RIPE NCC schließt Plattform für Austausch mit Russland
Der hauptamtliche Arm der europäischen IP-Adressverwaltung reagiert auf Russlands Krieg gegen die Ukraine und schließt die Austauschplattform ENOG.
Das RIPE NCC hat seine Eurasia Network Operators’ Group (ENOG) geschlossen. Die 2011 installierte Plattform war für den Austausch von Netzbetreibern in Russland und Zentralasien gedacht. Nun reagiert der hauptamtliche Arm der europäischen IP-Adressverwaltung auf Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Das RIPE NCC vergibt im Auftrag seiner Mitglieder IP-Adressen und Nummern für Netze, so genannte Autonomous System Numbers (ASN). Diese sind für das Routen von Verkehr in den Netzen unverzichtbar. Obwohl ursprünglich im Herzen Europas gegründet und in Amsterdam beheimatet, betreut das RIPE NCC traditionell auch den arabischen Raum und auch Russland, Weißrussland, Georgien, Armenien, Aserbaidschan sowie die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.
Service ja, gemeinsame Diskussionen nein
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 schlugen auch die Wogen in der technischen Community hoch. Ukrainische und auch zahlreiche europäische Vertreter forderten einen harten Kurs gegenüber dem Aggressor bis hin zum Entzug russischer IP-Adressen. Wie die Domainverwaltung ICANN verweigerte sich das RIPE NCC dieser Idee und verwies auf seine Verpflichtung, alle Mitglieder zu bedienen. Die ENOG-Treffen fortzuführen sei dagegen sinnlos, schrieb Hisham Ibrahim, der beim RIPE NCC für Community Aktivitäten verantwortlich ist.
Spannungen hatte es schon nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 gegeben, ENOG-Verantwortliche hatten kurz darauf die Auflösung ihrer Plattform beantragt.
Verschiebungen in der Peering-Landschaft
Das RIPE NCC will sich laut Ibrrahim nun verstärkt auf die Arbeit in den einzelnen Ländern konzentrieren, und hat mit einem neuen Central Asia Peering Forum bereits eine neue Plattform geschaffen. RIPE NCC erwarte ohnehin deutliche Verschiebungen in der Peering-Landschaft der Region.
Wie sich der Verkehr in der Ukraine im Lauf des Kriegs entwickelt, dokumentieren Wissenschaftler von RIPE NCC kontinuierlich anhand von Netzsensoren. Zwar nehmen demnach die Verbindungen zu Netzen außerhalb des Landes ab, doch das Netz ist nach wie vor einigermaßen stabil. Ende Juni veröffentlichte das RIPE NCC auch eine Analyse der Netzinfrastruktur in Zentralasien, dessen Staaten bislang stark auf russische Routen ins globale Netz setzten und sich nun Gedanken über ihre weltweite Anbindung machen müssen.
Russland bleibe das größte Land der Region, schrieb ein russischer Netzadministrator auf der bald ebenfalls in den "Ruhestand" versetzten ENOG-Mailingliste. Alexander Isavnin, russischer Aktivist von der Free University of Moscow und selbst längst nicht mehr in der russischen Hauptstadt, wies darauf hin, Netzadministratoren und Techniker in einem Land auf Druck einer Seite aufzugeben und zu isolieren, könnte Schule machen und letztlich die Daseinsberechtigung von RIPE infrage stellen. Dmitry Kohmanyuk, einer der Administratoren der ukrainischen Adresszone .ua, konterte, es handele sich um eine selbst gewählte Isolation.
(anw)