Popkomm: Schönheitswettbewerb der Musik-Downloadservices

Apple überschreitet mit iTunes die Schwelle von 125 Millionen verkaufter Songs und will weitere europäische Shops öffnen, doch Konkurrenten wie Napster machen dem Platzhirschen mit einer Flatrate für mobile Player Konkurrenz.

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Der Begleitkongress zur Popkomm lud am heutigen Mittwoch zum "Catwalk der Download-Services". Knapp zehn Anbieter von Songverkaufslösungen, die zum Teil hinter den Kulissen operieren oder sich direkt an Online-Konsumenten wenden, durften den Stand der Dinge der digitalen Legalisierungsoffensive vorstellen. Branchenprimus Apple versicherte dabei beispielsweise, in Europa nach Deutschland, Großbritannien und Frankreich noch eine Reihe weiterer Länder mit nationalen iTunes-Shops zu versorgen. Spanien werde voraussichtlich genauso dabei sein wie die anderen wichtigsten Länder in Westeuropa, verriet Eddie Cue, iTunes-Chef bei der kalifornischen Computerfirma. Noch würden aber Verhandlungen mit den Rechteverwertern geführt. Gleichzeitig konnte Cue mit weltweit 125 Millionen verkaufter Songs 17 Monate nach dem Start des kostenpflichtigen Angebots protzen. Über den virtuellen Ladencounter des deutschen Ablegers gingen in den drei Monaten seines Bestehens bereits 800.000 Lieder. Doch die Konkurrenz schläft nicht. So kündigte Larry Linietsky, bei Napster für die weltweite Geschäftsentwicklung zuständig, die seinen Angaben nach erste Flatrate für das Bestücken mobiler Player an.

Cue erklärte den Erfolg von iTunes mit der leichten, in die Jukebox-Software direkt integrierten Bedienbarkeit des Musik-Stores, "gutem Karma" und dem einfach verständlichen Rechtemodell. "Wir reden nicht von Digital Rights Management", betonte der Apple-Manager, weil dies Verbraucher nur abschrecke. Die von den Kaliforniern entworfene Politik der "Personal User Rights", mit denen sich die 99 Cents teuren Songs auf bis zu fünf Computer übertragen, beliebig oft brennen und auf externe Player übertragen lassen, halte "ehrliche Leute ehrlich". Zugleich räumte Cue mit dem "Mythos" auf, dass die Download-Services das Ende des Album-Formats bedeuten würden. "45 bis 50 Prozent unserer Verkäufe sind Alben", freute sich der iTunes-Chef. Das Schöne am digitalen Raum sei aber, dass man auch ganz neue Produkte wie Live-Mitschnitte, Akustik-Versionen oder Longplays mit beispielsweise nur vier Songs herausbringen könne. Apple setzt momentan vor allem auf "Originals", die neben Songs von Stars wie Sting oder Alanis Morissette gleich Interviews mit den Künstlern enthalten. Bereits mehr als 100.000 mal sei auch die noch recht junge, sich an unabhängige Künstler richtende Möglichkeit genutzt worden, eigene Songs über eine spezielle Schnittstelle in die Plattform einzuführen.

Als "größten Konkurrenten" für iTunes bezeichnete Cue "die Piraterie". Damit stichelte er indirekt gegen den Softwaregiganten Microsoft, der im Herbst ebenfalls in mehreren Ländern Europas mit einem eigenen Download-Angebot Apple die Kunden abgraben will. Im "Schönheitswettbewerb" auf der Popkomm spielten die Redmonder allerdings noch keine Rolle. Dort brachte sich vor allem das vom Softwarehersteller Roxio bekehrte Napster mit seiner angeblich bei 92 Prozent der Surfer bekannten Marke in Stellung. Im Herbst will der Service, der bisher jedoch noch nicht in Deutschland vertreten ist und auch keinen konkreten Starttermin hier im Auge hat, mit "Napster ToGo" ein pauschales Abomodell für das Übertragen von Tracks auf MP3-Player von Herstellern wie Rio oder Samsung einführen. Mit 14,95 US-Dollar soll das neue Angebot fünf Dollar teurer sein die "normale" PC-Musikflatrate.

Von einem "positivem Feedback" der Kunden konnte zudem Michaela Schenkel, Produktchefin für Entertainment-Dienste bei O2, nach dem Start des Handy-Musikshops des Mobilfunkbetreibers berichten. Die bislang 145.000 Titel, die momentan nur auf einem Siemens SX1 erstanden werden können, seien mit 1,99 Euro für Chart-Hits und Pre-Releases und 1,79 Euro für Altbestände konkurrenzfähig, betonte Schenkel, ohne konkrete Verkaufszahlen zu nennen. In die Reihe der "gecasteten" Anbieter reihten sich zudem unter anderem AOL, der auf Indie-Content setzende Business-to-Business-Anbieter Finetunes, der Pionier MusicNet sowie der mittlerweile mit OD2 fusionierte Großhändler Loudeye mit seinen inzwischen 1,3 Millionen für den Online-Vertrieb verfügbaren Titeln ein.

Für OD2/Loudeye berichtete International President Charles Grimsdale von den ersten Versuchen, "Pay per Play" für Streaming-Angebote einzuführen. Bei Preisen von zwei bis fünf US-Cents ist das reine Hören der Stücke dem Manager zufolge "sehr populär". Grimsdale erfreute vor allem, dass viele der Streaming-Kunden die Songs später auch komplett erstehen würden. Zu den Angeboten, um die auf der Popkomm der größte Hype veranstaltet wird, gehört allerdings das in Kürze startende Downloadportal vRadiostation des Berliner Star-DJs Paul van Dyk. In dessen Mittelpunkt sollen bislang unveröffentlichte Tracks stehen. Mit ihnen will der erfolgreiche Plattenkünstler eine weitere Lücke bei den Alternativen im Kampf gegen Raubkopierer schließen. Das Sprießen der Services ändert bislang aber wenig daran, dass die wichtigsten Akteure mit den verkauften Songs allein bislang nicht in die schwarzen Zahlen kommen.

Zur Musikmesse Popkomm siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)