Pünktlichkeitsassistent macht Schweizer Züge noch pünktlicher

Schweizer Züge sind bekannt für ihre Pünktlichkeit. Damit es so bleibt, haben die Lokführer eine sekundengenaue Pünktlichkeitsanzeige.

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(Bild: SBB)

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Eine Pünktlichkeitsanzeige im Führerstand ihrer Züge sorgt bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) mit dafür, dass sie allermeistens pünktlich ankommen. Für eine umfassende Auswertung des Systems, das seit April dieses Jahres von der SBB eingesetzt wird, sei es noch zu früh. Die ersten Messungen zeigten aber einen "klaren Trend zu weiteren Verbesserungen der Pünktlichkeit", teilte die SBB mit.

Die Pünktlichkeitsanzeige ist Teil des "Lokpersonal Electronic Assistant" (LEA), den Lokführer und Lokführerinnen der SBB auf einem Tablet mit sich führen. Das System berechnet ein optimales Fahrprofil für jeden Zug. Vor der Abfahrt kann der Lokführer die Fahrstrategie wählen, um sich im Bahnverkehr konfliktfrei einzufügen, erläutern die SBB. Während der Fahrt liefert die Pünktlichkeitsanzeige an jedem Hauptsignal sekundengenaue Angaben und zeigt erforderliche Geschwindigkeiten an. Sorgt etwa Regen auf den Schienen für eine langsamere Beschleunigung, sei eine rasche Korrektur möglich, erläutern die SBB.

Beispielanzeige des Pünktlichkeitsassistenten.

(Bild: SBB)

In der Schweiz erreichen rund 93 von 100 Zügen ihr Ziel pünktlich, also mit einer Verspätung von maximal drei Minuten. Die Pünktlichkeitsanzeige haben die SBB eingeführt vor dem Hintergrund, dass die Zugdichte auf dem Schienennetz voraussichtlich weiter zunehmen werde. Dabei setzen die SBB nach eigenen Angaben auf eine "optimale Verbindung von Mensch und Technik", denn die Technik stoße immer wieder an ihre Grenzen. "Nicht im Voraus berechnen lässt sich der Einfluss des Wetters etwa bei Regen, die Dauer der Passagierumstiege an einem Bahnhof oder technische Störungen", schreiben die SBB.

Vor der allgemeinen Einführung im April wurde die Pünktlichkeitsanzeige ein Jahr lang getestet, sie funktioniert laut SBB ohne Probleme. Die Rückmeldungen des Lokpersonals seien durchweg positiv. Kleine Verbesserungspotenziale wurden bereits erkannt und werden in den nächsten Monaten umgesetzt.

Abgesehen von der Dienstleistung für Passagiere will die SBB mit der Pünktlichkeitsanzeige auch erreichen, weniger Energie zu verbrauchen. "Je pünktlicher die Züge fahren, desto weniger Energie brauchen sie", erläutert das Bahnunternehmen. Am energieintensivsten sei es, wenn ein Zug auf die erforderliche Geschwindigkeit beschleunigen muss. Je mehr unnötiges Bremsen vermieden werde, desto positiver wirkt sich das auf den Energieverbrauch aus.

Ein besserer Fluss der Züge werde nur erreicht, wenn der Bahnverkehr als Gesamtes optimiert wird, und nicht nur einzelne Züge. Diesen Anspruch erfüllten die SBB mit den Fahrassistenz-Systemen. 2015 führten sie die adaptive Lenkung ein, eine Art "grüne Welle" für Züge. Das System errechnet für jeden Zug ein energieoptimiertes Fahrprofil und empfiehlt dem Lokpersonal die optimale Geschwindigkeit, damit dieses uneplante Stopps vor Haltesignalen und Wiederanfahren möglichst vermeiden kann.

2020 führten die SBB das optimierte Fahrprofil vPRO ein. Es berechnet kurz vor der Abfahrt für jeden Personenverkehrszug mit den aktuell verfügbaren Daten ein energieoptimiertes und fahrdynamisch korrektes Fahrprofil. Die Pünktlichkeitsanzeige basiert auf vPRO, sie gleicht den tatsächlichen mit dem gewünschten Stand ab. Bei der Deutschen Bahn wird unter anderem das System EBuLa eingesetzt, ausgeschrieben Elektronischer Buchfahrplan und Verzeichnis der Langsamfahrstellen. Der Lokführer kann dabei auf einem Display ablesen, wie gut er in der Zeit ist. Verschiedene weitere beziehungsweise ergänzende Fahrassistenzsysteme der DB gibt es dafür, energiesparend zu fahren.

Noch pünktlicher als die SBB sind japanische Personenverkehrszüge, nämlich zu 99 Prozent. Im Fernverkehr schlich die Deutsche Bahn (DB) mit 65,5 Prozent pünktlichen Zügen im Mai weit hinterher. Im Regionalverkehr waren in dem Monat 92,5 Prozent der DB-Züge pünktlich. Der für Personenfernverkehr zuständige DB-Vorstand Michael Peterson sagte der Augsburger Allgemeinen, eine Pünktlichkeit wie in Japan sei in Deutschland nicht möglich, da sich Güter-, Regional- und Fernverkehrszüge dasselbe Schienennetz teilten. Die Situation werde sich voraussichtlich mit jedem generalsanierten Korridor bessern. Die Sanierung von jeweils hochfrequentierten Strecken am Stück hatte die Bahn vor einem Jahr angekündigt.

(anw)