Raspi 5 kann PS2, Wii und Ubuntu! | c't 3003
Der Raspi 5 kann mehr als nur Bastelprojekte! c't 3003 Redakteur Keno hat eine Woche damit gearbeitet und sogar PS2 und Wii-Spiele zum Laufen gebracht.
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- Jan-Keno Janssen
Der Raspi 5 eignet sich nicht nur für Bastelprojekte. c't 3003-Redakteur Keno hat den neusten Raspberry Pi 5 eine Woche im Alltag verwendet und dabei nicht nur an Teams-Calls teilgenommen, sondern auch PS2 und Wii-Spiele emuliert. Wie das geht und mit Ubuntu sonst noch möglich war, erfahrt ihr im Video.
Transkript des Videos
(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)
Guckt mal hier, auf meinem 68 Euro teuren Raspi 5 laufen Playstation-2, Wii- und GameCube-Spiele, außerdem ein vollständiges Ubuntu Linux, so richtig, mit Animationen und allem Drum und Dran! UND: ICH KANN DEN JETZT PER KNOPFDRUCK EINSCHALTEN, WEIL ES GIBT NÄMLICH ZUM ERSTEN MAL EINEN EINSCHALTKNOPF! ICH DREH DURCH!
In diesem Video gucke ich mir mal genauer an, wie sich der so in der Praxis schlägt, ob sich das Ding als Arbeitsplatz-Rechner eignet oder als Spielkonsole und auch: Was nervt im Moment noch? Ich habe das Teil eine Woche jeden Tag im Einsatz gehabt.
Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei…
Ja, wir hatten ja schon zur Veröffentlichung des Raspberry Pi 5 ein Video gemacht, und ich hatte euch da ja versprochen, dass wir uns noch mal tiefer in den Raspi 5 reinknien. Das habe ich auf jeden Fall gemacht und nicht nur eine ganze Woche auf dem Raspi 5 als Hauptrechner gearbeitet, sondern auch schön gespielt. Raspis gelten ja schon seit Jahren als ziemlich praktische Emulations-Spielkonsole.
Damit fange ich jetzt mal direkt an: Es gibt nämlich seit kurzem eine offizielle Raspi-5-Version meiner Lieblings-Spieleemulations-Linux-Distribution Batocera (dazu hatten wir auch schon mal ein Video gemacht). Das Raspi-5-Bato ist Beta, es wird also auf jeden Fall noch ein paar Wochen oder Monate dauern, bis alles richtig durch optimiert ist. Von der ebenfalls sehr populären Emulations-Distri RetroPie gibt es übrigens noch keine Raspi-5-Version, die soll aber auch demnächst kommen.
Die Batocera-Beta funktioniert erstmal absolut problemlos: Hat man das Installations-Image auf microSD oder USB-Datenträger mit dem Raspberry Pi Imager kopiert, bootet der Raspi in Sekundenschnelle hoch, also echt schnell. Und natürlich funktionieren alle 8- und 16-Bit-Systeme problemlos, das war ja schon beim Raspi 4 der Fall. Interessant wird es ab der 3D-Ära, also Nintendo 64, Sega Dreamcast, Playstation 2, Gamecube. Der Raspi 4 konnte Dreamcast schon ganz ok und auch viele Nintendo-64-Spiele klappten da schon flüssig, aber eben nicht alle. Das ist beim Raspi 5 jetzt anders, hier laufen auch N64-Problemkandidaten wie Goldeneye absolut flüssig. Und Dreamcast auch, das macht der Raspi auf der linken Pobacke, guckt mal hier, Crazy Taxi mit 60fps und der Raspi 5 so: Gähn.
Was auf dem Raspi 4 definitiv nicht ging: Playstation 2. Auf dem Raspi 5 aber jetzt schon, also zumindest in Ansätzen. Richtig spielbar ist das allerdings noch nicht, aber wie gesagt, die Batocera-Beta ist auch noch nicht optimiert. So sieht GTA San Andreas auf dem Raspi 5 zurzeit aus. Besser klappt es jetzt schon mit Nintendo GameCube, da würde ich sagen, dass da viele Titel definitiv spielbar sind. Wir haben hier übrigens extra das Bild verdeckt, weil Nintendo immer gerne mal ‘ne Welle macht, wenn hier auf YouTube Emulation gezeigt wird – hmm, ja. Und kurz vor dem Aufnehmen dieses Videos ist mir aufgefallen: Sogar Nintendo Wii lässt sich einigermaßen emulieren. Also: Emulation definitiv jetzt schon besser als beim Raspi 4. Und da wird noch einiges kommen.
