Programmiersprachen-Ranking: Stillstand oder Konsolidierung – JavaScript führt

Diese Ausgabe der RedMonk-Statistik verzeichnet Balance und wenig Bewegung – anders als im Vorjahr, wo bei der Frühjahrsausgabe die Karten neu gemischt wurden.

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(Bild: Sashkin/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Silke Hahn
Inhaltsverzeichnis

JavaScript führt auch im ersten Quartal 2022 vor Python und Java: Stabilität bei den gefragtesten Programmiersprachen zeichnet die neueste Ausgabe der Rangliste von RedMonk aus, die seit 2010 Programmiersprachen gestaffelt nach der Häufigkeit von Pull Requests bei GitHub und der Diskussionsdichte bei Stack Overflow auswertet. Das Ergebnis sei zwar nicht statistisch valide, wie die Herausgeber in ihrem Bericht für das erste Quartal 2022 betonen, soll aber Aufschluss geben über gegenwärtige und mögliche künftige Trends beim Einsatz der Sprachen.

Stabilität bedeutet konkret, dass sich auf den ersten 20 Rängen bei 18 Sprachen die Platzierung nicht geändert hat. Für 17 der Sprachen ist die Rangfolge seit mittlerweile drei aufeinander folgenden Quartalen gleich geblieben. "Es kann sein, dass sich in der Branche ein gewisses Gleichgewicht einstellt. Ein Zustand, in dem die Sprachen ihre jeweiligen Nischen und eine Ebene mit ihrer jeweiligen Konkurrenz gefunden haben", kommentieren die Herausgeber der Analyse das Ergebnis.

Offen ist dabei, ob die messbare Konstanz repräsentativ ist für einen gleichbleibend gewichteten Einsatz in der Industrie oder ob andere Gründe im Bereich der Artefakte als Erklärung infrage kommen. Falls die Konsolidierung repräsentativ ist für einen Trend in der Industrie, bewegt sich der Einsatz von Programmiersprachen momentan offenbar in eine relative Stasis (Stillstand) hinein, in der Teams und Unternehmen weniger mit neuen Sprachen experimentieren und auf Bewährtes sowie Etabliertes zurückgreifen in ihren laufenden Projekten. Weiterhin ist das Auftreten neuer Sprachen sowie neuer Features bei den bestehenden zu beobachten, was quartalsweise für Mikrobewegungen sorgt.

Im vergangenen Quartal hatte die Nachfrage nach Java stärker angezogen, sodass die Sprache vorübergehend gleichauf mit Python auf Rang zwei lag. Python kann sich seit mittlerweile zwei Jahren in Folge auf dem zweiten Platz behaupten. Während Rang drei für Java (statt Rang zwei) in der Praxis der Beliebtheit dieser Sprache kaum Abbruch tut, ist Pythons Durchbruch und dauerhafte Etablierung durchaus bemerkenswert, da der Sprache zu Beginn wenig Anerkennung gezollt wurde ("just a glue language" und andere abfällige Bemerkungen zirkulierten). Mittlerweile verfügt Python über eines der umfassendsten Ökosysteme und ist insbesondere im Machine Learning etabliert.

PHP konnte sich unverändert in den höheren Rängen halten und belegt hinter JavaScript, Python und Java den vierten Platz. Die oft totgesagte Sprache ist weiterhin stark gefragt und im Einsatz. C++ hingegen gehört zu den wenigen Ausreißern des Rankings und ist um zwei Plätze abgestiegen (auch im Verhältnis zum Vorjahr). Im letzten Quartal und vor einem Jahr lag C++ gleichauf mit C# und CSS auf Rang fünf. Es könnte sich um einen zufälligen und vorübergehenden Ausreißer handeln – oder um Anzeichen eines langfristigeren Abwärtstrends, wie ihn die C++-Vorgängerin C erlebte. Platz 7 ist für die Sprache bemerkenswert niedrig, und zuletzt hatte C++ im Jahr 2013 so mäßig abgeschnitten. Hier bleibt der langfristige Trend abzuwarten.

Programmiersprachen-Ranking von RedMonk, erstes Quartal 2022: Diagramm korreliert GitHub-Pull-Requests (x-Achse) zum Rang bei Stack Overflow (y-Achse)

(Bild: RedMonk)

Die andere Bewegung war um einen Platz aufwärts, so liegt Dart mittlerweile gleichauf mit Rust auf Rang 19 und verdrängt Perl (im Vorjahr Platz 19). Rust, Dart, Kotlin (aktueller Platz 18) gelten oft als die "Aufsteiger" unter den Programmiersprachen. Wie aussagekräftig die Bewegungen sind, gilt es längerfristig zu beobachten. Das Ranking erfasst auch zahlreiche weitere Sprachen, die hier durch die Top-20 unter dem Radar liegen, aber im Diagramm verzeichnet sind. Nicht allen Sprachen wird die Methode des Rankens gerecht, und die daraus abgeleitete Schlüsse sind stets mit Vorsicht zu genießen, wie die Herausgeber selbst betonen.

