CES

Smart Glasses: Wettstreit der KI-Brillen

Die CES steht ganz im Zeichen der Smart Glasses. Im Mittelpunkt steht dabei meist die Ăśbersetzungsfunktion.

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Gesicht eines Mannes mit auffälliger schwarzer Brille, die Augen schielen nach oben.

Gyges Labs' Halliday Glasses: Beim Blick aufs Display kommt der Autor ins Schielen.

(Bild: Nico Jurran/c't)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Jurran

Die Ray-Ban Meta Glasses gelten als einer der Überraschungserfolge des vergangenen Jahres: Nach Angaben des Ray-Ban-Eigentümers EssilorLuxottica waren sie etwa im dritten Quartal 2024 in 60 Prozent der Geschäfte des Unternehmens in Europa, Afrika und dem Mittleren Osten die am häufigsten verkauften Modelle. Und das, obwohl Meta AI in der EU bislang nicht verfügbar ist und sich einige KI-Funktionen der Brillen somit hier gar nicht nutzen lassen.

Nun ruft Erfolg bekanntlich Konkurrenten auf den Plan. Und tatsächlich zeigte sich bereits auf der offiziellen Vorveranstaltung CES Unveiled, dass es wohl in den kommenden Tagen in Las Vegas zahlreiche Alternativen zu den Ray-Ban Meta Glasses zu sehen geben wird. Alle Hersteller der auf der Unveiled gezeigten Alternativen stellten bei den Präsentationen die KI-Übersetzungsfunktion in den Mittelpunkt, die es dem Träger ermöglicht, den Gesprächspartner auch dann zu verstehen, wenn man dessen Sprache nicht spricht.

Man erkennt an der etwas matteren Fläche, wo auf dem Brillenglas der Text zu sehen sein wird.

(Bild: Nico Jurran/c't)

Den besten ersten Eindruck hinterließ dabei das Modell "Rokid Glasses" des gleichnamigen chinesischen Herstellers, das zusammen mit dem Brillenhersteller Bolon entwickelt wurde. Im Unterschied zur Meta-Brille bekommt der Nutzer hier die Informationen nicht nur per Sprachausgabe geliefert, sondern sieht die Übersetzung dank Augmented Reality (AR) im Brillenglas. Das ist so clever gemacht, dass die Anzeige gut in den Brillengläsern zu lesen ist – und ohne dass das Gegenüber davon zwangsläufig etwas mitbekommt. Das hat allerdings den Nachteil, dass sich die Brillengläser nicht einfach durch Korrekturgläser austauschen lassen. Korrekturgläser muss man vielmehr über eine Clip-On-Konstruktion (vom Auge aus betrachtet) vor die Gläser der Rokid Glasses stecken.

Die Rokid-Brille wird (wie die Ray-Ban Meta Glasses) von der Qualcomm-Plattform Snapdragon AR1 angetrieben. Durch die Integration des großen Sprachmodells Tongyi Qianwen von Alibaba unterstützt das Modell neben Übersetzungen in mehreren Sprachen KI-Funktionen wie Suche, Objekterkennung, Navigation und Gesundheitserinnerungen. Die mit einem Gewicht von 49 Gramm erfreulich leichte Brille soll laut Rokid mit einer Akku-Ladung bis zu vier Stunden laufen. Über das Ladeetui soll die Brille zehnmal aufgeladen werden können, wobei jede volle Ladung laut Hersteller 20 Minuten dauert.

Einen Preis nannte Rokid auf der CES Unveiled fĂĽr die KI-Brille, die im 2. Quartal 2025 auf den Markt kommen soll, nicht. Zuvor war aber schon einmal von 345 US-Dollar die Rede.

Die in Singapur beheimatete Firma Gyges Labs setzt bei seinem Modell "Halliday Glasses" ebenfalls auf AR, verwendet dabei aber ein winziges optisches Modul, das sich unauffällig in einen Brillenrahmen gewöhnlicher Größe integrieren lässt. "Unauffällig" ist auch bei der Bedienung das Stichwort: Während andere Smart Glasses per Touch am Bügel oder über die Stimme kommandiert werden, hat Gyges Labs zusätzlich einen Ring entwickelt, über den sich die smarte Brille auch per Fingertipp steuern lässt. Zudem soll die KI "proaktiv" arbeiten, was bedeutet, dass sie Nutzerbedürfnisse erkennt und Unterstützung anbietet, ohne explizit darum gebeten zu werden. So soll die "Proactiva.ai" laut Hersteller während einer hitzigen Verhandlung etwa subtile Überzeugungsvorschläge machen oder während eines Gesprächs in Echtzeit Fakten überprüfen.

Gyges Labs' Halliday Glasses: Der kleine grĂĽne Punkt am Rahmen ist das optische Modul.

(Bild: Nico Jurran/c't)

Zum "Das bekommt niemand mit"-Ansatz passt allerdings nicht so recht, dass man recht stark nach oben rechts schielen muss, um die – im Vergleich zur Rokid Glasses winzige – Anzeige ins Blickfeld zu bekommen. Die Auslösung des Mikro-Displays liegt laut Hersteller bei 400 × 400 Bildpunkten. Da das optische Modul unabhängig von den eigentlichen Gläsern arbeitet, kann man problemlos Korrekturgläser nutzen. Bei der Laufzeit verspricht der Hersteller satte 12 Stunden am Stück pro Akkuladung.

Laut Gyges Labs soll der Preis für Halliday Glasses bei 489 US-Dollar liegen und der Verkauf Ende März / Anfang April starten. Schaut man sich jedoch die Website des Unternehmens genauer an, fällt auf, dass Ende Januar erst einmal eine passende Kickstarter-Kampagne beginnen soll.

Auf einem ähnlichen Level hinsichtlich der Markteinführung bewegt sich das Modell von Loomos, das von den drei smarten Brillen den Ray-Ban Meta Glasses noch am ähnlichsten ist. Eine Anzeige gibt es wie dort nicht, dafür soll das Konkurrenzmodell dem Vorbild in praktisch allen technischen Belangen überlegen sein. Laut Hersteller bietet dessen KI-Brille erstmals eine 16 Megapixel-Kamera, mit der sich gute 4K-Bilder und 1080p-Videos auch bei schlechten Lichtverhältnissen schießen lassen. Die integrierten Lautsprecher würden "Hi-Fi Open Air Audio" liefern.

Als Prozessor kommt hier ein auf 2 GHz getakteter Quadcore-Prozessor von Unisoc (wahrscheinlich der W517) zum Einsatz, der Qualcomms AR1 nach Herstellerangaben ebenfalls schlägt. Bei der KI setzt Loomos auf ChatGPT-4o – und betont, dass der Einsatz in der EU unproblematisch sei. Der integrierte 450-mAh-Akku biete bereits eine Standby-Zeit von 40 Stunden, hinzu käme die Möglichkeit, ein 6,500-mAh-Powerbank an einem Halsband anzuschließen.

Wir hätten das Loomos-Modell auf der CES Unveiled gerne getestet, allerdings war während unseres Besuchs am Stand kein lauffähiges Modell verfügbar. So blieb nur der Eindruck, dass die laut Hersteller 49 Gramm leichte KI-Brille nicht bequemer sitzt als die Ray-Ban Meta Glasses. Auch hier soll Ende Januar aber erst einmal eine Crowdfunding-Kampagne kommen.

Heise Medien ist offizieller Medienpartner der CES 2025.

(mho)