Regierungsentwurf zur Urheberrechtsnovelle heftig umstritten

Während die Unterhaltungsindustrie, die GVU sowie Politiker von CDU und FDP den Wegfall der P2P-Bagatellklausel als Sieg der Vernunft feiern, beklagen Verwertungsgesellschaften eine massive Schädigung der Urheber.

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Der am gestrigen Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform entzweit weiter die Gemüter. Während die Unterhaltungsindustrie und CDU-Politiker den Wegfall der P2P-Bagatellklausel als Sieg der Vernunft feiern, beklagen Verwertungsgesellschaften eine massive Schädigung der Urheber. Nach Verbraucher- und Nutzervertretungen protestiert zudem jetzt auch der Chaos Computer Club (CCC) gegen die beschlossenen Änderungen. Die Datenreisenden fordern den Gesetzgeber in einem scharfen Appell zum Umsteuern auf: "Anstatt den Startschuss zu geben zu einer zu erwartenden Überlastung der Gerichte durch die massenhafte Verfolgung meist jugendlicher Filesharer, muss die Politik in erster Linie den Verbraucher vor einer immer hemmungsloser werdenden Rechteverwerterlobby schützen."

Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat den Kabinettsbeschluss dagegen als "fairen Ausgleich" begrüßt. Er habe ihm insbesondere auch deshalb zugestimmt, weil er die im Regierungsentwurf der letzten Legislaturperiode enthaltene Bagatellregelung nicht mehr vorsieht. Das ist laut dem CDU-Politiker ein "wichtiges Signal dafür, dass der Schutz des geistigen Eigentums als einem der wichtigsten kulturellen Güter essenziell ist" und eine Verletzung nicht heruntergespielt werden dürfe. Neumann hatte sich massiv für den Wegfall der Regelung eingesetzt, die illegales Kopieren zumindest für private Zwecke in geringem Umfang straffrei gestellt hätte. Der neue Regierungsentwurf sieht nun vor, dass Downloads rechtswidrig hergestellter und öffentlich zugänglich gemachter Vorlagen aus dem Internet ohne Ausnahme als Straftat zu behandeln sind. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hält die damit verbundene herbe Niederlage für Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ebenfalls für "eine gute Nachricht für die Schöpfer und die Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke".

Auch der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, und der Berichterstatter der Union für das "geistige Eigentum" im Rechtsausschuss des Bundestags, Günter Krings, freuen sich über die Streichung der Gnadenklausel für rechtsbrecherische Filesharer. Durch den Kabinettsentwurf stärkt die Regierung ihrer Ansicht nach "grundsätzlich die Rechte der Urheber und geht damit auf die Anforderungen und neuen Herausforderungen des Urheberrechts in einer Informations- und Wissensgesellschaft ein". Das Aktionsbündnis für "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" sieht die Sache aber ganz anders.

Rückendeckung erhalten die Politiker insbesondere von der sich besser geschützt fühlenden Filmindustrie. "Es wäre ein rechts- und ordnungspolitisch völlig widersinniges Signal gewesen, vorsätzlich begangene Urheberrechtsverletzungen per Gesetz straffrei zu stellen", gratuliert Steffen Kuchenreuther, Präsident der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (SPIO), zur Streichung der Bagatellklausel. Ähnlich hat sich die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) zu Wort gemeldet. Ihrer Ansicht nach wäre die Einführung der Straffreistellung "rechtspolitisch verfehlt" gewesen. An der Praxis der Strafverfolgungsbehörden und der GVU-Arbeit werde sich nichts ändern: "Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht werden im Rahmen der Möglichkeiten der Strafprozessordnung auch heute ohne eine Bagatellregelung gegen Auflagen in Form einer Geldbuße und unter Einziehung der Raubkopien sowie der zu ihrer Herstellung benutzten Geräte sachgerecht beendet", sagt Jan Scharringhausen, Leiter der GVU-Rechtsabteilung.

Ein Dorn im Auge ist der privaten Fahndungsorganisation, die jüngst wegen Verstrickungen in Raubkopiererfälle in die Kritik geriet, gleichzeitig ein "flächendeckendes Vorgehen gegen Endverbraucher und die Einleitung von Massenverfahren" etwa durch die Logistep-Strafanzeigenmaschinerie. "Die Überschwemmung von Strafverfolgungsbehörden mit Strafanträgen gegen eine große Zahl von Verbrauchern ist zu keinem Zeitpunkt der strategische Ansatz der GVU gewesen und wird es auch in der Zukunft nicht sein", erklärt GVU-Geschäftsführer Jochen Tielke. "Bedeutsame Verfahren" gegen kommerzielle Raubkopierer drohten sonst unterzugehen.

Auf die Palme bringt Urhebervertreter derweil die geplante Neuregelung der Vergütungspauschale mit ihrer Deckelung bei fünf Prozent des Neukaufpreises abgabenpflichtiger Geräte oder Speichermedien. "Die Arroganz der Ministerien, mit der über die eingebrachten Bedenken und Veränderungsvorschläge hinweggegangen wurde, kann jetzt im schlimmsten Fall dazu führen, dass über Jahre hinaus überhaupt keine Vergütungen für das private Kopieren und Speichern urheberrechtlich geschützter Inhalte mehr von der Industrie gezahlt werden", fürchtet VG-Wort-Vorstand Ferdinand Melichar. "Die urheberrechtliche Leistung wird somit zum Spielball des Preiskampfes großer Konzerne auf dem weltweiten Markt elektronischer Produkte", moniert auch die SPIO.

Der neu aufkochende Kampf um die Zukunft des Urheberrechts macht deutlich, dass politische und gesellschaftliche Gruppierungen nach wie vor entgegengesetzte Vorstellungen von der künftigen Wissensgesellschaft und ihren ökonomischen Modellen haben; sie versuchen zudem, ihre Positionen immer heftiger zu verteidigen. Geht es der einen Seite um die Anerkennung einer neuen kollaborativen Form der Produktion von Ideen und Werken über das Web mithilfe einer Vielzahl an "sozialen" Softwareapplikationen, steht für die andere Seite die Übertragung traditioneller Kreations- und Verwertungsmodelle auf das Internet im Vordergrund.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)