Regierung plant deutlich schärfere Energievorgaben für Rechenzentren

Ein Gesetzesentwurf des BMWK sieht strikte Vorgaben für Rechenzentren vor, die den Betrieb nachhaltiger machen sollen. Der Bitkom kritisiert den Vorstoß scharf.

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Cloud, Rechenzentrum,

(Bild: Gorodenkoff / shutterstock.com)

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Von
  • Hubert Sieverding
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Nach anderen Industriebereichen sollen zukünftig auch die Betreiber von Rechenzentren und anderer IT-Anlagen mit strengeren Klimaschutzauflagen sowie Auditierungspflichten belegt werden – nicht ohne tiefgreifende Folgen. Dies sieht der Entwurf für ein "Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz, Verbesserung des Klimaschutzes im Immissionsschutzrecht und zur Umsetzung von EU-Recht" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vor, das in Teilen bereits ab 2024 gelten soll.

Der Gesetzesentwurf ist noch nicht veröffentlicht worden, liegt der Redaktion der iX jedoch vor. Darin will das BMWK unter anderem regeln, welchen Strom Rechenzentren oder IT-Anlagen beziehen müssen und macht Vorgaben für die Energieeffizienz der Infrastruktur sowie den Grad der Wärmeauskopplung. Dabei unterscheidet der Vorschlag aus dem Haus von Bundesminister Robert Habeck (Grüne) dabei zwischen RZ- und IT-Betreibern. Große Rechenzentren müssten dem Entwurf zufolge einzuführende Energiemanagementsysteme zertifizieren und Umweltmanagementsysteme validieren lassen.

Letzteres ist für andere Bereiche, wie die Landwirtschaft, seit Jahren vorgegeben und mit erheblichem Bürokratieaufwand verbunden. Zum Glück fallen in der IT fast alle Monitoring-Daten digital an, sodass das laufende Meldewesen nach einer Anlaufphase nahezu voll digitalisiert ablaufen dürfte. Aus Sicht der Kunden positiv ist die geplante Schaffung eines zentralen Energieeffizienzregisters für Rechenzentren: Viele Data Center werben bereits heute mit der Verwendung grünen Stroms, doch messbar ist dieser Anteil leider nicht.

Ab Januar 2024 müssten Rechenzentren ihren Energiebedarf zu 50 Prozent mit ungefördertem Strom aus erneuerbaren Energien decken, ab Januar 2025 zu 100 Prozent. Neue Anlagen, die ihren Betrieb ab Januar 2025 aufnehmen, sollen dem BMWK zufolge einen PUE-Wert (Power Usage Effectivenese) kleiner oder gleich 1,3 und einen Abwärmenutzungsgrad von 30 Prozent (ab 2027: 40 Prozent) vorweisen. Dem Ministerium ist dabei bewusst, dass der PUE keine Aussage über die Effizienz der IT-Systeme macht – nur fehlt es an besseren, belastbaren und vor allem einheitlichen Indikatoren.

Erhebliche Auswirkungen für Anbieter von luftgekühlter Server-Technik hat die für RZ-Neubauten ab 2024 vorgesehene Vorgabe der minimalen Kühllufteintrittstemperatur von 24 Grad Celsius, die ab 2028 auch für Bestandsrechenzentren auf 27 Grad angehoben werden soll und insbesondere für luftgekühlte GPU-Server in 1HE-Schachteln das Aus bedeuten dürfte.

Betreibern von Rechenzentren, die bereits heute einen niedrigen PUE von knapp über 1 erreichen und mit Kyoto-Rädern kühlen, dürften große Probleme mit der Umsetzung des geplanten § 29 zur Abwärme bekommen. Zwar erfüllen sie bereits die Vorgabe, "Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden und die anfallende Abwärme auf den Anteil der technisch unvermeidbaren Abwärme zu reduzieren". Dennoch ist die Vorgabe, dass eine vollständige Abwärmenutzung spätestens bis zum Ende des Jahres 2028 erfolgen muss, für sie faktisch kaum lösbar.

Der Entwurf zielt klar auf die heute verbreiteten Data Center mit Luft- oder Wasserkühlung ab und verpflichtet sie, "Nah- und Fernwärmebetreibern und sonstigen potenziellen wärmeabnehmenden Unternehmen" unter anderem Auskunft über die thermische Leistung, deren zeitliche Verfügbarkeit, Temperaturniveau und Preis zu geben. Für RZ-Neubauen engt dies die Standortwahl erheblich ein: Auf das Land wird nur ziehen, wer eine Algenfarm oder ein Gemüsegewächshaus mit plant. In der Nähe von Wohngebieten dürften die Gewerbeflächen teurer werden.

Der Gesetzentwurf unterscheidet übrigens zwischen RZ- und IT-Betreibern, wie in Co-Locations üblich. IT-Betreiber, deren Hardware mehr als 50 kW Energie zieht, unterliegen den gleichen Vorgaben wie RZ-Betreiber. Diese wiederum sollen bereits ab 2023 dem Kunden den Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten ausweisen und geeignete Monitoring-Daten bereitstellen und so einen Anreiz zum Energiesparen geben.

Der Digitalverband Bitkom kristisiert den Gesetzesentwurf scharf und klagt die "grüne" Energiepolitik der Bundesregierung an, die bei höheren Kosten eine schlechtere CO₂-Bilanz aufweisen würde, als andere europäische Länder. Kurzum: Der Verband fürchtet, dass das Gesetz zu einer Abwanderung der RZ-Betreiber in EU-Ländern mit sehr guter Glasfaseranbindung und reichlich Atomstrom führt.

Auch zweifelt der Bitkom die Pflicht zur Abwärmenutzung an. Bereits heute gäbe es ein Überangebot an RZ-Abwärme, es sei jedoch kaum geeignete Fernwärmeinfrastruktur vorhanden, betont Bitkom-Präsident Achim Berg. Zudem stünden viele Stadtwerke der RZ-Abwärme skeptisch gegenüber, auch weil die RZ keine Wärmeliefergarantie geben können.

(jvo)