Regierung: Bundeswehr braucht Satellitennetze IRIS2 und Starlink nicht​

CDU und CSU sind besorgt, dass die deutschen Streitkräfte auch mit dem neuen EU-Satellitennetzwerk IRIS2 vollkommen abhängig wären von ausländischen Anbietern.​

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Schulter eines Soldaten der Bundeswehr im gefleckten Tarnanzug mit Schulterklappe und Deutschlandflagge auf dem Oberarm.

(Bild: Filmbildfabrik/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung versucht Ängste der Konservativen rund um die von der EU geplante Satellitenkonstellation für hochverfügbares Breitband-Internet zu zerstreuen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zeigte sich in einer Anfrage an die Exekutive besorgt, dass hiesige Unternehmen offenbar keine oder nur eine sehr marginale Rolle beim Aufbau der "Infrastruktur für Resilienz, Interkonnektivität und Sicherheit durch Satelliten" (IRIS2) spielen. Insbesondere die Bundeswehr wäre damit bei einer wichtigen Kommunikationsressource "vollkommen abhängig von nichtdeutschen Anbietern". Dem hält die Regierung entgegen: Die Bedarfe der Bundeswehr an einer weitreichenden Anbindung würden schon anderweitig abgedeckt.

Das Bundeswirtschaftsministerium verweist dabei in der jetzt veröffentlichten Antwort auf die Satellitenkommunikation der Streitkräfte (SATCOMBw) der Stufe 2, für die der Bundestag im Mai 2022 rund 62 Millionen Euro freigab. Airbus Defence and Space betreibt für die Bundeswehr eine große Bodenstation in Weilheim. Sie dient – wie die beiden militärisch betriebenen Pendants an den Standorten Gerolstein und Kastellaun – als Ankerstation für die Datenübertragung zu und von den Satelliten und als Schnittstelle zu den terrestrischen Kommunikationsnetzen. Das Verteidigungsministerium sieht in der damit gegebenen "Verfügbarkeit eigener Übertragungskapazität" auf Erdtrabanten eine "Grundvoraussetzung für die Landes- und Bündnisverteidigung". Der aktuelle Vertrag mit Airbus läuft bis Ende 2028. Die Regierung hat aber bereits eine weitere Verlängerung mit Stufe 3 im Blick.

"Eine zusätzliche Bedarfsdeckung und Resilienzsteigerung zur Anbindung der Streitkräfte über IRIS2 ist in Prüfung", fügt das Wirtschaftsressort hinzu. Grundsätzlich hingen "Aufbau, Weiterentwicklung oder Erhalt von Fähigkeiten der Bundeswehr nicht allein von der Beteiligung der deutschen Industrie an multinationalen oder europäischen Projekten wie IRIS2 ab". Die Streitkräfte verfügte mit SATCOMBw "über die Fähigkeiten, stabile Datenverbindungen herzustellen". Prinzipiell sei die Bundeswehr auch nicht auf die Verfügbarkeit des kommerziellen Satellitennetzwerks Starlink von Elon Musks Konzern SpaceX angewiesen, "um Forderungen an eine satellitengestützte Kommunikation abzudecken". Diese Form der Internetversorgung nutzt das Militär der Ukraine an allen Fronten im Krieg gegen die russischen Truppen. Es wird etwa zur Drohnensteuerung und für Kontakte zu schwer erreichbaren Einheiten eingesetzt.

Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben behielten sich die Nutzung von IRIS2 "im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vor", berichtet die Regierung. Da die Konditionen und Voraussetzungen für einen Zugang noch offen seien, könne eine weitere Beurteilung dieses Aspekts noch nicht erfolgen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) überraschte jüngst mit dem Vorschlag, den Start der EU-Satellitenkonstellation zu verschieben und ans Reißbrett zurückzukehren. Aufziehen will IRIS2 ein Konsortium europäischer Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen unter der Führung von Airbus, dem etwa auch Eutelsat, Hispasat, SES, Thales, die Deutsche Telekom, Orange und OHB aus Bremen angehören. Statt über 6 hat diese SpaceRise-Allianz mittlerweile einen Preis von fast 12 Milliarden Euro veranschlagt, um das Netzwerk zum Laufen zu bringen. Habeck monierte diesen "exorbitanten" Preis.

Solche Kritik ist in der Antwort des Wirtschaftsressorts nicht zu lesen. IRIS2 diene der Errichtung eines sicheren weltraumgestützten globalen Kommunikationssystems der EU und leiste damit "einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der europäischen Souveränität im Weltraum", heißt es darin. "Es soll hochsichere Konnektivität und Kommunikation für staatliche, zivile und sicherheitskritische Dienste gewährleisten und auch den Breitbandzugang in der EU durch kommerzielle Satellitendienste ermöglichen." In einer groben Abschätzung betrage der Finanzierungsanteil Deutschlands in der laufenden Haushaltsperiode bei veranschlagten Gesamtkosten des Programms von 2,4 Milliarden Euro circa 580 Millionen Euro. Frankreich müsste rund 400 Millionen Euro beisteuern. Die im Raum stehende Kostenerhöhung hat die Regierung dabei noch nicht berücksichtigt. Deutschland und Frankreich wollen zudem das IRIS2-Begleitprogramm der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) mit je mehreren hundert Millionen Euro kofinanzieren.

(mki)