutschen Phonoverbände mittlerweile auch offiziell. Das Prestigeprojekt der Plattenbranche soll aller Voraussicht nach in den Download-Dienst Musicload der Telekom-Tochter T-Online integriert werden. Die endgültige Entscheidung über Phonoline könnte bereits auf der Popkomm fallen.

Rechtzeitig zur Popkomm veröffentlichte die deutsche Musikindustrie erstmals eine Hitparade der online verkauften Musiktitel. Seit dem 27. August berücksichtigen die offiziellen deutschen Top-100-Single-Charts von Media Control auch die Verkäufe der kommerziellen Musikportale. Mit den nun ebenfalls veröffentlichten reinen Download-Charts werden aber vorerst nur die Online-Verkäufe einzelner Songs erfasst, die dann sozusagen als Single gezählt werden. Der Download ganzer Alben soll in einer zweiten Stufe erfasst werden.

Neben den "Zukunftsmärkten" hat auf der "neuen Popkomm" die Internationalität auch einen höheren Stellenwert bekommen. Vor diesem Hintergrund wird es auf der Messe eine rege Diskussion um den Vorschlag für eine Quotenregelung für deutsche Musik geben, zumal eine Bundestagsanhörung zu dem Thema ansteht. Vertreter privater Hörfunksender haben heute in Berlin auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vor einer solchen Regelung und ihren Auswirkungen für den privaten Rundfunk gewarnt.

"Eingriffe in die Programmfreiheit mittels Quotenvorgaben lehnen wir als private Sender grundsätzlich ab", betont Hans-Jürgen Kratz, Vorsitzender des Fachbereiches Hörfunk des Verbands Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT). Quoten behinderten den Qualitätswettbewerb und beförderten die Subventionsmentalität. Eine Quote würde die Musikindustrie aus ihrer Verantwortung entlassen, Hörer und Zuschauer bevormunden und die wirtschaftlichen Grundlagen der Sender bedrohen. Verbraucher würden auf andere Medienangebote wie Internetradio oder Downloadangebote zurückgreifen, da sie sich ihren Musikgeschmack nicht durch Quoten vorschreiben ließen.

Im musikalischen Rahmenprogramm der Popkomm wird sich die "Internationalität" kaum widerspiegeln. Namhafte deutsche Künstler wie Fettes Brot, Element of Crime und Jeanette geben Konzerte, es fehlen aber große internationale Stars im Festivalprogramm. Als temporäre "Musikhauptstadt Europas" wird sich die Popkomm zumindest dieses Jahr wohl nur für das Fachpublikum profilieren können. Übrigens wird das Magazin der Netzkultur Telepolis erstmals an der Musikmesse teilnehmen und auch von dort berichten.

Zur Musikmesse Popkomm siehe auch: (anw)