Reines Online-Studium​: "Noten werden besser, Abbrecherquote steigt"

Die Studierenden dieser Tage sind zu bedauern: keine Präsenzvorlesungen, keine Praktika, keine Partys. Dieser digitale Zeitabschnitt bleibt nicht spurlos.

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(Bild: insta_photos/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg

Professor Christian Klöffer

Studierende, die im Frühjahr 2020 ihre Ausbildung begonnen haben, sahen ihre Kommilitonen und Professoren – wenn überhaupt – dann kaum persönlich. Sie trafen sie in zahllosen Zoom- und Teams-Meetings. Vorlesungen finden während der Pandemie häufig online statt. Ein klassisches Studentenleben gibt es nicht. Der digitale Zeitabschnitt geht an dieser Generation Studierender nicht spurlos vorbei, meint Professor Dr. Christian Klöffer, Leiter mehrerer Studiengänge an der Fakultät Elektrotechnik, Medizintechnik und Informatik der Hochschule Offenburg.

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Hat die Pandemie ihre Tätigkeit als Professor beeinflusst?

Zu Beginn des Lockdowns hat sich meine Arbeit massiv verändert, weil wir komplett auf Onlinelehre umgestellt haben. In Grundlagenfächern fand ein radikaler Wandel statt, weil in diesen Vorlesungen klassischerweise an der Tafel vorgerechnet wird. Digital funktioniert diese Form der Wissensvermittlung nicht, deshalb musste ich umdenken und hatte glücklicherweise meine Tafelaufschriebe am Tablet vorbereitet. Die Dateien konnte ich deshalb direkt nutzen.

Bei anderen Vorlesungen, die vorher schon auf Powerpoint-Folien basierten, war die Umstellung weniger drastisch, weil diese Dokumente ebenso online verwendet werden können. Was komplett verloren ging sind die Rückmeldungen der Studierenden. Sie konsumieren online meist was ihnen vorgesetzt wird, ohne nachzufragen.

Seit wann findet das Studium in Offenburg online statt?

Ab April 2020 fanden keine Präsenzvorlesungen mehr statt, alle Veranstaltungen waren online. Aktuell lehren wir hybrid und bieten parallel Vorlesungen in Präsenz und Online an.

Wie läuft es für die Studenten?

Das hängt davon ab, ob es Studienanfänger oder fortgeschrittene Studierende sind. Erfahrene Master-Studierende kommen ganz gut mit der Situation zurecht. Sie melden sogar Positives zurück: Manche meiner Kollegen und auch ich zeichnen die Vorlesungen auf, sodass die Studierenden zeitlich flexibel sind, wann sie sich die Videos anschauen. Diese Möglichkeit nutzen höhere Semester häufiger. Studienanfänger sind noch das Schulleben gewohnt. Für diese Gruppe ist es online und damit ungewohnt recht schwierig, Selbstverantwortung zu übernehmen und Eigenmotivation aufzubauen. Für sie ist die Situation echt hart.

Der Lockdown könnte dazu führen, dass es Bachelor-Absolventen gibt, die selten in einer Präsenzvorlesung waren. Hat das Auswirkungen auf die Qualifikationen der Absolventen?

Ich befürchte eine viel höhere Abbrecherquote als sonst, weil viele Studierende mit dem eigenverantwortlichen Lernen fern der Hochschule und isoliert am Laptop nicht zurechtkommen. Fachlich qualitative Unterschiede zu anderen Generationen wird es nicht geben. Aber eine Vielzahl der Absolventen in nächster Zeit wird keinen oder nur wenig Kontakte zur realen Arbeitswelt gehabt haben. Praktika finden zurzeit so gut wie keine statt. Für die persönliche Entwicklung der jungen Leute ist es zudem extrem schade, dass es kein Studentenleben gibt. Zuerst kein Abiball, dann keine Studentenpartys, dabei sollte studieren mehr als lernen sein.

Stellen Sie bereits erhöhte Abbrecherquoten fest?

Noch nicht, denn solche Entwicklungen laufen zeitversetzt ab. Prüfungen werden verschoben oder wiederholt, so zieht sich der Prozess bis zum Abbruch über zwei, drei Semester hin. Wir versuchen aber jetzt schon dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem wir zusätzliche Betreuung anbieten in Form von Fragestunden und Übungen. So versuchen wir mit den Studierenden ins Gespräch zu kommen. Manchmal klappt das, leider nicht immer.

Immer wieder berichten Professorinnen und Professoren von besseren Noten in Prüfungen während der Pandemie. Auch Klausuren finden online statt. Machen Sie ebenfalls diese Erfahrung?

Die Noten in Klausuren oder Abschlussarbeiten werden durchschnittlich teilweise besser, das stimmt. Das lässt vermuten, dass die Studierenden mangels Alternativen während der Pandemie in ihrer Freizeit mehr lernen als andere Jahrgänge. Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Steigerung allein den Studierenden richtig zugeordnet ist. Denn ich stelle bei mir und manchen meiner Kollegen fest, dass wir die Studierenden wegen ihrer misslichen Situation mit etwas leichteren Klausuren oder weniger kritischen Bewertungen schonen. Wahrscheinlich sind die besseren Notendurchschnitte eine Kombination aus Verhaltensänderungen auf beiden Seiten.

Ist Online studieren in technischen Studiengängen eher möglich, als wenn Übungen für den späteren Beruf zwingend notwendig sind, etwa im Lehramtsstudium der Probeunterricht?

Davon gehe ich aus. Am allereinfachsten ist das Onlinestudium an einer Universität in einem technischen Studiengang, weil ein solches Studium größtenteils aus theoretischen Vorlesungen besteht und selten praktische Übungen beinhalten. Theorie lässt sich grundsätzlich immer online vermitteln. Zudem findet an Universitäten erfahrungsgemäß nur minimale Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden statt.

Fachwissen ist wichtig, soziale Kompetenzen gleichermaßen. Können die Studierenden in digitalen Meetings solche überhaupt erwerben?

Das ist eher schwierig, weil in Onlineveranstaltungen keine privaten Dinge ausgetauscht werden. Es ist aber schon auch wichtig im Studierendenkreis bei einem Kaffee oder in der Mensa über Hobbies und das vergangene Wochenende zu sprechen. Das findet während Onlinesemestern leider nicht statt. Ein Onlinestudium hilft dem Aufbau sozialer Kompetenzen so gut wie nicht.

Die Pandemie hat Homeoffice gefördert, trägt sie auch dazu bei, dass es künftig mehr Onlinestudieninhalte gibt?

Im Studium läuft es wie am Arbeitsplatz: Der Onlineanteil steigt, in beiden Fällen beschleunigt durch Corona. Ich finde, Online hat schon seine Vorzüge und eine Mischung finde ich nicht verkehrt. Deshalb werden wir in Offenburg unser Onlineangebot ausbauen und hybride Studienformen anbieten. Andere Hochschulen werden das sicher auch tun, davon bin ich überzeugt.

Bringt Corona einen einzigartigen Absolvententyp hervor?

Wenn Vorlesungen ein weiteres Jahr überwiegend online stattfinden, dann werden sich diese Absolventen von anderen Generationen durchaus unterscheiden. Nicht negativ, sondern anders, indem sie etwa die Home-Hochschule verinnerlicht haben. Der Austausch der aktuell Studierenden wird dann wohl mehr digital stattfinden als bei anderen Absolventen.

(axk)