Der Aufstieg der Statistik-Sprache R war und ist bemerkenswert, da Sprachen mit einem Spezialgebiet bei allgemeinen und gemischten Rankings tendenziell weniger gut abschneiden als es ihrer eigentlichen Relevanz entspricht. R gilt mittlerweile als die "Ausnahme der Regel". Seit 2010 ist R von Platz 17 auf mittlerweile Platz 12 gestiegen und hält sich dort.

Vor genau einem Jahr war bei der Statistik kein Stein auf dem anderen geblieben: Die Hälfte der in den Top-20 gelisteten Sprachen hatte sich auf- oder abbewegt. Den RedMonk-Analysten zufolge spiegelte das die Unruhe im IT-Bereich und die teils hektisch verlaufene Digitalisierung während der Pandemie. Vor dem Hintergrund stachen die Ranglistenführer besonders heraus: Während JavaScript unangefochten weiterhin Platz 1 einnimmt und auch damals schon einnahm, konnte Python sich damals wie heute auf Platz 2 behaupten, dicht gefolgt von Java.

Bemerkenswert ist die konstant hohe Positionierung von JavaScript auf Platz 1 trotz einer zunehmenden Fragmentierung der Frameworks und der JavaScript-Community. Die Sprache selbst hat RedMonk zufolge seit Januar 2018 bei den Pull Requests auf GitHub um rund 500 Prozent zugelegt. Entsprechend bezeichnen die RedMonk-Analysten JavaScript als "Naturgewalt", die im IT-Bereich zurzeit von übergreifender Bedeutung ist. Um jeweils einen Platz aufgestiegen waren im Vorjahr R (12), Kotlin (18) und Rust (19).

Programmiersprachen-Ranking von RedMonk, Q1.2022
1 JavaScript 11 Swift
2 Python 12 R
3 Java 13 Objective-C
4 PHP 14 Shell
5 CSS 14 Scala
5 C# 16 Go
7 C++ 17 PowerShell
8 TypeScript 18 Kotlin
9 Ruby 19 Rust
10 C 19 Dart

Seit 2002 gibt es das IT-Marktforschungsunternehmen RedMonk, 2010 haben Drew Conway und John Myles White dort die Programmiersprachenrankings eingeführt (damals unter dem Firmennamen Dataists). Die Analysten von RedMonk beziehen ihre Daten von der Plattform für Versionsverwaltung GitHub und der Diskussionswebsite für Entwickler Stack Overflow. Wie oft Entwickler auf Stack Overflow über eine Programmiersprache Fragen stellen (y-Achse) setzte RedMonk in Bezug zu der Anzahl der Projekte, die zu einer Sprache auf GitHub existieren (x-Achse). Die daraus gewonnene Korrelation soll als Trend die potenzielle "Beliebtheit" von Programmiersprachen abbilden. Mittlerweile aggregieren die Analysten von RedMonk die Anzahl der Pull Requests bei GitHub, geforkte Repositories zählen nicht mit. Voraussetzung für die Aufnahme in das RedMonk-Ranking ist, dass die Sprache bei GitHub und StackOverflow vorkommt.

GitHub werten die Analysten aus, da es die derzeit größte Plattform für Versionsverwaltung von Software ist, eine plattformübergreifende Auswertung wäre ihnen zufolge statistisch nicht haltbar. Während für die oberen Ränge die Werte relativ genau ermittelbar sind, franst die Aussagekraft nach unten hin aus. Dass die Auswertungen mit Vorsicht zu genießen sind, betonen die Herausgeber des vierteljährlich erscheinenden Index selbst. Die Auswertung ist nur eingeschränkt aussagekräftig für Sprachen, die eine starke Community jenseits von GitHub haben (wie zum Beispiel Mathematica) und in Fachkreisen hohe Relevanz besitzen. Ihre Verbreitung und "Beliebtheit" lassen sich mit der RedMonk-Methode nicht adäquat wiedergeben.

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Andererseits gilt die statistische Auswertung von RedMonk als wissenschaftlich fundiert im Vergleich zum monatlich erscheinenden TIOBE-Index, der lediglich die Häufigkeit von Suchtreffern auswertet. Diese Methode gilt als unwissenschaftlich und ist umstritten, die Ergebnisse von TIOBE weichen oft stark von den Ranglisten bei anderen Analysten wie RedMonk oder PYPL (PopularitY of Programming Languages) ab. Die aktuelle Ausgabe des RedMonk-Rankings mit mehr Details und weiterführenden Hinweisen ist online einsehbar.

(sih)