Rennen um Registry-Betrieb für .net noch nicht entschieden

Kritiker bemängeln schwere Fehler im Prüfbericht über die Bewerber für die .net-Domain; die ICANN-Organisation für Top Level Domains beantragte einen Stopp der Verhandlungen mit VeriSign.

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Von
  • Monika Ermert

VeriSigns Erstplatzierung bei der Ausschreibung für den Registry-Betrieb der .net-Domain wird angefochten. Nach Informationen von heise online gibt es einen Antrag aus der Generic Name Supporting Organisation (GNSO) der ICANN an den Vorstand der Internet-Verwaltung, die Verhandlungen mit VeriSign beziehungsweise jedem anderen Verhandlungspartner so lange zu stoppen, bis Fehler in der Evaluation überprüft sind. Der Hauptkritikpunkt in dem Antrag, der beim bevorstehenden ICANN-Treffen in Mar del Plata eingebracht werden soll, ist die mangelnde Gewichtung des Kriteriums Wettbewerb im Prüfbericht, den der Dienstleister Telcordia für ICANN erstellte.

Die GNSO, das für die Politik rund um generische Top Level Domains (gTLDs) verantwortliche Selbstverwaltungsgremium innerhalb der ICANN, hatte eine verbesserte Wettbewerbssituation als wichtigstes relatives Kriterium festgelegt, das bei gleicher Erfüllung der absoluten Kriterien Stabilität, Sicherheit, technische und finanzielle Sicherheit den Ausschlag geben sollte. Genau darüber habe sich Telcordia aber hinweggesetzt. Der Vorstand soll nun, so heißt es im Antrag, die vom ICANN-Büro angekündigten Verhandlungen mit VeriSign bis zur Klärung stoppen. ICANNs Büro in Marina del Rey hatte unmittelbar nach der Veröffentlichung des Berichtes von Telcordia angekündigt, man werde sofort Verhandlungen mit VeriSign aufnehmen, eine weitere Überprüfung des Telcordia-Berichtes schien trotz viel Kritik nicht geplant.

Abgesehen vom drittplatzierten Afilias sagten alle unterlegenen Bewerber gegenüber heise online, sie hätten die Absicht, Fehler im Telcordia-Bericht richtig zu stellen. Philip Grabensee von Afilias sagte: "Wir sind in ein paar Punkten anderer Meinung als der Bericht und sicher enttäuscht, dass unsere Erfahrung bei der Migration einer großen TLD nicht so gewürdigt wurde, wie wir das gerne gehabt hätten. Aber für uns ist die Ausschreibung gelaufen, nachkarten werden wir nicht." Afilias als Technischer Partner der Public Internet Registry ist bereits bei .org im Spiel und galt daher nicht als Spitzenkandidat.

Enttäuschung über die Entscheidung äußerten auch die .de-Registry DeNIC und das Registrar-Konsortium Core. Vertreter beider Bewerber, DeNIC-Vorstandsfrau Sabine Dolderer und Core++- Business-Chef Elmar Knipp, betonten ebenfalls, sie würden einzelne Bewertungen im Telcordia-Bericht anfechten, juristisch vorgehen gegen die Entscheidung wollen aber beide nicht. Bei Core ärgert man sich vor allem über die "rote Flagge", übrigens die einzige, die einer der Bewerber kassiert hat (Telcordia benutzt in der Bewertung eine Kategorisierung mit Rot, Gelb, Grün und Blau, wobei Rot die schlechteste und Blau die beste Bewertung darstellt). Den Grund für diesen Minuspunkt kann Knipp nicht so recht nachvollziehen, denn er betrifft allein den Punkt, dass Core++ nicht beschrieben habe, wie man die zugesagte Performanz der Nameserver messe. "Es ist ein wenig so, als würde man Michael Schumacher sagen, 'sag doch mal, wie du nachweist, dass du Sprit im Tank hast'." Die Preisgabe der Messpunkte im Netz sei zudem schon allein deshalb nicht empfehlenswert, weil sie zu Angriffen genau an diesem Punkten einlade.

Auch eine Reihe von schlichten Fehlern bemängeln die beiden Deutschen. So wurden bei Core nicht alle Supportsprachen genutzt. Beim DeNIC führte ein ganz fetter Schnitzer zum einzigen gelben Punkt in der Bewertung. Ganz offensichtlich hielt die Telcordia-Mannschaft das DeNIC für den Entwickler der Sybase-Datenbank, denn der Bericht wirft DeNIC vor, als einziger Bewerber mit einer selbst entwickelten und daher vielleicht anfälligeren Datenbank zu arbeiten. Dolderer will insbesondere diesen Punkt gerade rücken.

In gewisser Weise habe die vorsichtigere Selbsteinschätzung -- "wir haben etwa bei den Roundtripzeiten nur das zugesagt, was wir wirklich sicher abliefern können" -- dem DeNIC geschadet. "Vielleicht ist das ein wenig deutsch", kommentierte Dolderer. Etwas belustigt hat sie der Minuspunkt, dass die vom DeNIC zunächst anvisierten Rechenzentren in Amsterdam und Frankfurt zu nahe zusammenliegen. "Ich nehme fast an, dass die Rechenzentren von VeriSign auch nicht weiter auseinander liegen."

Bei Sentan weiß man das sogar genau. "Wir bekamen eine schlechte Bewertung dafür, weil unsere Rechenzentren zu nahe beieinander liegen -- sie sind 500 Kilometer weit auseinander --, aber VeriSign bekam dafür keinen Minuspunkt, obwohl seine Rechenzentren nur 20 Kilometer voneinander entfernt sind", teilte Neustar-Vizepräsident Richard Tindal auf Anfrage von heise online mit. Sentan, ein Konsortium aus Neustar/Neulevel und der japanischen Länder-Registry, rechnet fest damit, dass durch die Korrektur solcher Fehler die Reihenfolge in der Telcordia-Liste noch berichtigt wird. Sentan liegt nur ganz knapp hinter VeriSign. "Wir denken, dass das ICANN-Büro eine Verpflichtung dazu hat, diese Dinge zu überprüfen und dass es das auch tun wird. Ganz sicher aber werden ICANNs Vorstand und das US-Handelsministerium darauf achten", meinte Tindal.

Auch von dieser Seite droht Spitzenreiter Verisign also noch Ungemach. Obwohl manch ein Beobachter sagt, der Ex-Domainmonopolist werde sich den Sieg auf den letzten Metern nicht mehr abnehmen lassen, kann VeriSign über einen Erfolg der Bewerbung keineswegs sicher sein. ICANNs Vorsitzender Vint Cerf hat gegenüber heise online ebenfalls bestätigt, dass der Vorstand das letzte Wort spricht. Das ICANN-Treffen in Mar del Plata wird also spannend. (Monika Ermert) / (jk)