Renate Künast: Verbraucher sollten sich gegen teure 0190-Dialer wehren
Die Verbraucherministerin äußert sich im Interview mit c't zur aktuellen Flut an unseriösen 0190-Angeboten.
Die derzeitige Invasion von überteuerten Dialer-Programmen hat nun die Politik auf den Plan gerufen. Das Bundesverbraucherministerium will Programmen, die bis zu 900 Euro für einen einzigen Anruf an sich raffen, ein Ende setzen. Das folgende Interview mit Verbraucherministerin Renate Künast zu diesem Thema war ursprünglich für die aktuelle c't-Ausgabe 6/2002 vorgesehen. Da es erst kurz nach Redaktionsschluss vorlag, veröffentlichen wir es an dieser Stelle.
c't: Kleine Programme, die über das Internet automatisch installiert werden, wählen kostenpflichtige 0190-Nummern an. Doch selbst wenn Kinder oder technisch wenig versierte Familienangehörige dadurch die Telefonrechnung in die Höhe treiben, können die Betreiber der Nummern die Rechnung erfolgreich einklagen. Neuerdings sind diese Nummern frei tarifierbar. Nunmehr genügen bereits einige falsche Klicks mit der Maus, um einen 900 Euro teuren Anruf auszulösen. Halten Sie es für sinnvoll, dass derart teure Nummern überhaupt zulässig sind?
Renate Künast: Grundsätzlich sind die so genannten Internet-Dialer, von denen Sie sprechen, ein einfaches und kostengünstiges Abrechnungsverfahren. Dienstleistungen, die über die Telefonleitung erbracht werden, also über den Telefon-, Fax- oder Internet-Anschluss, können so leicht verrechnet werden. Sie sind gut für die Nutzer, zum Beispiel, wenn damit Nachschlagewerke für Spezialgebiete per Gebühren aktuell abgefragt werden können. Als überzeugte Nutzerin des Internet schätze ich diesen Informationsservice sehr. Insofern macht es Sinn, 0190er-Nummern zuzulassen. Doch diese neuen Abrechnungstechniken sind offenbar nicht ausreichend gegen Missbrauch abgesichert. So kommt es zu den beschriebenen Vorgängen, die die Nutzer nicht überschauen und sie finanziell extrem belasten.
Dass die Preise für diese Dienstleistungen frei tarifierbar sind, ist nicht zu beanstanden. Allerdings muss dringend über das Abrechnungsverfahren nachgedacht werden. Dieses Verfahren hat sich aus der Bezahlung von Telefongebühren entwickelt, also aus relativ begrenzten und überschaubaren Beträgen. Bei Beträgen wie 900 Euro für einen Anruf muss mit einem anderen Verfahren abgerechnet werden.
c't: Was empfehlen Sie Verbrauchern, auf deren Telefonrechnung plötzlich hohe Beträge für solche Verbindungen auftauchen?
Künast: Ich empfehle den Gang zur Verbraucherberatung. Dort erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher erste Tipps, wie sie sich in ihrem speziellen Fall am besten wehren können. Wer seiner Sache sicher ist, sollte den Konflikt nicht scheuen. Denn unseriöse Betreiber spekulieren zum Teil darauf, dass die Kunden nicht dagegen vorgehen, sich nicht wehren.
c't: Welche Maßnahmen wären denkbar, um die aktuelle Flut an unseriösen 0190-Angeboten einzuschränken?
Künast: Ich meine, es muss sehr schnell etwas geschehen. Deshalb möchte ich zuallererst an die Telekommunikationsunternehmen appellieren, Abhilfe zu schaffen. Sie haben daran aus mehreren Gründen selbst das größte Interesse. Die seriösen Anbieter und die Telekommunikationsunternehmen sind gefordert, hier konsequent vorzugehen.
Manche Unternehmen weisen zum Beispiel Kunden ausdrücklich darauf hin, wenn sie ihre sonst üblichen Gebühren überschreiten. Außerdem empfehle ich, dafür zu sorgen, dass die Abrechnung der Mehrwertdienste und der Telekommunikationsdienstleistung voneinander getrennt erfolgen. Dann muss der Dienstleister vor Gericht nachweisen, dass seine Gebühren rechtmäßig entstanden sind und kann sich nicht hinter einem Telekommunikationsunternehmen verbergen. Die Telekom geht bereits jetzt in diese Richtung. Das begrüße ich. Außerdem sind wir im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe um die Verbesserung der rechtlichen Voraussetzungen für mehr Kundenschutz bemüht.
c't: Könnte nicht etwa die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die Vergabe von 0190-Nummern besser überwachen und Anbieter, die mit besonders kundenunfreundlichen Methoden arbeiten, sperren?
Künast: Wir haben darüber mit der Regulierungsbehörde schon vor längerer Zeit gesprochen. Dieser Sachverhalt wird auch dort zur Zeit geprüft.
c't: Erwägen Sie beziehungsweise die Bundesregierung eine Änderung der Gesetzeslage, um dem Verbraucher einen besseren Schutz zu gewähren?
Künast: Zunächst grundsätzlich: Ohne wirksamen Schutz der Verbraucher gibt es keinen Markt. Dies gilt im Netz noch mehr als beim herkömmlichen Marktgeschehen. Wenn der Verbraucherschutz nicht garantiert wird, schadet dies den elektronischen Dienstleistungen. Dann nimmt der Großteil der Bevölkerung nicht daran teil, weil er dem Medium nicht vertraut. Das finden die Anbieter sicher nicht erstrebenswert. Wenn also im Netz ein Markt gut funktionieren soll, müssen zunächst die Anbieter auf diesem Markt dazu beitragen -– zum Beispiel durch ein Label für geprüfte Angebote. Dies gilt auch für die Dienstleister, die die Infrastruktur bereitstellen. Deshalb appelliere ich so deutlich an die Telekommunikationsunternehmen.
Aber wenn ich mir die Szenerie anschaue –- und den Ärger, den es für die Kunden auf diesem Gebiet gibt –- kann ich mir vorstellen, dass auch eine Verbesserung der Rechtslage für die Kunden gebraucht wird. Für eine Novellierung des Telekommunikationsgesetzes werden wir erforderlichenfalls entsprechende Vorschläge vorlegen.
Mehr zum Thema in der aktuellen c't 6/02: Wider die Dialer-Mafia (Jo Bager) / (ad/c't) / (anw)