Achja, was sicherlich viele von euch interessiert: Die Raspberry Pi Foundation empfiehlt ja einen Lüfter für den Raspi 5, wie verhält sich das jetzt in der Praxis? Da hatte ich, ehrlich gesagt etwas Angst vor, aber am Ende war ich dann sehr positiv überrascht: Obwohl ich den Raspi immer direkt neben meiner Tastatur liegen hatte, habe ich den Lüfter nicht ein einziges Mal gehört (außer bei Ubuntu, aber dazu später mehr). Also auch beim Spiele-Emulieren habe ich den nicht gehört. Ich habe zwischendurch immer mal wieder den Gehäusedeckel abgemacht, um zu gucken, ob der sich überhaupt drehte. Ja, drehte sich meistens, aber halt eben unhörbar. Ich würde also auf jeden Fall empfehlen, den Lüfter für ungefähr 6 Euro dazuzukaufen. Ihr MÜSST das aber nicht, der Raspi 5 läuft auch ohne stabil und ihr braucht auch keine Angst zu haben, dass ihr euren Chip durch schmort: Denn wenn das Raspi-SoC bei hoher Last 80 Grad warm wird, taktet es sich einfach runter. Dieses sogenannte Throttling sorgt dafür, dass man den Raspi auch ohne Lüfter nicht kaputt kriegt – aber klar, das kostet natürlich Leistung. Wenn ihr also nicht wollt, dass euer Rechner runtertaktet, dann doch lieber den Lüfter benutzen. Ganz konkret brachte der Lüfter bei unseren Messungen im Benchmark Geekbench bis zu 11 Prozent mehr Leistung.
Ja, und wie ist der Raspi 5 so als Alltagsrechner? Ich muss sagen, dass ich zuerst das offizielle Standard-Betriebssystem Raspberry Pi OS benutzt habe, was früher Raspbian hieß. Ja, und ok, das kann man benutzen für Alltagszeug, aber das war ja beim Raspi 4 auch schon so. Also klar, Internetseiten bauen sich beim 5er-Raspi viel schneller auf, die Gesamtschwuppdizität ist deutlich höher. Aber wenn wir mal ehrlich sind: Raspberry Pi OS läuft zwar stabil und macht, was es soll, aber es ist nicht sonderlich schön, geschweige denn komfortabel. Also zum Beispiel fehlt die von mir ständig verwendete Snap-in-Funktion, mit der man Fenster automatisch auf die Hälfte oder ein Viertel des Bildschirms einrasten lassen kann. Ok, kann ich mit leben, aber was mich echt richtig genervt hat: Die hässliche Textdarstellung von meinem Lieblings-E-Mail-Programm Thunderbird und der absolut unübersichtliche „Appstore“, also die grafische Oberfläche zum Installieren von Programmen. Nee, also, das ist nicht mehr zeitgemäß. Und: Es fehlen halt auch etliche Programme in den Paketquellen, also ich konnte vieles gar nicht installieren.
Deshalb habe ich mal Ubuntu installiert, das gibt es nämlich auch nativ für den Raspberry Pi, kann man direkt mit dem Raspberry Pi Imager installieren, muss man nicht mal manuell runterladen. Und WOW, was für ein Unterschied! Das ist wirklich die echte Ubuntu-Gnome-Desktopumgebung, also ohne irgendwelche Kompromisse. Ja, so sieht ein moderner Desktop aus, alles bewegt sich so schön wobbelig. Und hier funktioniert auch das Einrasten von Fenstern, ja, super. Außerdem: Das „Anwendungszentrum“ ist viel übersichtlicher als bei Raspberry Pi OS und hat auch viel mehr Software zur Auswahl. Ihr müsst allerdings im Hinterkopf haben, dass wir hier auf ARM-Architektur unterwegs sind, nicht auf x64 – das heißt, dass das Softwareangebot auf „normalen“ PCs natürlich noch mal besser ist. Aber was man so im Alltag braucht, das findet man auch hier.
