Quad9: Reaktionen auf Urteil zur Täterschaft von DNS-Resolvern

Ein nicht kommerzieller DNS-Dienst gilt laut einem Gerichtsurteil als Täter bei Urheberrechtsverletzungen. Die Reaktionen darauf fallen eindeutig kritisch aus.

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(Bild: Wirestock Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Quad9 und die Gesellschaft für Freiheitsrechte kündigten heute an, dass sie das Urteil wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch den öffentlichen DNS-Resolver der Schweizer Stiftung anfechten werden. Am Mittwoch hatte das Landgericht Leipzig entschieden, dass der nicht kommerzielle Resolver-Betreiber selbst zum Täter wird, wenn Nutzer auf Webseiten, die über seinen Dienst adressierbar sind, geschützte Sony-Titel verbreiten.

Als "eklatantes Fehlurteil" bezeichnete die Gesellschaft für Freiheitsrechte den Richterspruch, weil er Quad9 so behandele, als würde er selbst die Urheberrechtsverletzung gegen Sony begehen, "obwohl er bloß einen Webseitennamen in eine IP-Adresse auflöst", so Felix Reda, Leiter des Projektes Control © der GFF.

"Folgt man dieser Argumentation, wäre die urheberrechtliche Haftung völlig neutraler Infrastrukturdienste wie Quad9 sogar strenger als die sozialer Netzwerke, die unter den berüchtigten Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie fallen", so Reda. Der Digital Services Act stelle aber eigentlich unmissverständlich klar, dass die Haftungsregeln für Internetzugangsanbieter auch auf DNS-Dienste anzuwenden sind. Der Betreiber eines öffentlichen DNS-Resolvers habe keinerlei Kenntnis von den Inhalten, die Nutzer mithilfe des Dienstes aufrufen.

Im Erwägungsgrund 28 des Digital Services Act werde wörtlich "daran erinnert", dass "Anbieter von Diensten zur Bereitstellung und Vereinfachung der zugrunde liegenden logischen Architektur und des reibungslosen Funktionierens des Internets, einschließlich technischer Hilfsfunktionen, ebenfalls die in dieser Verordnung festgelegten Haftungsausschlüsse in Anspruch nehmen können", konkretisiert Thomas Rickert, Anwalt von Quad9. DNS-Dienste würden im Weiteren sogar ausdrücklich als solche Anbieter genannt, sagt Rickert. Der europäische Gesetzgeber habe damit verdeutlicht, "dass eine Haftungsprivilegierung für DNS Anbieter nicht neu geschaffen werden soll, sondern bereits existierte und nur noch einmal klargestellt werden sollte."

Folge man der Logik des Leipziger Urteils, könnten künftig alle Anbieter mit Sperraufforderungen und als Täter mit Unterlassungs- und Schadenersatzklagen wegen etwaiger Rechtsverstöße ihrer Nutzer überzogen werden. Als letztes Mittel, also bei Nichtbefolgen der auferlegten Ordnungsmittel, drohten dann möglicherweise auch Haftstrafen, erläutert Rickert.

Fast alle Zugangsprovider bieten auch rekursive DNS-Resolver an. Daher "könnte überdies die Haftungsprivilegierung nach dem Telemediengesetz leicht dadurch ausgehebelt werden, dass die Provider nicht in ihrer Eigenschaft als Zugangsprovider, sondern in ihrer Eigenschaft als Betreiber rekursiver DNS-Resolver in Anspruch genommen werden", warnt Rickert.

Aktuell sperren Zugangsprovider wie Deutsche Telekom, Vodafone, 1&1 und Telefonica freiwillig eine Reihe Webseiten, die ein zusammen mit Rechteinhabern etablierter Ausschuss der Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUI) für strukturell urheberrechtsverletzend befunden hat. Seit dem Start der CUI vor zwei Jahren wurden insgesamt zehn Angebote "verurteilt“. Diese werden von den Resolvern der angeschlossenen Zugangsprovider mit Stoppschildern versehen. Auch eine der Seiten, deren Blockierung Quad9 in Deutschland aufgetragen wurde, steht auf dieser Liste. Allerdings lassen sich die Sperren mit einem einfachen Mausklick (etwa für die Nutzung von verschlüsseltem DNS im Firefox-Browser) umgehen.

Quad9 setzt die Sperren bei gleichzeitiger DNS-Verschlüsselung um – und nur für die deutschen Nutzer von Quad9. Allerdings muss die nicht kommerziell agierende Stiftung dazu einen beträchtlichen Aufwand betreiben.

Danielle Deibler, Mitgründerin und Chief Security Officer von Quad9, erklärte gegenüber heise, man bediene sich der einschlägigen MaxMind-IP-Datenbank, um deutsche Nutzer zu identifizieren. Um nicht gegen die eigene Datenschutzrichtlinie zu verstoßen, werde dies auf den Edgeservern des Resolvernetzes vorgenommen. DNS-Anfragen werden von Quad9, das als datenschutzfreundliche Alternative etwa zum Google begonnen hat, nicht geloggt.

Wenn Quad9 im Streit mit Sony unterliegt, dann könnten in Zukunft andere Unternehmen Seiten aus kommerziellen oder auch politischen Motiven sperren lassen. Andere Länder könnten sich der deutschen Praxis anschließen. Im Ergebnis könnten DNS-Resolver für Zensurmaßnahmen missbraucht werden, schreibt Quad9 auf seiner Webseite.

Hätte das Urteil Bestand, würde es nach Rickerts Ansicht auf alle Betreiber rekursiver Resolver ausstrahlen. "Wer auf einen Hinweis hin nicht direkt blockt, hat nicht nur etwa eine kostenpflichtige Abmahnung zu befürchten, sondern auch eine täterschaftliche Haftung, etwa auf Schadensersatz."

Rickert ist allerdings ebenso wie Reda und die GFF zuversichtlich, dass das Urteil in der nächsten Instanz vor dem Oberlandesgericht Dresden erfolgreich angefochten werden kann.

(tiw)