Popkomm: Staatsminister beklagt Internetpiraterie

Der Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung, Bernd Neumann, hält die Urheberrechtsverstöße im Netz nach wie vor für "dramatisch hoch" und will die Provider stärker in die Pflicht nehmen.

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Der Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung, Bernd Neumann, hält Urheberrechtsverstöße im Netz nach wie vor für eines der größten Probleme der Musikwirtschaft. "Nach den Verlusten der vergangenen Jahre sinkt der CD-Verkauf in diesem Jahr Gott sei Dank nicht mehr", erklärte der Staatsminister am heutigen Mittwoch bei der Eröffnung der Musikmesse Popkomm in Berlin. Dies mache Hoffnung, dass das viel beschworene "Tal der Tränen" doch bald durchschritten sei. Gleichzeitig betonte Neumann, dass trotz zunehmender Verkaufszahlen von Songs über Online-Plattformen "das Ausmaß der Internetpiraterie noch immer dramatisch hoch ist". Allein 2005 seien Titel im Wert von rund 20 Milliarden Euro online getauscht oder heruntergeladen worden. Der Staatsminister stellte klar: "Dies kann nicht so bleiben."

Neumann beklagte, dass es bei Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen nach wie vor "kein Unrechtsbewusstsein gibt". Der CDU-Politiker zeigte sich daher erfreut, dass es ihm gelungen sei, die so genannte Bagatellklausel aus dem Entwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform zu streichen. Um eine "Kriminalisierung der Schulhöfe zu verhindern", hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zuvor vorgeschlagen, dass illegale Musikdownloads für den rein privaten Gebrauch "in geringer Zahl" straffrei bleiben sollten. Neumann hatte diese Regelung gemeinsam mit der Unterhaltungsindustrie scharf kritisiert.

Der Staatsminister fordert weitere Verschärfungen bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzern im Internet. Firmen aus der Musik- und Filmwirtschaft "muss auch ein Auskunftsanspruch gegenüber Providern eingeräumt werden", stützte er erneut einen Referentenentwurf von Zypries, der eine entsprechende weitgehende Regelung vorsieht. Content-Anbieter soll es mit dem Informationsanspruch einfacher gemacht werden, in zivilrechtlichen Verfahren gegen illegales Filesharing vorzugehen. Rechteinhaber könnten damit leichter erfahren, wer hinter einer IP-Adresse steckt. Neumann, der sich als "Anwalt der Künstler und der Kreativwirtschaft" versteht, rief die Zugangsanbieter ferner dazu auf, "endlich selbst der illegalen Nutzung entschiedener entgegenzutreten."

Auch die diesjährige Popkomm steht so trotz Aufbruchsignalen erneut im Zeichen der Dauerkrise der Musikindustrie. Die Deutschen haben nach Zahlen des Branchenverbandes IFPI im ersten Halbjahr 2006 zwar 36 Prozent mehr Musik legal im Netz erworben und insgesamt 10,6 Millionen Einzelsongs gekauft. Michael Haentjes, Vorsitzender der Deutschen Phonoverbände, beschwert sich aber weiterhin über eine "ausufernde private Vervielfältigung" aus illegalen Online-Quellen. Als einen Ausweg verwies Feargal Sharkey, ehemaliger Sänger der Undertones und Vorsitzender des britischen Live Music Forums, auf das brummende Geschäft mit Konzerten. Dabei handle es sich nicht nur in Großbritannien um den "am stärksten wachsenden Sektor" in der Musikindustrie. Auch das Interesse an eigener kreativer Betätigung sei riesig. Allein im Vereinigten Königsreich hätten sich im vergangenen Jahr eine Million Briten eine Gitarre gekauft.

Die Popkomm bietet selbst in diesem Jahr ein gewachsenes Live-Programm im Rahmen eines gesonderten Festivals in der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg. Dort werden über 400 Auftritte von mehr als 2000 Künstlern aus 26 Ländern in vier Nächten geboten. Auf der bis zum Freitag gehenden Messe unterm Funkturm, deren Partnerland dieses Mal Brasilien ist, sind in diesem Jahr erstmals mehr als 800 Aussteller in vier Hallen vertreten. Kleine und unabhängige Firmen machen den größten Teil der Stände aus. Neben der Warner Music Group und Universal Music ist in diesem Jahr als weiteres großes Plattenlabel erstmals nach dem Umzug der Messe nach Berlin Sony BMG wieder auf der Popkomm dabei. Online- und mobile Musikvertriebe sind stärker als je zuvor in den Messehallen zu finden. So präsentiert sich dort neben Yahoo Music, mp3.de und net mobile etwa auch Jamba Music. (Stefan Krempl) / (vbr)