Prozess um Tiktok-Verbot in den USA begonnen

Tiktok gilt der US-Regierung als Sicherheitsrisiko. Im Prozess um das drohende Verbot warnt der chinesische Mutterkonzern vor Verletzung der Meinungsfreiheit.

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TikTok-Logo auf einem Smartphone, in dem sich die US-Flagge spiegelt.

(Bild: Camilo Concha/Shutterstock.com)

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Der Prozess gegen die US-Regierung über eine Aufhebung des gesetzlichen Tiktok-Verbots hat begonnen. Das in erster Instanz zuständige Bundesberufungsgericht hat am Montag Argumente gehört. Der Konzern wehrt sich gegen ein Bundesgesetz, das TikTok ab Mitte Januar verbietet. Der Anwalt Tiktoks und dessen Eigentümers Bytedance sah sich dabei mit harten Fragen konfrontiert, wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt.

Tiktok hat die Klage gegen das US-Verbot im Mai eingebracht. Erstes Ziel ist eine einstweilige Verfügung gegen das Inkrafttreten des Gesetzes. Das Verfahren heißt Tiktok et Bytedance v Merrick B. Garland und ist am US-Bundesberufungsgericht für den Hauptstadtbezirk District of Columbia unter dem Az. 24-1113 anhängig. Ein aus drei Richtern bestehendes Gremium dieses Gerichts begann die Anhörung mit der Befragung des externen Anwalts Tiktoks, Andrew Pincus. Dieser argumentierte, dass die US-Regierung nicht nachgewiesen habe, dass Tiktok ein Risiko für die Nationale Sicherheit darstelle. Auch verstoße das Verbotsgesetz aus einer Reihe von Gründen gegen die US-Verfassung, unter anderem gegen den Schutz der freien Meinungsäußerung durch den ersten Verfassungszusatz sowie gegen das Verbot der Enteignung.

"Das Gesetz, das diesem Gericht vorliegt, ist beispiellos, und seine Auswirkungen wären gewaltig", zitiert Reuters Pincus' Aussage vor den Richtern. Zum ersten Mal in der Geschichte habe der US-Kongress, so der Anwalt, ausdrücklich einen bestimmten Sprecher ins Visier genommen – gemeint ist die Tiktok-App – und die Rede von 170 Millionen US-Amerikanern verboten, die die App nutzen. Das sei eine Verurteilung per Gesetz (Bill of Attainder), was die US-Verfassung ebenfalls ausdrücklich verbietet. Die auf 50 Minuten angesetzte Anhörung dauerte etwa zwei Stunden, schreibt die US-Tageszeitung New York Times. Einige Rechtsexperten gehen davon aus, dass das Berufungsgericht bereits im November eine Entscheidung treffen werde, so das Blatt weiter.

Das im April vom US-Senat mit überwältigender Mehrheit verabschiedete Gesetz gibt Bytedance eine Frist bis 19. Januar 2025 – einen Tag vor dem Ende der Amtszeit des derzeitigen US-Präsidenten Joseph Biden, um Tiktoks US-Vermögenswerte zu verkaufen. Sollte das nicht geschehen, soll die Anwendung aus den App-Stores verbannt und damit effektiv verboten werden. Laut Gesetz kann Präsident Biden die Frist um drei Monate verlängern, wenn er bescheinigt, dass Bytedance erhebliche Fortschritte in Richtung eines Verkaufs macht.

Bytedance wird in den USA parteiübergreifend als chinesisches Unternehmen gesehen, das sich den Vorgaben der Kommunistischen Partei Chinas beugen müsse. Politiker beider großer Parteien in den USA warnen daher, chinesische Behörden könnten sich in großem Stil Zugriff auf Daten von Nutzerinnen und Nutzern aus den USA verschaffen – und die äußerst beliebte Anwendung auch für politische Einflussnahme nutzen. Tiktok bestreitet dies.

Bytedance hat erklärt, dass eine Veräußerung technisch, kommerziell und rechtlich nicht möglich sei. Erfolgsrezept des Kurzvideodienstes ist dessen Auswahlalrogithmus, ohne den Tiktok wenig wert wäre. Die Volksrepublik China hat den Export des Algorithmus bereits verboten, Bytedance kann ihn also gar nicht veräußern. Der Restwert würde durch die US-gesetzlich verlangte Trennung der Inhalte in "amerikanische" und "sonstige" gegen null reduziert. Der Tiktok-Mutterkonzern wehrt sich gegen Zwangsverkauf und Verbot und will das Gesetz für verfassungswidrig erklären lassen. Sollte das nicht gelingen, werde die App eher geschlossen als verkauft, heißt es.

Der Prozess findet mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf statt. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump und seine demokratische Rivalin, Vizepräsidentin Kamala Harris, sind beide auf Tiktok aktiv und versuchen, jüngere Wählerinnen und Wähler zu umwerben. Viele aus dieser Zielgruppe stehen einem möglichen Tiktok-Verbot kritisch gegenüber. Für sie ist die Kurzvideo-App ein wichtiges Instrument, um politische Themen zu verfolgen.

Das Weiße Haus hat erklärt, es wolle den chinesischen Besitz von Tiktok aus Gründen der Nationalen Sicherheit beenden, nicht aber ein Verbot des Sozialen Netzwerks. Ex-Präsident Trump hat 2020 während seiner ersten Amtszeit erfolglos versucht, Tiktok zu verbieten. Inzwischen hat er seine veröffentlichte Meinung geändert: Zuletzt erklärte Trump, dass er im Falle eines Wahlsieges im November ein Verbot Tiktoks nicht zulassen würde.

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Die Befassung des Bundesberufungsgerichts mit der Sache in Erster Instanz ist ungewöhnlich, da sich Bundesberufungsgerichte in der Regel mit Rechtsmitteln gegen Entscheidungen von Bundesbezirksgerichten befassen. Doch enthält das angefochtene Gesetz eine Sonderbestimmung, wonach Klagen gegen das Gesetz ausschließlich beim Bundesberufungsgericht für den District of Columbia einzubringen sind. Das bedeutet nicht nur, dass eben dieses Gericht zuständig ist, sondern auch, dass es keine ordentlichen Rechtsmittel gegen die Entscheidung dieses Bundesberufungsgerichts gibt.

Die unterlegene Partei darf zwar eine neuerliche Anhörung vor einer erweiterten Richterbank des selben Gerichts und/oder ein Verfahren vor dem US Supreme Court begehren, hat darauf aber keinen Rechtsanspruch. Der Tiktok-Mutterkonzern Bytedance und das US-Justizministerium haben um eine Entscheidung in dem Verfahren bis 6. Dezember gebeten. Das würde es dem Obersten Gerichtshof der USA (SCOTUS) ermöglichen, einen Antrag auf Überprüfung in Erwägung zu ziehen, bevor das Verbot Mitte Januar in Kraft tritt.

(akn)