Regierungen für "Frühwarnsystem" gegen missliebige Domains

Die Regierungsvertreter in der Netzverwaltung ICANN bleiben bei ihrem Wunsch nach Einspruchsmöglichkeiten gegen neue Top-Level-Domains am Ball und schlagen eine Art "Frühwarnsystem" vor.

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Von
  • Monika Ermert

Vertreter der Regierungen fordern von der Netzverwaltung ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) ein "Frühwarnsystem" für möglicherweise unliebsame neue Top-Level-Domains (TLD). Im Rahmen eines zweitägigen Sondertreffens des ICANN-Vorstands mit Mitgliedern des ICANN-Regierungsbeirates (GAC) in Brüssel bestanden die Regierungen zudem auf Einspruchsrechten und weitere Zugeständnisse an Markeninhaber. Damit verzögert der Streit zwischen Regierungen und der ICANN das Verfahren für die Einführung neuer TLD weiter. Die ICANN-Spitze hofft dennoch, mit der Bewerbungsrunde für neue Domains noch 2011 starten zu können. Auch deutsche Regierungsvertreter wollen den Prozess rasch voranbringen, da erste Bewerber schon lange in den Startlöchern sitzen.

Nicht durchsetzen konnte sich der vom US-Handelsministerium vorgelegte Vorschlag, Regierungen de facto ein Vetorecht gegen unliebsame Domain-Anträge einzuräumen. "Wir sprechen hier nicht über ein Vetorecht", betonte der britische Regierungsvertreter Mark Cavell. In einem neuen Papier behalten sich die Regierungen aber ein Einspruchsrecht vor. Widersprüche einzelner Regierungen sollen im Regierungsbeirat debattiert und als Empfehlung an den ICANN-Vorstand zur Entscheidung weitergegeben werden, erläuterte Suzanne Sene von der zum US-Handelsministerium gehörenden Telekommunikationsbehörde NTIA.

Allerdings mussten sich die Regierungsvertreter in Brüssel mehrfach fragen lassen, wie ihre Vorschläge in ein operables und für die Bewerber transparentes Verfahren gegossen werden könnten. Mit Blick auf ein generelles "Frühwarnsystem", für das sich der GAC-Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums Hubert Schöttner stark machte, wollten die ICANN-Direktoren wissen, wie früh die Regierungen solche Warnungen aussprechen könnten und welche Konsequenzen daraus für die jeweiligen Bewerber folgen sollten. Das Frühwarnsystem soll laut Schöttner auch für geographische Namen jenseits der ohnehin geschützten Länder, Bundesländer und Städte greifen.

"Immerhin haben die Bewerber mit Abgabe der Bewerbung 185.000 US-Dollar und mindestens noch einmal so viel für die Vorbereitung ihrer Bewerbung investiert", mahnte ICANN-Direktor Bruce Tonkin, die Interessen der Bewerber zu berücksichtigen. Selbst wenn ICANN einen Teil oder die gesamte Antragsgebühr erstattet, bliebe der Bewerber auf hohen Kosten sitzen. GAC-Empfehlungen für die Nicht-Zuteilung einer TLD müssten daher gut begründet und verfahrenstechnisch einwandfrei sein, sagte Tonkin. Der GAC müsse auch sicherstellen, dass er in seinen Entscheidungen nicht durch gezielte Lobby-Arbeit manipuliert werde.

Der inzwischen ins ICANN-Direktorium gewechselte ehemalige französische GAC-Vertreter Bertrand de la Chapelle warnte davor, dass sich einzelne Regierungen vor den Karren einer Branche spannen lassen könnten. Das vom GAC vorgeschlagene Einspruchsrecht gegen Domainnamen regulierter oder besonders gefährdeter Branchen könnte etwa zum Einspruch gegen ".music" auf der Basis entsprechender Lobbybemühungen führen, sagte de la Chapelle.

Als kaum umsetzbar bezeichnete der ICANN-Vorsitzende Peter Dengate Thrush auch die Regierungsforderung, nicht nur reine Markennamen zu schützen, sondern auch Verbindungen der Markennamen mit "Schlüsselwörtern" und vom Markeninhaber bestimmte unterschiedliche Schreibweisen. Dengate Thrush erkennt das Schutzbedürfnis der Markeninhaber an, hält einen umfassenden Schutz aber für nicht machbar. Er erinnerte die Regierungen auch daran, dass gerade beim Markenschutz hart um einen Kompromiss gerungen worden war. Dieses Fass jetzt anhand der noch unfertigen Regierungsforderungen erneut aufzumachen sei problematisch. (vbr)