Leider hat das Raspi-5-Ubuntu zurzeit noch einen fetten Bug: Wenn ihr den Lüfter verwendet, dreht der unter Ubuntu immer mit vollen Umdrehungen, was richtig laut ist (1,5 Sone haben wir bei c’t gemessen). Mit diesen Befehlen könnt ihr den Lüfter wieder auf die unhörbare Stufe 1 schalten:
sudo bash
cat > /sys/class/thermal/cooling_device0/cur_state
2
<CTRL-D>
Ja, also generell hat mir das richtig Spaß gemacht, den Raspi 5 mit Ubuntu als Alltagsmaschine zu verwenden. Ging echt alles super, also zum Beispiel auch irgendwelche Tonaufnahmen, mein USB-Audiointerface wurde problemlos erkannt, Videokonferenzen mit Teams auch prima, das einzige, und das ist natürlich blöd so als YouTuber: YouTube ruckelt ab 1080p, vor allem bei Videos mit 60 Bildern pro Sekunde, beim häufiger gebräuchlicher 30-fps-Standard geht’s so gerade eben, würde ich sagen. Ein paar Frames werden hier aber auch noch gedroppt, das sieht man, wenn man mal mit Rechtsklick die kuriose YouTube-Funktion „Statistik für Interessierte“ anklickt. Richtig safe klappt’s leider nur mit 720p. Das ist schade und liegt halt daran, dass der Raspi ganz wenige Hardware-Video-Decoder eingebaut hat. VP9, das ist der Codec, den YouTube primär verwendet, hat er zum Beispiel nicht. H.264 und WebM auch nicht. Genaugenommen gibt es nur einen Hardware-Videodecoder und das ist H.265. Das ist ein populärer Codec für 4K-Videos, das heißt, wenn ihr den Raspi als Wohnzimmerplayer mit Kodi oder so verwenden wollt, dann solltet ihr keine Probleme haben. Und wenn der Raspi 5 nix anderes macht als Videos abspielen, dann reicht die auch die reine CPU-Leistung für das ruckelfreie Abspielen von Videos mit nicht hardware-unterstützten Codecs. Aber halt im Browser, in YouTube, ja, da sind halt noch viele andere Dinge zu tun und da kommt der Raspi dann an seine Grenzen. Komplett ruckelfrei in 1080p60 habe ich YouTube nicht zum Laufen bekommen, also auch nicht mit so Workarounds wie der Embedded-YouTube-Seite oder Abspielen in VLC. Aber wie gesagt: Als reiner Medienspieler, also ohne dass da ein Desktop mit Browser und so noch dazu läuft, funktionieren alle gebräuchlichen Videoformate ruckelfrei.
Achso, wichtige Sache noch: Wenn ihr viel auf dem Desktop machen wollt, dann nutzt als System-Datenträger keine microSD. Schaut mal hier, das sind meine Messwerte mit Raspberry Pi OS auf microSD: 88 MB/s lesen, 32 MB/s schreiben. Und das hier ist eine USB-SSD: 360 lesen, 252 schreiben. Das ist ein RIESEN-Unterschied. Und ja, der Raspi 5 bootet auf Wunsch auch von USB-Datenträgern. Noch eleganter ist natürlich eine ins Gehäuse eingebaute NVMe-SSD, die unterstützt der Raspi 5 theoretisch auch, aber dafür braucht man noch ein Adapter-Board, das wir bislang noch nicht testen konnten.
Mein Fazit
Also der Raspi 5 ist ein superspaßiger Computer, vor allem wenn man die klitzekleine Größe und die Leistungsaufnahme von nur 3 Watt im Idle und 9 Watt bei Vollast bedenkt. Die große Frage, die ihr auch immer wieder in den Kommentaren stellt: Warum sollte man sich einen Raspi 5 kaufen und beispielsweise keinen gebrauchten Thin-Client? Schließlich kommen zum Platinenpreis von 68 Euro für den Raspi 5 mit 4 GByte RAM auf jeden Fall noch 13 Euro fürs ziemlich spezielle Netzteil dazu, und bei den meisten wohl auch noch Gehäuse, Lüfter, MicroHDMI-Kabel und System-Datenträger. Da ist man dann ganz schnell über 100 Euro, für den Preis kriegt man gebraucht einen deutlich leistungsfähigeren Thin-Client. Ja, und hinzukommt noch: Während ich das hier aufnehme, gibt es in der gesamten deutschsprachigen Welt keinen einzigen lieferbaren Raspi 5.
Dennoch sprechen schon ein paar Sachen für den Raspi: Er hat zum Beispiel GPIO-Pins und damit die Möglichkeit, mit euren Hardware-Basteleien Kontakt aufzunehmen, das bietet euch kein normaler PC. Und: Weil die Community so riesig ist, gibt es für Raspis viele genau auf die Hardware zugeschnittene Software-Projekte, wie zum Beispiel RetroPie für Spieleemulation. Da wisst ihr dann wirklich ganz genau, dass das auf eurer Hardware optimal läuft und ihr müsst nicht experimentieren. Aber für normale Desktop-Anwendungen, da seid ihr definitiv mit einem Mini-PC oder eben nem Thin-Client besser bedient. Schreibt gerne in die Kommentare, was eurer Meinung nach die beste Raspi-Alternative ist, dann machen wir dazu vielleicht auch mal ein Video. Und abonnieren natürlich gerne, danke! Tschüss!
c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t Magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.
(jkj)