Resilienzstudie: Entscheider schätzen Produktivität im Homeoffice höher ein

Führungskräfte in der Region Köln bewerten die Produktivität im Homeoffice seit der Corona-Krise besser als zuvor. "Hundsmiserabel" sei die digitale Schule.

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(Bild: Lapina/Shutterstock.com)

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Viele Führungskräfte aus Wirtschaft, Verwaltung und Forschung im Großraum Köln haben ihre Haltung zum mobilen Arbeiten mit den Erfahrungen während der Corona-Pandemie geändert. Schätzten vor der Krise 16 Prozent der Macher die Produktivität im Homeoffice als schlechter ein als beim Schaffen im Büro vor Ort und nur elf Prozent als höher, liegt das Verhältnis inzwischen bei 13 zu 23 Prozent. Das ist ein Plus von zwölf Prozentpunkten bei denen, die das Arbeiten von zuhause aus oder unterwegs für produktiver halten.

Die Zahlen stammen aus einer Studie zur digitalen Resilienz, die das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) gemeinsam mit dem TÜV Rheinland und der deutschen ICT + Medienakademie in den vergangenen Wochen durchführte und dafür rund 100 "Top-Entscheider" wie Vorstände, Geschäftsführer, Amtsleiter und Kommunalpolitiker befragte. Beauftragt hatte die Analyse das German ICT & Media Institute (GIMI) unterstützt von der Kölner Wirtschaftsförderungsgesellschaft und dem eco-Verband der Internetwirtschaft.

Größere Unternehmen schätzen die Produktivität dabei höher ein als kleinere. FIT-Vizechef Wolfgang Prinz erklärte dies bei der Präsentation der Untersuchung am Freitag damit, dass mittelständische Betriebe schon seit Längerem Telearbeit stärker zu schätzen wüssten. Kleine Teams ließen sich aus der Ferne auch besser führen als große. 83 Prozent der erfassten Einrichtungen hätten die Ausstattung zum mobilen Arbeiten im Rahmen der Verfügbarkeiten verbessert. Stimme die digitale Infrastruktur nicht, sei "die Resilienz" und damit die Fähigkeit, tatsächlich oder potenziell widrige Ereignisse abzuwehren und zu verkraften, gefährdet.

Zunehmend würden neben Audio- und Videokonferenzen auch Messenger-Dienste und soziale Medien eingesetzt, berichtete Prinz. Diejenigen, die auf solche Kanäle setzten, hielten sich auch für produktiver. Die Telefon- und E-Mail-Nutzung sei gleichgeblieben. Insgesamt mache sich die Zunahme der Kontaktkanäle als Stress bemerkbar, obwohl sich die Anzahl der Kommunikationspartner während der Pandemie fast halbiert habe.

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"Der Flurfunk fällt weg", erläuterte der Informatiker. Auch die gegenseitige Hilfestellung und die soziale Kommunikation in der Arbeitsgruppe litten: "Es reicht nicht, Laptops zu verteilen." Auch die Teamfähigkeit spiele eine große Rolle, sonst "saufen alle ab in der Kommunikation". Die Vereinbarkeit des Berufs mit Familie und Privatleben sei im Homeoffice nur für 18 Prozent ein Problem, der Großteil sehe hier Vorteile. Das "Küchentisch-Dilemma" könnte sich aber verspätet noch auswirken, wenn viele Mitarbeiter "nach drei Jahren mit Rückenproblemen kommen".

"Die Eigenverantwortung erhält eine größere Bedeutung", führte Prinz aus. Führungskräfte verlangten eine stärkere Ergebnisorientierung. Dass die Kontrolle weniger kleinteilig ausfalle, könne zu einer größeren Motivation von Mitarbeitern führen. Genutzt werden sollten neue Möglichkeiten der Prozessorganisation wie digitale Arbeits- und Lernkonzepte, um die "Ideen-Pipeline" zu fördern. Akquise und Vertrieb müssten stärker aufs Internet verlagert werden. Das Thema IT-Sicherheit werde meist ernst genommen, aber einige Mitarbeiter fühlten sich damit noch alleingelassen.

In Schulen ist zwar der Breitbandanschluss meist nicht mehr das große Problem, aber 91 Prozent der Teilnehmer bewerten digitale Lern- und Lehrkonzepte als schlecht. "Die Erwachsenenbildung funktioniert besser", weiß der Experte. Für die ganz junge Generation sei Präsenzunterricht offenbar nicht wirklich zu ersetzen. 80 Prozent der Entscheider beurteilten die digitale Ausstattung der Gesundheitsämter als schlecht und forderten auch eine stärkere Vernetzung mit Ärzten und Krankenhäusern. Hier sei es offenbar nötig, auch mal "über die Hürden der DSGVO zu springen".

André Marburger, Geschäftsführer des IT-Lösungsanbieters Rewe Systems, der zum gleichnamigen Handelskonzern gehört, beklagte eine "hundsmiserable Digitalisierung in den Schulen" sowie bei Behörden zu viel Bürokratie. Das Unternehmen habe vor einem Jahr tausende Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, in den Büros liege die Belegungsquote nur noch zwischen fünf und fünfzehn Prozent. Das GIMI habe im Lichte der Studie einen online verfügbaren Resilienzrechner erstellt, der anhand weniger Fragen Hinweise zum Status quo bei der Abwehrfähigkeit gebe.

Der Weg ins Homeoffice sei kein Problem gewesen, erläuterte Gunnar Franke von TÜV Rheinland Consulting. Der Spagat, Business und Privatleben unter einen Hut zu bringen, sei nun aber das "Thema Nummer 1" bei der bereits zuvor mit Notebook und VPN-Zugang ausgerüsteten Belegschaft. Die Beratungsfirma habe ein Pilotprojekt für die Arbeitsumgebung der Zukunft gestartet, um maximale Flexibilität, Mitarbeiterbindung und Teamgeist aufrechtzuerhalten.

Es gelte, die gestiegene Akzeptanz für mobiles Arbeiten – auch von den Rheinterrassen aus – mitzunehmen in die Zeit nach der Krise, gab Markus Greitemann vom Kölner Stadtentwicklungsdezernat als Parole aus. Die Seuche dürfte ihm zufolge langfristige Auswirkungen auf die Planung in den Bereichen Wohnen und Mobilität haben. So gelte es etwa, Großkaufhäuser umzustrukturieren und WLAN-Hubs einzurichten. Der Wirtschaftsförderer Manfred Janssen monierte, dass Deutschland mit dem "Totschlagargument des Datenschutzes" an vielen entscheidenden Stellen kaum weiterkomme.

(tiw)