Preis für Datenkraken: 20 Jahre Big Brother Awards – die Jubiläumsedition

Seite 4: 20 Jahre Big Brother Awards

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Zum 20. Jubiläum der Big Brother Awards kann man sich an den Start der Preisvergabe im Jahr 2000 erinnern, als im Ulmenwall-Bunker zu Bielefeld rund 50 Fans des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) zusammenfanden. Damals referenzierten die Redner:innen auf 1984 und Orwell und auf die Proteste gegen die Volkszählung, die zum Volkszählungsurteil von 1983 führten, in dem die informationelle Selbstbestimmung erstmals festgeschrieben wurde. Auf dieser "informationellen Selbstbestimmung", eine sprachliche Erfindung des Informatikers Wilhelm Steinmüller (von dem auch die "Vorratsdatenspeicherung" stammt) ruhen weite Teile des deutschen Datenschutzrechtes.

Man kann aber noch weiter zurück gehen und findet dann im Jahre 1969 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Mikrozensus, in der es zu einer einheitlichen, lebenslangen Personen-Kennziffer heißt: "Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist. Ein solches Eindringen in den Persönlichkeitsbereich durch eine umfassende Einsichtnahme in die persönlichen Verhältnisse seiner Bürger ist dem Staat auch deshalb versagt, weil dem Einzelnen um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein "Innenraum" verbleiben muß, in dem er "sich selbst besitzt" und "in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt."

Mit dieser Formulierung wurde eine lebenslang gültige Kennziffer in der BRD abgelehnt, die in der DDR nahezu gleichzeitig als Personenkennzahl eingeführt wurde. Damit springen wir ins das Jahr 2007 als der damals verantwortliche Finanzminister Peer Steinbrück einen Big Brother Award für die Einführung der Steuer-ID kassierte: In Bielefeld warnte man vor dem Missbrauch dieser lebenslang gültigen Nummer.

Heute ist sie der Dreh- und Angelpunkt der sogenannten Registermodernisierung. Sie soll nach dem Willen von Bundesinnenminister Seehofer den Sockel zur einheitlichen Bürgernummer bilden, was Datenschützer bereits heftig kritisiert haben. Weil Seehofer solch einen tiefgreifenden Eingriff nicht allein durchsetzen kann, wird 2020 die gesamte Innenministerkonferenz als beschlussfassendes Gremium für diese Überwachungsmaßnahme mit einem Big Brother Award geehrt. Wer hat, dem wird gegeben.

Ob im nächsten Jahr wieder Big Brother Awards vergeben werden können, steht derzeit in den Sternen. Die Verleihungs-Gala, mit der in anderen Zeiten über den Ticketverkauf die Kosten für die Arbeit der Jury eingespielt wurden, ist diesmal erheblich geschrumpft. Digitalcourage bittet dringlicher denn je um Spenden für die Big Brother Awards.

(bme)